Volkswirt Klaus Bauknecht
Deutschland sollte sich nicht zu sehr von China abkoppeln
Klaus Bauknecht arbeitet als Volkswirt bei der IKB Deutsche Industriebank. Foto: IKB Deutsche Industriebank
Für Deutschland ist die zunehmende Abschottung von China riskant. Politiker sollten auf einen Ausgleich achten und Handel und Kapital stärker vernetzen.
China hat sich zunehmend in die globale Wirtschaft integriert. Das bezieht sich nicht nur einseitig auf Exporte, sondern auch auf Importe. In der Folge ist die chinesische Wirtschaft mehr und mehr von der Weltwirtschaft und globaler Spezialisierung abhängig geworden. Der Gedanke von einseitigen Abhängigkeiten und divergierenden Interessen ist deshalb immer weniger angebracht. Bezüglich der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und der Weltwirtschaft sollte man eher von Interdependenzen als von Abhängigkeiten sprechen.
Mehr chinesische Direktinvestitionen sind nötig
Chinas Wachstumsdynamik weist einen zunehmenden Gleichlauf mit der Weltwirtschaft auf. Nur die Korrelation zu den USA hat sich nach Jahren der US-Dominanz reduziert. Die Interdependenzen zeigen sich vor allem im Handel beziehungsweise Konjunkturverlauf. Bei den Direktinvestitionen stellt sich die Beziehung zwischen China und Deutschland oder der Europäischen Union (EU) dagegen weiterhin eher einseitig dar. Das wird sogar von der deutschen und europäischen Politik beabsichtigt und ist in der neuen Strategie zur wirtschaftlichen Sicherheit dokumentiert. So sind Vermögensbestände deutscher Unternehmen in China um einiges größer als umgekehrt – vor allem relativ zur wirtschaftlichen Größe.
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China hat sich zunehmend in die globale Wirtschaft integriert. Das bezieht sich nicht nur einseitig auf Exporte, sondern auch auf Importe. In der Folge ist die chinesische Wirtschaft mehr und mehr von der Weltwirtschaft und globaler Spezialisierung abhängig geworden. Der Gedanke von einseitigen Abhängigkeiten und divergierenden Interessen ist deshalb immer weniger angebracht. Bezüglich der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und der Weltwirtschaft sollte man eher von Interdependenzen als von Abhängigkeiten sprechen.
Mehr chinesische Direktinvestitionen sind nötig
Chinas Wachstumsdynamik weist einen zunehmenden Gleichlauf mit der Weltwirtschaft auf. Nur die Korrelation zu den USA hat sich nach Jahren der US-Dominanz reduziert. Die Interdependenzen zeigen sich vor allem im Handel beziehungsweise Konjunkturverlauf. Bei den Direktinvestitionen stellt sich die Beziehung zwischen China und Deutschland oder der Europäischen Union (EU) dagegen weiterhin eher einseitig dar. Das wird sogar von der deutschen und europäischen Politik beabsichtigt und ist in der neuen Strategie zur wirtschaftlichen Sicherheit dokumentiert. So sind Vermögensbestände deutscher Unternehmen in China um einiges größer als umgekehrt – vor allem relativ zur wirtschaftlichen Größe.
Das erschwert natürlich das Austarieren von Interessen. Denn China verfügt über viel zu wenig Direktinvestitionsbestände in Deutschland, um den Wünschen der deutschen Seite etwas Gewicht zu verleihen. Die Lösung liegt nicht in der Abschottung, wie von der EU nun formal angestrebt, sondern in dem Aufbau chinesischen Vermögens unter europäischer Rechtstaatlichkeit.
China stützt die deutsche Konjunktur
Grundsätzlich erhöhen Handels- und Kapitalvernetzungen das Wirtschaftswachstum, während Abschottung den Wohlstand reduziert. Deshalb braucht Abschottung immer staatliche Einmischung beziehungsweise einen Grund, wie er aktuell in den divergierenden Interessen Chinas zu Deutschland oder dem Westen allgemein gesehen wird. Doch aktuell ist es nicht die Vernetzung, sondern eher der fehlende Wachstumsimpuls aus China, der der deutschen Wirtschaft Sorgen bereiten sollte.
Der chinesische Konjunkturausblick trübt sich ein und führt zu Revisionen auch im deutschen Konjunkturausblick – vor allem bei der Industrie. Auch wenn das Ziel einer zunehmenden Unabhängigkeit von China nun formal durch die EU festgehalten wurde. Angesichts der Größe und des Wachstumsbeitrags Chinas für die Weltwirtschaft ist diese Haltung der EU nur schwer nachvollziehbar.
Aktuell wäre eine stärkere Abhängigkeit von spürbaren Wachstumsimpulsen aus China sogar wünschenswert, um den deutschen Konjunkturausblick zu stützen. Denn mit der geldpolitischen Straffung in den USA und der Eurozone bleiben die restlichen Wachstumstreiber für die deutsche und die globale Wirtschaft eher überschaubar – zumindest für in diesem und im nächsten Jahr.
Bereits seit Jahren werden Zweifel an der Nachhaltigkeit der Wachstumsdynamik in China geäußert. Die privaten Schuldenquoten sind zu hoch, und der Immobilienmarkt sowie das Konsumverhalten bergen strukturelle Risiken. Aktuell enttäuscht zudem der private Konsum. Denn auch die chinesischen Konsumenten müssen angesichts der demografischen Entwicklung ihre Sparquote anheben.
Zwar war das in den 1980er und 1990er Jahren durchaus gewollt, um einen Handelsbilanzüberschuss sicherzustellen. Inzwischen ist allerdings der private Konsum eine wichtige Wachstumssäule – vor allem auch für deutsche Unternehmen. Und neben den demografischen Herausforderungen besteht ebenfalls die Gefahr von sich aufbauender sozialer Unzufriedenheit. Gegen einen kurzfristigen Konjunktureinbruch in China spricht allerdings weiterhin der Handlungsspielraum der chinesischen Regierung und der Notenbank.
Doch was sind die grundsätzlichen Implikationen eines niedrigeren chinesischen Wirtschaftswachstums für die Weltwirtschaft und Deutschland? Mittel- bis langfristig ist das nur schwer abschätzbar, da strukturelle Veränderungen Beziehungen und Dynamiken von Volkswirtschaften ändern. Für einen Konjunkturausblick ist das jedoch weniger der Fall. Empirische Ergebnisse deuten darauf hin, dass die chinesische und globale Wirtschaft eine enge dynamische Vernetzung aufweisen, während die US-Wirtschaft zwar die Weltwirtschaft beeinflusst, es aber weniger Rückkoppelungen gibt.
Das US-Wirtschaftswachstum ist also weniger vom globalen und chinesischen Wachstum abhängig, sondern eher getrieben von internen Faktoren wie der US-Geldpolitik. Für eine relativ geschlossene Volkswirtschaft ist das nicht überraschend. Auf dieser Grundlage kann ein VAR-Model mit dem BIP-Wachstum der chinesischen und globalen Wirtschaft definiert werden – mit der US-Wirtschaft als exogenem Einflussfaktor.
Und was ist mit Deutschland? Deutschland weist eine hohe Exportquote auf. Aber Investitionen, Konsum und damit die Binnennachfrage sollten auch eine Rolle für die Wachstumsdynamik spielen. Abbildung 2 zeigt jedoch, dass durch die hohe globale Vernetzung der deutschen Wirtschaft das Wachstum der Weltwirtschaft einen außerordentlich hohen Erklärungsbeitrag liefert für das deutsche BIP.
Allerdings ist die Elastizität in den letzten Jahren leicht gesunken. Der Einfluss des globalen Wachstums auf die deutsche BIP-Dynamik hat also nachgelassen. Aktuelle Schätzungen deuten darauf hin, dass das deutsche Wachstum mit 0,9 Prozentpunkten belastet wird, wenn das globale Wachstum um einen Prozentpunkt zurückgeht. Eine Reduktion des chinesischen Wachstums um einen Prozentpunkt würde hingegen das Welt-BIP mit mindestens 0,3 Prozentpunkten belasten. Fällt das chinesische BIP-Wachstum also um einen Prozentpunkt niedriger aus, würde dies rund 0,3 Prozentpunkte weniger für das deutsche Wachstum bedeuten.
Ein Einbruch des chinesischen Wachstums um 2 bis 3 Prozentpunkte würde also die deutsche Konjunktur empfindlich treffen. Schließlich lag das durchschnittliche deutsche Wachstum in den letzten 20 Jahren gerade mal bei 1,1 Prozent pro Jahr und somit ein Vielfaches unter dem der Weltwirtschaft (3,4 Prozent). Angesichts der fehlenden alternativen Wachstumstreiber sind deshalb chinesische Konjunkturpakete von besonderer Bedeutung.
So ist im aktuellen Umfeld die Abhängigkeit von China in Kombination mit einer handlungsfähigen chinesischen Fiskal- und Geldpolitik durchaus positiv zu sehen – zumindest, was den kurzfristigen Konjunkturausblick betrifft. Bereits in der Finanzkrise hatte sich China als wichtige Stütze erwiesen: Damals gab es aber auch noch Rückenwind von der europäischen Fiskal- und Geldpolitik, was aktuell eher weniger der Fall ist. Bewahrheiten sich hingegen die chinesischen Wachstumssorgen, dann wird neben realem Einkommensverlust und steigenden Zinsen auch die globale Konjunktureintrübung der deutschen Wirtschaft spürbaren Gegenwind bescheren.
China steht in der Kritik, eigene Interessen zu verfolgen, und dass diese zudem nicht im Einklang mit denen der EU oder Deutschland stünden. In einer vernetzten Welt von Gütern und Kapital ist es jedoch äußerst schwierig, von unabhängigen Interessen zu sprechen. Auch dürfte das eher für die USA als China gelten. Schließlich ist das US-Wachstum deutlich unabhängiger von der Weltwirtschaft als das chinesische. Und die US-Regierung setzt alles daran, dies durch politische Maßnahmen wie den „Inflation Reduction Act“ zu fördern.
Abschottung führt nicht zum Ziel
Die EU hat am 20. Juni ihre Strategie für wirtschaftliche Sicherheit veröffentlicht. Überwachung der Direktinvestitionen in die EU, Schutz strategisch wichtiger Technologien und eine grundsätzlich stärkere Staatslenkung sind Elemente der neuen Strategie. Auch wird betont, dass Abhängigkeiten als Druckmittel benutzt werden könnten und diese deshalb reduziert werden müssen. Dies ist allerdings nur dann richtig, wenn es einseitige Abhängigkeiten und Interessenkonflikte gibt. Deshalb lieg die Lösung gerade nicht in der Abschottung, sondern vielmehr in der Förderung einer ausgeglichenen Abhängigkeit mit Hilfe zunehmender wirtschaftlicher Vernetzung.
Auch eine „Über-Abhängigkeit“ – vor allem beim Güterhandel – wird von der EU hervorgehoben. Global vernetzte Wertschöpfungsketten erschweren jedoch die Beurteilung einer Überabhängigkeit gegenüber einem einzelnen Land. Auch hat die Corona-Pandemie gezeigt, dass selbst globale Disruptionen sich nicht lange halten können. Denn die Lieferkettenproblematik hat sich inzwischen deutlich entspannt.
Das ist nicht überraschend, denn: Wo immer Märkte sich anpassen können, kann sich eine gewinnbringende Gelegenheit nicht lange halten. Deshalb brauchen robuste Lieferketten mehr anstatt weniger Integration und Globalisierung. Aus Makro-Sicht sind es vor allem robuste und belastbare Handelsabkommen sowie ein hoher Gleichlauf von nationalen Interessen und damit wirtschaftlicher Vernetzung, die robuste Wertschöpfungsketten schaffen.
Deutschland importiert aus keinem Land außerhalb der EU so viel wie aus China. 17 Prozent aller deutschen Importe kommen aus China. Und hierbei handelt es sich schon lange nicht mehr um billige Verbrauchsgüter, sondern es sind viele wichtige Vorprodukte für den deutschen Wertschöpfungsprozess. Hingegen werden nur 7 Prozent aller deutscher Exporte nach China geliefert. Allerdings sind hier auch indirekte Exporte nach China zu berücksichtigen. So lässt die Vernetzung der chinesischen Wirtschaft mit der Weltwirtschaft einen höheren Anteil deutscher Exporte vermuten, die von der chinesischen Konjunktur beeinflusst werden.
Seit der Trump-Präsidentschaft, verstärkt durch Lieferengpässe in Folge der Corona-Pandemie, aber auch durch den Ukraine-Krieg, scheint der eingeschlagene Weg der einer selektiven Unabhängigkeit zu sein. Eine stabile Welt schaffen wir damit aber nicht. Ebenso wenig werden wir die Klimaziele erreichen, die für ihren Erfolg ein Bekenntnis zu globalen Abhängigkeiten braucht. Jegliche Diktatur geht zudem eher mit wirtschaftlicher und politischer Isolierung als Integration einher, da nur so das Monopol der politischen Macht aufrecht zu erhalten ist.
Der nun angestrebte Weg der zunehmenden Unabhängigkeit wird Wohlstand belasten, Bevölkerungen isolieren beziehungsweise zu stärkerer Polarisierung und dadurch eher zu mehr Konfrontation als Kompromissbereitschaft und Wohlstand führen. Doch dies ist alles nichts Neues. Anfang der 1980er Jahre hatten die USA eine ähnliche Haltung gegenüber Japan eingenommen wie nun gegenüber China. Und auch damals wurde Japan beschuldigt, Eigentumsrechte und Patente zu stehlen. Und damals wie auch heute liegt die Lösung in der Integration und nicht in der Abschottung.
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