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6 Fragen an Anleihenspezialist Stephan Kuhnke So wirken sich steigende Zinsen auf den Anleihenmarkt aus

Stephan Kuhnke, Leiter Portfoliomanagement bei Bantleon
Stephan Kuhnke, Leiter Portfoliomanagement bei Bantleon
Wie wird der Anleihenmarkt auf die anstehende Zinserhöhung reagieren?

Wir erwarten eine 1. Leitzinserhöhung um 0,25 Prozent im September und können uns sogar einen zweiten Schritt um 0,25 Prozent im vierten Quartal dieses Jahres vorstellen. Das Leitzinsniveau würde damit bis Ende des Jahres um 0,50 Prozent steigen. An den Geldterminmärkten ist dieses Szenario nicht beziehungsweise nur teilweise eingepreist.

In der Folge besteht sowohl an den Geldterminmärkten als auch bei US-Treasuries Korrekturpotential. Vor diesem Hintergrund können wir uns vorstellen, dass die Renditen 10-jähriger US-Treasuries in den nächsten Monaten von derzeit 2,25 Prozent auf 2,50 Prozent bis 2,75 Prozent steigen.  Die Zinsstrukturkurve sollte dabei flacher werden, das heißt wir erwarten stärkere Zinsanstiege bei Anleihen mit kurzen Restlaufzeiten als bei lang laufenden Anleihen.

Parallel dazu sollten auch die Renditen deutscher Bundesanleihen leicht anziehen. Neben der Sogwirkung aus den USA sollten hier die Beruhigung im Griechenlandstreit und die sich abzeichnende konjunkturelle Belebung in der Eurozone für steigende Renditen sorgen. In diesem Umfeld könnten deutsche Bundesanleihen ausgehend vom aktuellen Niveau (circa 0,65 Prozent) nochmals einen Angriff auf die 1- Prozent -Marke starten und in der Spitze bis auf 1,25 Prozent  anziehen.

Die Renditedifferenz von Staatsanleihen aus den Peripherieländern (allen voran Italien und Spanien) sollte sich weiter zurückbilden. Hier können wir uns einen Rückgang der Zinsaufschläge gegenüber deutschen Bundesanleihen von derzeit 125 Basispunkten (bei zehnjährigen Fälligkeiten) auf unter 100 BP vorstellen. Relativ gesehen sollten Peripherie-Staatsanleihen daher outperformen. Auch Unternehmensanleihen sollten sich besser entwickeln als hochqualitative Staatsanleihen, da sie von den sich weiter verbessernden konjunkturellen Rahmenbedingungen partizipieren.

Welche Auswirkungen ergeben sich möglicherweise für den High-Yield-Bereich?

Was Unternehmensanleihen mit Rating unterhalb des „Investment Grade“ betrifft:
Der von uns prognostizierte konjunkturelle Aufschwung in der Eurozone wird die Gewinnsituation der Unternehmen weiter verbessern. In der Folge sinkt die Ausfallwahrscheinlichkeit, was zu rückläufigen Risikoaufschlägen und zusammen mit den höheren Kupons dieser Anleihen zu einer Outperformance von High-Yield-Anleihen gegenüber hochqualitativen Staatsanleihen beiträgt.
Die Leitzinserhöhungen der US-amerikanischen Notenbank sollten dieser Entwicklung nicht entgegenstehen.

Die Zinserhöhung steht schon lange im Raum. Haben Sie Ihre Portfolios schon darauf ausgerichtet?


Über die potentielle Zinserhöhung wird viel diskutiert. Wie man an den Geldterminmärkten ablesen kann, bestehen bei vielen Marktteilnehmern jedoch unverändert Zweifel an der tatsächlichen Umsetzung. Aus diesem Grund besteht noch immer ein gewisses Überraschungspotential für den Konsensus, was steigende Renditen nach sich ziehen wird.

Mit Blick auf unsere Prognose (erste Leitzinserhöhung im September und zweiter Schritt im Dezember und steigende Renditen) haben wir die Durationen in unseren Fonds in den letzten Wochen und Monaten sukzessive verkürzt und damit das Zinsänderungsrisiko reduziert.

Was würden Sie Anlegern derzeit raten?

Eine aktive Bewirtschaftung der Anleihenbestände ist unabdingbar!
Aufgrund des extrem niedrigen Zinsniveaus (die Kupons bieten keinen beziehungsweise kaum noch Schutz vor steigenden Renditen) müssen die Anleihenbestände sowohl in Bezug auf das Zinsänderungsrisiko als auch die Sektorallokation permanent an die konjunkturellen Perspektiven angepasst werden.

Unsere Allokationsempfehlung:
  • Kurze Duration
  • Untergewicht bei Staatsanleihen aus den Kernländern der Eurozone
  • Übergewicht bei Staatsanleihen aus den Peripherieländern
  • Unternehmensanleihen mit tiefen Ratings im Investment-Grade-Bereich („BBB“) zur Ertragsoptimierung übergewichten
  • Selektive Beimischung von High-Yield-Anleihen
Welche Entwicklung am Anleihen-Markt erwarten Sie für die Zeit bis zur Zinswende?

Eine erhöhte Volatilität. Der Markt wird in den nächsten Wochen noch stärker als üblich auf die Veröffentlichung von Konjunkturdaten und Kommentare von Fed-Mitgliedern reagieren. Jeder Hinweis, der die Wahrscheinlichkeit für den ersten Zinsschritt im September erhöht wird unmittelbar zu steigenden Renditen führen. Schwache Konjunkturdaten beziehungsweise sanfte Töne von Fed-Mitgliedern werden hingegen fallende Zinsen nach sich ziehen.

Wird die Europäische Zentralbank bald nachziehen und ihrerseits den Euro-Leitzins erhöhen?

Das schließen wir aus. Die EZB wird die Zügel mittel- bis langfristig locker lassen. Wir gehen davon aus, dass die EZB das im März dieses Jahres gestartete Anleihen-Ankaufprogramm – wie angekündigt – bis September 2016 durchzieht. In diesem Zeitfenster sind Leitzinserhöhungen gänzlich ausgeschlossen.

Eine erste Leitzinserhöhung ist auf Basis unserer Konjunkturprognosen frühestens im Verlauf von 2017 vorstellbar.

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