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Aktualisiert am 27.01.2020 - 17:41 UhrLesedauer: 5 Minuten

„6 bis 8 Prozent Rendite pro Jahr hören sich auf einmal wieder sexy an“

Christine Dillinger
Christine Dillinger, BNP Paribas

DAS INVESTMENT.com: Das ausstehende Volumen am Zertifikatemarkt hat sich fast halbiert. Wer hat sich in erster Linie von seinen Produkten getrennt – eigenständig handelnde Privatanleger oder Kunden, die Zertifikate über Berater gekauft haben? Christine Dillinger: Zunächst einmal kann man feststellen, dass der Abverkauf am Zertifikatemarkt neben der Lehman-Pleite ganz entscheidend auf die Kurseinbrüche an den Börsen zurückzuführen ist. Wenn man dann sieht, dass es sich bei dem Gros der von Beratern verkauften Produkte um kapitalgeschützte Zertifikate handelte, sind es wohl eher die eigenständig handelnden Privatanleger gewesen, die massiv verkauft haben. Dazu haben sich natürlich auch viele Berater-Kunden von ihren Papieren getrennt. Schließlich wollten alle Seiten möglichst sämtliche Risiken aus ihren Portfolios verbannen. Im Bereich Investmentfonds war das nicht anders.  DAS INVESTMENT.com: Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Selbstentscheider ein, die am Zertifikatemarkt aktiv sind? Dillinger: Ich gehe von einem Anteil von unter 25 Prozent aus. Aus unserer Erfahrung heraus sind das häufig jüngere Leute, die sich die Zeit nehmen, Produkte und Basiswerte zu analysieren. Dazu kommen Ältere, für die das Investieren eine Art Hobby darstellt. Die überwiegende Mehrheit der Privatanleger hat jedoch keine Zeit und Lust sich mit den Funktionsweisen von Zertifikaten zu befassen und überlässt das lieber ihrem Anlageberater.  DAS INVESTMENT.com: Wie waren denn die Reaktionen aus dem Beratermarkt seit Ausbruch der Krise?  Dillinger: In den vergangenen Monaten war sowohl auf Kunden- als auch auf Beraterseite eine extrem hohe Abneigung gegen risikobehaftete Investments zu beobachten. Die dramatische Entwicklung an den Börsen und der Fall Lehman haben Anleger und Berater gleichermaßen überrascht. Der Zertifikatevertrieb kam praktisch zum Erliegen. In letzter Zeit wurden am ehesten noch Produkte mit Kapitalgarantie wie zum Beispiel Stufenzinsanleihen vermittelt. 
 
DAS INVESTMENT.com: Schade eigentlich, rückblickend war die Gelegenheit zum Kauf von konservativen Standardprodukten doch sehr günstig. Dillinger: Nun, mit solch einer kräftigen Erholung am Aktienmarkt hätte man ja nicht gerade rechnen können. Dennoch finde ich es schade, dass die hohen Schwankungsbreiten nur sehr zaghaft für Käufe von Discountern oder Aktienanleihen genutzt wurden. In dieser Zeit warteten viele Produkte mit ansehnlichen Seitwärtsrenditen und gleichzeitig hohen Sicherheitspuffern auf.       DAS INVESTMENT.com: Können Sie derzeit eine Belebung im Beratermarkt feststellen?
 
Dillinger: Im Zuge der freundlichen Börsen kam in den letzten Wochen wieder etwas Schwung in den Markt. Das liegt auch daran, dass sich viele Anleger mittlerweile vergeblich nach rentierlichen Festgeldanlagen umschauen. Da hören sich 6 oder 8 Prozent Rendite pro Jahr mit einem recht komfortablen Sicherheitspuffer auf einmal wieder richtig sexy an.    DAS INVESTMENT.com: Welche Trends machen Sie außerdem bei der Zertifikateberatung aus? Dillinger: Da gibt es einige Berater, die sagen: „Zertifikate sind kein Thema mehr für uns“. Hier müssen wir weiter Überzeugungsarbeit leisten. Andere sagen dagegen, jetzt erst recht – mit Zertifikaten lassen sich die vielfältigen Kundenwünsche immer noch am besten bedienen. Außerdem ist das Thema Haftungsklagen in den Mittelpunkt vieler Vertriebe gerückt. Ich könnte mir vorstellen, dass innerhalb eines Haftungsdaches nicht mehr alle Berater alle Zertifikatetypen verkaufen werden. Manche werden aufgrund fehlender Produktkenntnisse wohl vorerst ganz von Zertifikaten lassen.   

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