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2. August 2022 Abfrage der Nachhaltigkeitsvorlieben – wird der Start verschoben?

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Die Kommission solle den Starttermin verschieben, fordert man daher bei Votum. „Dies ist eine Situation, die durch den europäischen Gesetzgeber nicht gewollt sein kann“, argumentiert Klein. Berater und Vermittler seien nach derzeitigem Stand Unsicherheit und Haftungsrisiken ausgesetzt.

Auch beim Vermittlerverband AfW will man die verbindliche Nachhaltigkeitsabfrage gern verschoben sehen. Die zugehörigen Prozesse verlangten Beratern umfangreiche Pflichten ab. Rechtsanwalt und AfW-Vorstand Norman Wirth zählt auf: Berater müssten Nachhaltigkeitsvorlieben abfragen und auch sogenannte ESG-Faktoren im Rahmen der Angemessenheitsprüfung berücksichtigen – ESG steht für ökologisch, sozial und gute Unternehmensführung. Greenwashing, also Investitionen in nur vermeintlicht grüne Geldanlagen, gelte es dabei zu vermeiden.

Vermittler müssten die Nachhaltigkeitsziele ihrer Kunden zudem schriftlich fixieren. Ohne genauere Detail-Anweisungen aus den RTS hält Wirth diese Aufgabe für kaum durchführbar: „Ich kann nicht als Vermittler Dinge nachfragen beziehungsweise in die Beratung einbeziehen, die mir dann noch nicht bekannt sind.“

Lücken auch in der Taxonomie

Zudem klaffe selbst bei der generellen Definition, was überhaupt nachhaltige Investments ausmacht, noch eine große Lücke. Denn in vielen Bereichen ist die europäische Taxonomie-Verordnung noch gar nicht fertig ausgestaltet: „Weder in Bezug auf die Taxonomie noch die RTS besteht zum 2.8.2022 Klarheit“, kritisiert Wirth.

Der AfW sei mit anderen Verbänden, Pools, Maklerverbünden und Softwareanbietern im Gespräch, um Vermittlern Informationen und Arbeitshilfen für das zukünftige Beratungsgespräch an die Hand geben zu können. „Unser Bemühen liegt darin, weitestgehende Standards zu bekommen“, stellt Wirth in Aussicht. Der AfW-Chef würde den Start am 2. August daher lieber gekippt sehen: „Es ist faktisch nicht möglich, zum 2.8.22 die Vorgaben der geänderten delegierten Verordnungen umzusetzen.“

Ins selbe Horn stößt auch Christian Waigel. Der auf Regulierung und Vermittlerrecht spezialisierte Rechtsanwalt meint: Mit der Verschiebung der RTS von 2022 auf 2023 geraten die Ziele der EU-Offenlegungsverordnung ins Bröckeln. Und nicht nur diese. Das gesamte Projekt Sustainable Finance könnte gefährdet sein. Immerhin hingen die Detailregeln sowohl zur Offenlegungs- und auch zur Taxonomieverordnung „noch zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten fest“. Die Kommission habe sich zu viel vorgenommen, findet Waigel.

Als besonders problematisch beurteilt es der Rechtsprofi: Bei der verbindlichen Nachhaltigkeitsabfrage gibt es keine Opt-out-Möglichkeit. Während die Offenlegungsverordnung noch zuließ, dass Finanzmarktteilnehmer das Thema Nachhaltigkeit in Produkten oder Beratung bewusst ausklammern, gewährt Mifid II kein solches Schlupfloch. Die Abfrage nach den der Nachhaltigkeitsvorlieben hat erfolgen. Punkt.

Mit Blick auf das schon heute vorhersehbare Stochern im Nebel zum Startdatum 2. August resümiert Waigel: „Damit bleibt uns nichts anderes übrig, als mit der Umsetzung zu beginnen, wenn auch auf unsicherer Grundlage“.

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