6 Einschätzungen Was die P&R-Insolvenz für Vermittler bedeutet
"Gemeinsame Interessensvereinigung von Kunden und Vermittlern problematisch"
Norman Wirth (Kanzlei Wirth Rechtsanwälte und Vorstand des AfW):
"Probleme bei P&R werden auch zu Problemen der Anlagevermittler – das ist klar. Selbsternannte “Anlegerschutzanwälte” rühren bereits äußerst aktiv die Werbetrommel. Vermittler sollten sich von deren Sprüchen und Drohgebärden nicht beeindrucken lassen. Aus unserer Erfahrung in solchen Fällen wissen wir, dass bei entsprechend fachkundiger Prozessführung durch eine versierte Rechtsanwaltskanzlei sehr gute Erfolgsaussichten für den Vermittler bestehen. Insbesondere obliegt dem Anleger die volle Beweislast für eine angebliche nicht hinreichende Risikoaufklärung oder sonstige angebliche Fehler.
Vermittler, welche sich direkt mit Ansprüchen ihrer Kunden konfrontiert sehen, sollten unbedingt anwaltlichen Rat einholen. Weder sollten sie selbst rechtsberatend tätig werden noch eine persönliche Stellungnahme zur der derzeitigen oder zukünftig möglichen Situation ihren Kunden gegenüber abgeben. In jedem Fall sollten sie bemüht sein, weiterhin das bisherige Vertrauensverhältnis zu ihren Kunden bestehen zu lassen. Für Fragen der Kunden sollten sie erreichbar sein und diese, soweit möglich, sachlich und unter Verweis insbesondere auf die Informationen des Insolvenzverwalters beantworten.
Mehr aber auch nicht. Insbesondere wird dringend davon abgeraten, Kunden von Mitgliedschaften in irgendwelchen Betroffenenvereinen zu überzeugen! Gleichfalls halten wir eine gemeinsame Interessensvereinigung von Kunden und Vermittlern für extrem problematisch, da haftungsträchtig und mit einem hohen Interessenskonfliktpotential belastet. Bei Geld hört die Freundschaft bekanntlich auf. Erst recht häufig auch eine langjährige Kundenbeziehung.
"Ein Fall aus der alten Welt"
Die Vermittler stehen hier bisher nicht im Fokus, sondern die Produkte. Wobei ich auch das problematisch finde, da bisher nicht hinreichend bekannt ist, was zu den Insolvenzen geführt hat. Und trotzdem gibt es schon klare Ansagen. Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick kritisiert, der Fall P&R zeige, dass die Gesetzeslage Anleger weiterhin nur ungenügend vor nicht tragfähigen Geschäftsmodellen schütze. Der Chef des Bundesverband Verbraucherzentrale Klaus Müller äußerte, dass ein aktiver Vertrieb verboten werden solle, denn für Verbraucher seien diese Produkte zu komplex und bergen zu hohe Risiken. Beide übersehen – ob bewusst oder unbewusst, sei hier dahingestellt –, dass mit dem Kleinanlegerschutzgesetz gerade erst eine intensive Regulierung erfolgte.
Ich wünschte mir weniger Hysterie, mehr Differenzierung bei der Betrachtung und weniger Eile bei Schuldzuweisungen. Wenn überhaupt, dann erleben wir hier möglicherweise einen Fall aus der alten Welt. Und es sollte nicht vergessen werden, dass wir es hier so oder so mit einer wirtschaftlichen Beteiligung zu tun haben – und nicht mit einem Sparbuch (was aber bekanntermaßen inzwischen auch zu Verlust führt).
"Vermittler tragen die geringste Schuld"
Den Vermittlern ist hier sicherlich am wenigsten vorzuwerfen. Aber: 51.000 betroffene Anleger bedeutet eben auch eine Vielzahl involvierter Vermittler, die sich nun Fragen und eventuell auch Vorwürfen ausgesetzt sehen. Fakt ist: Jeder derartige Fall ist einer zu viel für die Branche. Jeder derartige Fall hat in der Vergangenheit zu weiterer Regulierung geführt. Nur: Hier haben wir einen Fall, bei dem die Regulierung der Produkte und der Vermittler dieser Produkte in Bezug auf Prospektpflicht und Aufsicht gerade schon erfolgt ist. Die Regulierungen sind gerade am Greifen. Trotz der P&R Insolvenzen besteht insofern kein zusätzlicher Regulierungsbedarf."