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Absolute Mehrheit Was Finanzprofis nach dem Wahlsieg der Tories erwarten

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„Aktieninvestoren kehren zurück“

Sonja Laud

Die Stimmung von Anlegern und Unternehmen werde sich nach dem deutlichen Wahlausgang aufhellen, glaubt Sonja Laud. Die Investmentchefin der Fondsgesellschaft LGIM glaubt indes nicht an eine kurzfristige Änderung bei den britischen Leitzinsen: „Denn zum einen bewegt sich die Inflation unterhalb des Zielwertes, zum anderen halten sich die Sorgen um das weitere Wirtschaftswachstum nicht nur in Großbritannien, sondern weltweit.“

Bezüglich UK-Staatsanleihen glaubt Laud an keine Brexit-induzierten Änderungen. Dagegen geht die Expertin von einem steigenden Pfund Sterling aus – und von leicht zurückgehenden Credit Spreads bei Unternehmensanleihen mit guter Bonität und damit reduzierten Anleiherenditen. Auch der Aktienmarkt dürften sich UK-Werte kurzfristig besser als der Gesamtmarkt entwickeln. Insgesamt erwarte man bei LGIM, „dass sich internationale Investoren wieder britischen Aktien zuwenden, da das politische Risiko geringer geworden ist“, so Laud.

„Brexit dürfte härter ausfallen“

Shamik Dhar

„Ein Brexit Ende Januar ist jetzt wahrscheinlicher geworden, und es dürfte auf eines der härteren Szenarien hinauslaufen, etwa auf ein Freihandelsabkommen“, schätzt Shamik Dhar, Chefökonom von BNY Mellon Investment Management. „Für die zukünftigen Beziehungen Großbritanniens zur EU halte ich eine Regelung nach dem Modell des Abkommens zwischen der EU und Kanada für wahrscheinlich und könnte mir gut vorstellen, dass das Land die Zollunion verlässt. Das würde den Handel mit Großbritannien für eine Reihe von Ländern wie die USA, Australien und Japan sehr attraktiv machen.“ Dhars Fazit: „Kurzfristig muss der Brexit der Wirtschaft in gewissem Umfang schaden, langfristig nicht unbedingt.“

„Lochere Steuerpolitik, aber keine Zinssenkung“

Mark Dowding

Die deutliche Mehrheit der Konservativen gebe Premier Boris Johnson größere Verhandlungsfreiheiten mit der EU, schätzt Mark Dowding, Investmentchef bei der britischen Fondsgesellschaft Bluebay.

„Was die wirtschaftlichen Auswirkungen anbelangt, rechnen wir mit einer anhaltenden fiskalischen Lockerung und halten es für unwahrscheinlich, dass die Bank of England nun die Zinsen senken wird. Zudem erwarten wir, dass die Gilts (britische Staatsanleihen, die Red.) weiterhin hinter anderen globalen Rentenmärkten zurückbleiben werden.“

„Ähnlich wie nach Wahlsieg von Donald Trump“

M&G-Fondsmanager Tristan Hanson sagt anlässlich des britischen Wahlausgangs: „Die große konservative Mehrheit ist in erster Linie ein unternehmensfreundliches Ergebnis – verglichen mit einer Labour-Regierung unter Jeremy Corbyn. Im Ergebnis können britische Unternehmen wieder optimistischer in die Zukunft schauen, ähnlich wie es in den USA nach dem Wahlsieg von Donald Trump der Fall war.“

Und weiter: „In Kombination mit einer lockeren Finanzpolitik könnte die britische Wirtschaft damit mehr Wachstum verzeichnen als in den letzten Jahren. Das Wahlergebnis dürfte daher das Pfund und britische Aktien stärken, britische Staatsanleihen aber vergleichsweise unattraktiv und anfällig für die Angst vor Zinssteigerungen machen.“

„Freihandelsabkommen bis Ende 2020 wäre ein Wunder“

Thomas Gitzel

„Mit der absoluten Mehrheit für die konservative Partei kann Boris Johnson das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen im Januar durch das britische Unterhaus bringen“, glaubt Thomas Gitzel. Die Zustimmung des britischen Parlaments hält der Chefökonom der VP Bank für eine Formangelegenheit. Die wahren Probleme folgten später. „Nach dem Brexit, ist vor dem Brexit. Als Nächstes steht die Aushandlung eines umfassenden Freihandelsabkommens auf dem Programm. Man mag es sich kaum vorstellen, doch die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen werden vermutlich noch komplexer als die bisherigen zum EU-Austritt.“

Insgesamt glaubt Gitzel nicht an eine schnelle Einigung Großbritanniens mit der EU. „Es würde also an ein Wunder grenzen, stünde bis 31. Dezember 2020 ein Freihandelsabkommen. An einer großzügigen Verlängerung führt wohl kein Weg vorbei. Doch damit fangen die Probleme bereits wieder an. In der Übergangsphase behält Großbritannien den Zugang zum EU-Binnenmarkt und bleibt Teil der Zollunion. Dafür muss sich das Land weiter an alle EU-Regeln halten und auch wie bisher finanzielle Beiträge nach Brüssel überweisen.“ Trotz klarer Mehrheitsverhältnisse werde es in Großbritannien mithin turbulent  bleiben. „Aufgrund der Unsicherheiten bezüglich der nächsten Verhandlungsphase über ein Freihandelsabkommen bleiben vorerst weitere Kursgewinne des Pfunds gedeckelt“, glaubt Gitzel daher.

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