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„Abschied vom Wunschdenken“

Gerhard Glatz, Vorstandssprecher Universa Versicherungen, über die gesetzliche Rentenversicherung, das Potenzial von Riester-Policen und die gesellschaftspolitische Funktion von Beratern.

DAS INVESTMENT.com: Riestern Sie, Herr Glatz?

Gerhard Glatz: Leider nicht. Als Vorstandsmitglied gehöre ich nicht zum begünstigten Personenkreis. Schade eigentlich, denn die staatlichen Zulagen und Steuervorteile sind für die Altersvorsorge schon sehr verlockend.

DAS INVESTMENT.com: Die Riester-Rente war für die Versicherer in den vergangenen Jahren der Rettungsanker in einem schwierigen Geschäftsumfeld – wie lange wird sie diese Funktion noch erfüllen können?

Glatz: Die gesetzliche Rentenversicherung reicht im Alter nicht aus, um den gewohnten  Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Wir müssen dem Verbraucher heute erklären, dass Norbert Blüm mit seinen Worten „die Renten sind sicher“ nicht Recht hatte. Noch nie zuvor mussten Generationen aufgrund der demographischen Entwicklung so viel Geld fürs Alter zurücklegen. Der Berater übernimmt dabei eine gesellschaftspolitische Funktion. Er hat die Aufgabe, dem Verbraucher zu erklären, dass er heute auf Konsum verzichten und fürs Alter sparen sollte, um später nicht von der Grundabsicherung der sozialen Systeme leben zu müssen.

Der politisch eingeschlagene Weg zur Teilkapitalisierung des gesetzlichen Rentensystems ist nicht von heute auf morgen realisierbar, schon gar nicht in der momentanen Wirtschaftslage. Der Staat hat mit der geförderten Riesterrente die richtigen Zeichen gesetzt und in diesem Jahr für Neugeborene, Berufsstarter und Erwerbsgeminderte die Förderung sogar noch erhöht beziehungsweise ausgebaut. In keinem anderen Anlagesegment sehe ich in den nächsten Jahren größeres Wachstumspotenzial als in der staatlich geförderten Altersvorsorge.

DAS INVESTMENT.com: Der Anteil der Riester-Verträge von Fondsgesellschaften steigt rasant. Wie wollen Sie sich gegen diese Konkurrenz behaupten?

Glatz: Die Versicherungswirtschaft hat im Riestermarkt mit rund neun Millionen Verträgen einen Marktanteil von knapp 80 Prozent gegenüber Fondsgesellschaften und Banken. Die Altersvorsorge und die Absicherung biometrischer Risiken wie Langlebigkeit, Hinterbliebenenversorgung und Berufsunfähigkeit bleibt eine Kernkompetenz der deutschen Versicherer. Wir garantieren Kunden bereits heute eine lebenslange Rente und bei fondsgebundenen Produkten einen festen Rentenfaktor. Beides sind Werte, mit denen der Kunde kalkulieren und auf die er sich sein Leben lang verlassen kann, auch wenn die Lebenserwartung weiter steigt.

DAS INVESTMENT.com: Riester-Versicherungen sind zuletzt häufig kritisiert worden: Man müsse über 90 Jahre alt werden, bevor sich ein Riester-Vertrag lohne, die Kosten von Riester-Policen seien so hoch, dass sie die staatliche Zulagen auffräßen und das Produkt sei zwar für Geringverdiener konzipiert, die Riester-Rente werde aber nachher auf die Grundsicherung angerechnet, sodass die Versicherten kaum etwas extra hätten. Ist die Schelte berechtigt?

Glatz: Ich frage mich immer wieder, wem diese fachlich falsche Kritik helfen soll? Ist es besser, aus Angst etwas falsch zu machen, fürs Alter nichts zurückzulegen? Wohl kaum. Fakt ist, dass sich dank des medizinischen Fortschritts die Lebenserwartung in den vergangenen Jahren fast verdoppelt hat - und mit ihr ebenso zwangsläufig die Rentenbezugsdauer. Leider lassen Kritiker bei der Vergleichsberechnung klassischer  Produkte oft die Überschussbeteiligung außen vor und vergleichen hier nur die Garantiewerte.

DAS INVESTMENT.com: Bezüglich der Kosten stehen die Versicherer nicht gerade im Ruf, Fondshäuser zu unterbieten …

Glatz: Ein reiner Kostenvergleich hilft keinem weiter. Fondspolicen brauchen übrigens einen Vergleich mit Fondssparplänen nicht zu scheuen, wie eine Untersuchung des Instituts für Versicherungswesen an der Fachhochschule Köln bestätigt. Dies trifft um so mehr zu, wenn man die Steuerbelastungen der Abgeltungsteuer ab 2009 in die Kostenbetrachtung mit einrechnet. Und wir müssen uns von dem Wunschdenken verabschieden, dass es eine qualifizierte persönliche Beratung irgendwo zum Nulltarif gäbe. In sie investiert der Berater nicht nur beim Beratungsgespräch, sondern bereits bei der Aus- und Weiterbildung, eine Menge an Zeit und Kosten.

Die Riesterrente ist für jeden Förderberechtigten interessant - auch für Geringverdiener. Für fünf Euro pro Monat gibt es jährlich 154 Euro vom Staat und für jedes Kind noch einmal zwischen 185 und 300 Euro dazu. Damit kann mit nur wenig finanziellem Aufwand eine zusätzliche Altersvorsorge aufgebaut werden. Und auf welcher Höhe sich später die Grundsicherungsgrenze einpendeln wird, bleibt ungewiss. So wurde erst kürzlich eine Diskussion geführt, dass 132 Euro pro Monat zum Leben ausreichen. Daran wird drastisch sichtbar, wie wichtig private Vorsorge für die Alterseinkünfte ist.

DAS INVESTMENT.com: Bald sollen die ersten Wohn-Riester-Produkte erscheinen – was halten Sie von dem Konzept?

Glatz: Wohnriester ist vom Start weg ein bürokratisches Monster, dessen  Nebenwirkungen nur schwer abzuschätzen sind. Knackpunkt ist das fiktive Wohnförderkonto, über das zu Rentenbeginn die Immobilie entweder sofort oder bis zum 85. Geburtstag versteuert werden muss. Zudem können Wechselfälle des Lebens die Wohnriesterfinanzierung des Eigenheims kräftig treffen. Solche Störfälle können beispielsweise Scheidung, Arbeitslosigkeit, beruflich oder privat bedingter Umzug, Auslandsaufenthalt oder notwendiger Einzug ins Pflegeheim sein. Treten sie ein, kann das dazu führen, dass das ganze Wohnriesterkartenhaus in sich zusammenbricht.

Wie Eingangs bereits erwähnt, hat die Einführung der Riesterrente ein anderes Ziel verfolgt: Sie soll die beschlossenen  Rentenkürzungen der Rentenreform 2001 ausgleichen. Dazu ist es erforderlich, dass jeder Förderberechtigte vier Prozent seines Einkommens fürs Alter spart und dafür erhält er seine staatliche Zulage. Wer seine künftige Altersversorgung stützen will, hat neben der gesetzlichen Rente mit der Riesterrente ein weiteres verlässliches Einkommen monatlich auf seinem Konto – und das hilft umso mehr, wenn noch eine Immobilie unterhalten werden muss.

DAS INVESTMENT.com: Welche Wachstumsimpulse erwarten Sie von der Abgeltungsteuer speziell für Riester-Renten?

Glatz: Insbesondere bei Fondsparern wird es zu einer Umschichtung in fondsgebundene Versicherungsprodukte kommen, um der neuen Abgeltungsteuer zu entgehen. Die Riesterrente wird hier ebenfalls weiter punkten. Wir bieten zum Beispiel neben einem klassischen Riesterprodukt neuerdings auch eine fondsgebundene Lösung nach einem  „Drei-Topf-Modell“ an.

Die Beitragsgarantie wird über eine Kombination aus  Wertsicherungsfonds und klassischem Deckungskapital sichergestellt. Dynamisches  Umschichten zwischen Wertsicherungsfonds, Deckungskapital und freier Fondsanlage gewährleistet während der gesamten Laufzeit ein höchstmögliches Aktieninvestment. Im Vergleich zu herkömmlichen Garantiefonds oder klassischen Riesterprodukten ist  damit gerade bei langen Anlagezeiträumen eine höhere Performance möglich.

Die Fragen stellten Markus Deselaers und Karen Schmidt 

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