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5 Kernpunkte Was ist aktuell am Anleihemarkt los?

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Die fiskalpolitische Reaktionen laufen nun auf Hochtouren. Wir erwarten in vielen Ländern umfangreiche Kreditprogramme für Unternehmen sowie Maßnahmen zur Unterstützung der Verbraucher.

3. Das Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik muss genau beobachtet werden

Wir werden das Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik genau beobachten. Wenn zur Fiskalpolitik Kreditprogramme gehören, die so ausgestaltet sind, dass die Unternehmen staatliche Kredite zurückzahlen müssen, könnten Unternehmen mit höherer Verschuldung aus der Krise kommen. Dadurch könnte sich die Konjunkturerholung jedoch verlangsamen. Stattdessen können die Regierungen beschließen, Geld direkt in den Unternehmenssektor zu pumpen, das nicht zurückgezahlt werden muss.

Diesen Ansatz haben wir während anderer Krisen in jüngster Zeit zwar nicht gesehen, aber ein Blick weiter zurück in die Vergangenheit legt nahe, dass Zentralbanken die durch höhere Staatsausgaben entstandenen Schulden am Ende vielleicht „monetarisieren“ werden. Monetarisierung bedeutet, dass Regierungen Schuldtitel begeben, um staatliche Ausgaben zu unterstützen und Zentralbanken dann diese Schuldtitel kaufen, aber von der Regierung keine Rückzahlung verlangen. In der Vergangenheit hat das zu Inflation geführt.

Das Zusammenspiel von Fiskal- und Geldpolitik ist vermutlich in jedem Land anders. Noch ist es zu früh, um vorauszusagen, welche Länder welchen Ansatz verfolgen warden – und wie sich das auf die Inflation auswirken könnte. Auf kurze Sicht haben die Deflationsrisiken unserer Ansicht nach zugenommen, langfristig aber wird diese Dynamik für zukünftige auf Zinsen und Wechselkurse ausgerichtete Investmentstrategien wichtig sein. Wir beobachten daher genau, wie sich dieses Zusammenspiel entwickelt.

4. Unternehmens- und Kommunalanleihen befinden sich nun am Schnittpunkt von Geld- und Fiskalpolitik

Unternehmens- und Kommunalanleihen stehen unter Druck. Das liegt sowohl an den Liquiditätsproblemen am Anleihemarkt, adressiert durch die Geldpolitik, als auch an der Besorgnis über das Wirtschaftswachstum, welches durch fiskalpolitische Maßnahmen unterstützt wird. An den Märkten für Unternehmens- und Kommunalanleihen ist die Liquidität nach wie vor schwach. Es wird einige Zeit dauern, bis wir sehen, wie sich die fiskalpolitische Reaktion entwickelt.

Bei Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating erwarten wir Rating-Herabstufungen in Sektoren, die durch das Virus und niedrigere Ölpreise direkt beeinträchtigt werden. Dazu zählen Unternehmen in der Energie-, Reise- und Freizeitbranche. Der Bankensektor verfügt unserer Ansicht nach über eine gute Kapitaldecke und ist gut aufgestellt, um die kurzfristige Volatilität zu überstehen. Unseren konservativen Schätzungen zufolge könnten 200 bis 250 Milliarden US-Dollar an Anleihen mit BBB-Rating (niedrigstes Investment-Grade-Rating) im kommenden Jahr an den Markt für Hochzinsanleihen kommen. Das entspricht etwa 17 Prozent des aktuellen Marktwerts des US-Hochzinsmarkts. Wir gehen davon aus, dass Energietitel etwa die Hälfte dieser Rating-Herabstufungen ausmachen werden, der Automobilsektor etwa ein Drittel stellen wird und der Rest sich aus Emittenten aus der Reisebranche und anderen Sektoren, die besonders anfällig für das Coronavirus sind, zusammensetzen wird.

Sowohl der Hochzinsmarkt als auch der Markt für Kommunalanleihen hat beträchtliche Anlegerabflüsse erlitten, was zu den Liquiditätsproblemen an diesen Märkten beigetragen hat. Am Hochzinsmarkt ist das Ausfallrisiko unseres Erachtens gestiegen. Wir schätzen jedoch, dass der Markt eine 12-monatige Ausfallrate von rund 9 Prozent einpreist, was über unseren Erwartungen liegt. Bei Kommunalanleihen gehen wir davon aus, dass die Auswirkungen des Coronavirus auf die Bonität durch strukturelle Stärken in verschiedenen Sektoren sowie die Reserven, die von Bundesstaaten und Gemeinden während der Wirtschaftswachstumsphase der letzten 10 Jahre gebildet wurden, weitgehend gedämpft werden.

5. Wir sind auf Zahlungsströme und Bonität fokussiert

Unserer Ansicht nach befinden sich die Anleihemärkte gerade noch mitten in der Krise. Gleichwohl: Wir weisen darauf hin, dass die geldpolitische Reaktion sehr schnell erfolgte – und wir erste Auswirkungen dieser Maßnahmen sehen. Unsere Investmentstrategie ist auf diejenigen Marktbereiche fokussiert, die von diesen geldpolitischen Maßnahmen erfasst werden sowie auf Anleihen, die das Potenzial für starke Zahlungsströme bieten und durch solide Aktiva unterstützt werden. Hypothekenanleihen (MBS) sind ein Beispiel einer Anlageklasse, die im Wirkungsbereich der geldpolitischen Maßnahmen liegt. Denn die Fed hat vor Kurzem ein quantitatives Lockerungsprogramm aufgelegt, das den Kauf von mindestens 200 Milliarden US-Dollar an Hypothekenanleihen (MBS) beinhaltet. Auch bei hochwertigen, kurzfristigen Unternehmensanleihen erkennen wir Gelegenheiten. Sie werden unseren Erwartungen nach von der sich verbessernden Liquidität profitieren.


Über den Autor:
Andrew Wilson ist Chef für die EMEA-Region und leitet das Team globale Anleihen und Liquiditätsmanagement bei Goldman Sachs Asset Management.

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