Zukunft der Beratung 78 Prozent Robo-Kunden bis 2028: Ist Ihr Beraterjob noch zu retten?
Neulich beim Lunch mit einem befreundeten Finanzberater fiel ein Satz, der mich nicht mehr loslässt: „David, in zehn Jahren sitzt an meinem Schreibtisch ein Chatbot.“ Er lachte zwar, klang aber nervös. So nervös wie jemand klingt, der scheinbar eine echte Existenzangst hat. Das war kein klassisches „Höhö, Witz gemacht!“.
Als Redakteur für digitale Themen bin ich es gewohnt, über die Zukunft unserer Finanzbranche nachzudenken. Doch was, wenn diese Zukunft schneller kommt als wir alle ahnen?
Ein Empirie-gestützter Blick in die Glaskugel aus dem Frühsommer dieses Jahres hat mich aufhorchen lassen. Die knackige Prognose der Experten des Deloitte Center for Financial Services: Bis 2028 sollen sage und schreibe 78 Prozent aller Retail-Investoren KI-gestützte Anwendungen für ihre Anlageentscheidungen nutzen. Das ist in dreieinhalb Jahren!
Für Sie als Finanzprofis stellt sich die Frage: Wie positionieren Sie sich in diesem rasanten Wandel – angenommen, die Deloitte-Leute die Leut (höhö) behalten Recht mit ihrer Vorhersage?
Berater vs. Bots: Wer gewinnt das Rennen um die Anlegergunst?
Stellen Sie sich vor: Ihr Kunde öffnet eine App, gibt sein Anlageziel ein, und Sekunden später erhält er einen maßgeschneiderten Investmentplan, der seine Risikobereitschaft, Lebenssituation und die aktuellsten Markttrends berücksichtigt. Science-Fiction? Laut Deloitte könnte das schon 2027 Realität sein.
Und damit nicht genug. Die Prognose besagt auch, dass der Anteil der Anleger, die einen menschlichen Finanzberater konsultieren, von 35 auf 31 Prozent sinken wird. Gut, bei dem aktuellen Gemetzel an den Börsen richtet ein Rückgang um "nur" vier Prozent sicherlich nicht direkt Schnappatmung bei Ihnen aus. Doch in einer Branche, in der persönliche Beziehungen traditionell als Schlüssel zum Erfolg galten, ist das ein Paradigmenwechsel.
Besonders betroffen könnten Berater mit eingeschränktem Produktangebot sein. Gegen eine KI, die in Sekundenschnelle komplexe Datenanalysen durchführt und passende ETFs oder Alternativen wie Private Equity empfiehlt, haben sie einen schweren Stand. Hier sind besonders Vermögensverwalter, ihre Expertise neu zu positionieren.
Der Mensch hinter der Maschine: Warum Empathie unbezahlbar bleibt
Die Deloitte-Prognose zeichnet aber nicht nur ein Weltuntergangsszenario a la „Dantes Inferno“ für die persönliche, menschliche Anlageberatung. Denn interessanterweise soll der Rat von Freunden und Familie kaum an Bedeutung verlieren. Das unterstreicht, wie wichtig der menschliche Faktor in Finanzentscheidungen ist und sicherlich auch bleibt – eine Chance für Sie, Ihre Rolle neu zu definieren? Ich sage: Ja.
Denn Hand aufs Herz: Eine offene – und natürlich gesund kritische – Haltung gegenüber KI hinterlässt sicherlich auch bei Ihren Kunden einen besseren Eindruck, als eine Entwicklung zu verteufeln, die erstens nicht aufzuhalten ist (nein, das ist sie wirklich nicht) und zweitens unsere gesamte Art zu arbeiten und zu leben grundlegend verändern wird. Oder wären Sie damals gerne derjenige gewesen, der immer wieder sagte: „Das Internet wird sich eh nicht durchsetzen!“ Dann doch lieber die KI-Welle reiten und gemeinsam mit den Kunden ins neue Zeitalter aufbrechen.
Für institutionelle Investoren wie Banken, Versicherungen und Pensionsfonds eröffnet die KI-Revolution ganz neue Möglichkeiten der Portfoliooptimierung und des Risikomanagements. Gleichzeitig stellt sich die Frage: Wie integrieren Sie diese neuen Tools in Ihre bestehenden Prozesse? Denn das wird zäh. Ich sage nur: Compliance.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Ethik im Algorithmus: Wer zieht die moralischen Grenzen in der Finanzwelt?
Natürlich wirft diese Entwicklung auch kritische Fragen auf: Wie gewährleistet man die Zuverlässigkeit von KI-Empfehlungen? Wer haftet im Schadensfall? Wie werden algorithmische Verzerrungen oder gar Manipulationen verhindert? Hier sind besonders die Verbände der finanzdienstleistenden Wirtschaft gefragt, proaktiv Lösungen zu entwickeln, bevor die Regulierungsbehörden es tun. Denn insbesondere die deutschen Leser unter Ihnen wissen: Ist die Regulierungsmaschine erstmal angelaufen, sieht es mit agiler Anpassung an neue Gegebenheiten nicht gut aus. Das Bürokratie-Monster und die exponentiell steigende KI-Entwicklungskurve passen eben so gut zusammen wie Papst Franziskus und eine progressive katholische Kirche – Polemik hin oder her.
Aber zurück zum Thema: Für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer könnte die KI-Revolution eine Chance sein, sich als Experten für die Prüfung und Validierung von KI-gestützten Finanzentscheidungen zu positionieren. Maklerpools und Finanzvertriebe wiederum stehen vor der Herausforderung, ihre Geschäftsmodelle an eine Welt anzupassen, in der KI vielleicht bald den Großteil der Produktempfehlungen übernimmt.
Die perfekte Mischung: Wenn Berater-Hirn auf Künstliche Intelligenz trifft
Eines ist sicher: Wir alle stehen vor einem gewaltigen Umbruch. Ein Verwalter-Riese wie Blackrock ebenso wie der kleine Finanzberater Krawupke von nebenan. Die Gewinner werden diejenigen sein, die KI nicht als Bedrohung sehen, sondern als Werkzeug, um ihre Dienstleistungen zu verbessern und zu personalisieren. Das ist eine Binse, ja. Aber nur, weil Sie es nicht mehr hören können, wird es nicht weniger wahr.
Für Sie als Finanzprofis bietet diese Entwicklung also enorme Chancen. Statt sich von Routineaufgaben auffressen zu lassen, können Sie sich auf die Bereiche konzentrieren, in denen menschliche Expertise unersetzlich bleibt: komplexe Finanzplanung, emotionale Intelligenz in Krisensituationen oder die Beratung bei unternehmerischen Entscheidungen.
Gerade dachte ich nochmal an diesen Lunch mit meinem Freund. Vielleicht sitzt in zehn Jahren tatsächlich ein Chatbot an seinem Schreibtisch. Aber wissen Sie was? Ich wette, mein Freund wird dann nebenan in einem gemütlichen Besprechungsraum sitzen, einen Kaffee in der Hand, und einem Kunden erklären, warum der Chatbot zwar tolle Arbeit leistet, aber eben doch nicht alles kann. Und beide lachen hämisch und scherzen darüber, wie verrückt es wäre, wenn die KI irgendwann ihre Jobs übernehmen würde. So weit kommt's noch.
Bis zum nächsten Mal.