T.-Rowe-Price-Experte über das schwierige Anlagejahr 2022 „Abwarten und nichts tun ist keine Option“
DAS INVESTMENT: 2022 war ein schwieriges, turbulentes Jahr, was wohl keiner so voraussehen konnte. Wie verlief das Jahr bisher für die Asset-Management-Branche?
Es ist wohl das erste Jahr nach über zehn Jahren, in dem die Asset Management-Branche mit einer gewissen Ernüchterung umgehen muss. Das liegt zum einen an den niedrigeren Bewertungen sowohl auf der Aktien- als auch Anleihenseite. Zum anderen aber auch an den hohen Netto-Mittel-Abflüssen, der fast alle Anbieter betraf. Viele professionelle Anleger haben ihr Risiko reduziert, sind teilweise in Cash gegangen, näher an die Benchmark gerückt oder haben sich einfach defensiver aufgestellt. Mit Blick nach vorne muss die Asset-Management-Branche wohl etwas kleinere Brötchen backen. Denn sie muss nun mit geringeren Kapitalmarkterträgen bei weiter anhaltendem Margendruck klarkommen.
Gab es auch Lichtblicke – was waren bisher die Gewinnerthemen?
Sicherlich ein Lichtblick für die Anleger ist das nun deutlich attraktivere Zinsniveau. Hier eröffnen sich im Zuge der signifikant höheren Credit Spreads zunehmend interessantere Möglichkeiten. Zum Beispiel im Bereich High Yield in den USA und in Europa. Wenngleich viele Investoren angesichts der relativ hohen Unsicherheit doch weiter zurückhaltend sind.
Und die Verlierer-Seite?
Da stehen sicherlich die Emerging Markets – auf der Aktien-, Anleihen- wie auch der Währungsseite. Auch vor dem Hintergrund des starken Dollars. Hier hat sich das Risk-off noch mehr bemerkbar gemacht als bei den entwickelten Märkten. Viele ausländische Investoren haben in beträchtlichem Umfang Geld abgezogen. Wir beobachten jetzt, dass der Markt zu differenzieren beginnt, das heißt, es wird zunehmend die Spreu vom Weizen getrennt. Damit eröffnen sich perspektivisch wieder Chancen für aktives Management, umfassende Fundamentalanalysen können ihren Nutzen ausspielen.
Blickt man auf den Einfluss der Zentralbankpolitik und die globalen Krisen, was erwarten Sie im letzten Quartal an den Märkten?
Wir rechnen erstmal mit weiterhin erhöhter Unsicherheit und Volatilität. Denn die Zentralbanken werden im Zuge der hohen Inflationsniveaus und auch, um glaubwürdig zu bleiben, an ihrem Kurs festhalten. Die Fed wird Streuverluste in Kauf nehmen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Bisher haben wir allerdings noch keine Rezession bei den Gewinnen gesehen. Auf der anderen Seite sind Credit Spreads auf historisch attraktiven Niveaus und können für Anleger mit langem Atem sehr wohl interessant sein – auch weil die Märkte offenbar die dunkleren Szenarien zu einem gewissen Maß schon eingepreist haben.
