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Bestandskauf oder Betriebsübergang - worauf Käufer achten sollten

Überträgt ein Versicherungsmakler seinen gesamten Kundenbestand oder einen Teil seines Bestands durch einen Asset Deal, muss der Käufer für Fehler des Vormaklers nicht vollständig haften. Denn der Käufer setzt die Verträge mit den einzelnen Kunden lediglich fort. Dazu sollte eine gute Vertragsdokumentation des veräußernden Versicherungsmaklers vorliegen, auch hinsichtlich älterer Kundenverträge. Damit der Bestand zukünftig bearbeitet werden kann, müssen die Rechte des abgebenden Versicherungsmaklers auf den Käufer übertragen werden. Das betrifft sowohl die Verträge über den zu veräußernden Bestand als auch die Einzelverträge mit den Kunden und die Vollmachten des Maklers (Paragrafen 398, 413 BGB).
Der Verkauf eines Kundenbestands durch einen Asset Deal sollte rechtlich eng begleitet werden. Denn leicht kann der Eindruck entstehen, der Käufer übernehme im Rahmen eines „Betriebsübergangs“ die gesamten Rechtspositionen des Vormaklers (Gesamtrechtsnachfolge). Oder er erkläre ungewollt „konkludent“ einen Schuldbeitritt und übernehme damit eine gesamtschuldnerische Haftung im Sinne des Paragraf 421 BGB für den Verkäufer.
Was ist ein Betriebsübergang?
Ein Betriebsübergang liegt dann vor, wenn ein Betrieb als wirtschaftliche Einheit unter Wahrung seiner Identität auf einen neuen Inhaber übergeht und dieser neue Inhaber den Betrieb auch tatsächlich fortführt. Es muss also die natürliche oder juristische Person wechseln, die den Betrieb in eigenem Namen führt und nach außen als Inhaber auftritt.
Tritt zum Beispiel eine natürliche oder juristische Person in das Geschäft eines Einzelkaufmanns oder einer Personengesellschaft ein und wird dort Gesellschafter, so haftet diese Person auch für alle Verbindlichkeiten, die sich vor ihrem Eintritt im Geschäftsbetrieb ergeben haben (Paragrafen 28 Absatz 1, 130 Abs. 1, Paragraf 173 HGB).
Betriebsübergang durch Bestandsverkauf?
Ein Betrieb kann nicht nur durch einen Inhaberwechsel übergehen. Ein Übergang lässt sich auch vertraglich vereinbaren – etwa durch einen Bestandskaufvertrag per Asset Deal oder einen anderen rechtsgeschäftlichen Rahmen. Und auch Rechtsgeschäfte wie Schenkung, Pacht, Miete oder Nießbrauch können zur Folge haben, dass ein Betrieb übergeht.
Wenn in einem Rechtsgeschäft etwa sämtliche Aktiva und Passiva eines Unternehmens übertragen werden, liegt ein Betriebsübergang vor. Mit der Übertragung sämtlicher materiellen und immateriellen Betriebsmittel auf den Käufer wird dieser zum neuen Betriebsinhaber.
Bei einem produzierenden Betrieb liegt ein Betriebsübergang bereits dann vor, wenn die Produktionsstätten verkauft werden. Bei Dienstleistungsbetrieben, wie einem Versicherungsmaklerunternehmen, muss differenziert betrachtet werden: Das Unternehmen hat keinen Maschinenpark oder Produktionshallen. Der Maklerbetrieb stützt sich auf Fachwissen der Geschäftsleitung und der Mitarbeiter, auf Kundenbeziehungen und auf feststehende Arbeitsabläufe.
In ständiger Rechtsprechung nehmen die Gerichte einen Betriebsübergang dann an, wenn eine wirtschaftliche Einheit übertragen wird (EuGH, Urteil vom 11. März 1997, Az.13/95; BAG, Urteil v. 27. Februar 2020, Az. 8 AZR 215/19). Ein Betriebsübergang wird demnach bereits dann angenommen, wenn nicht der gesamte Betrieb, sondern nur ein Betriebsteil, der eine wirtschaftliche Einheit bildet, einem neuen Inhaber übertragen wird.
Um den Anschein eines Betriebsübergangs zu vermeiden, sollten neben den Kundenbeständen vertraglich möglichst keine weiteren Assets übertragen werden, die mit diesen eine „wirtschaftliche Einheit“ bilden.
Das Risiko, dass ein Verkauf zum Betriebsübergang wird und Haftungsfolgen entstehen, steigt,
- wenn der Käufer Betriebsmittel wie Räumlichkeiten, Mobiliar, Arbeitsmittel, EDV et cetera übernimmt,
- wenn Urheber- oder Markenrechte mit übertragen werden,
- wenn die Tätigkeiten nach der Übertragung ähnlich verrichtet werden, wie etwa durch Weiternutzung des Maklerverwaltungsprogramms oder
- wenn der Käufer Personal zur Betreuung der Kundenbestände übernimmt.
Umstände, die gegen die Annahme eines Betriebsübergangs sprechen, sollten vertraglich ausdrücklich hervorgehoben werden. So könnte es gegen einen Betriebsübergang sprechen,
- wenn der Verkäufer sich weiter wirtschaftlich im Unternehmen betätigt oder
- wenn der Käufer keine Arbeitnehmer übernimmt, die sich weiter um den Kundenbestand kümmern.
Auch wenn der Käufer den Kundenbestand unter ähnlicher Firmierung weiterbetreut (ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit), kann das als Betriebsübergang gelten. Schließlich wissen weder der Kunde noch sonstige Vertragspartner, dass nur die Kundenbestände übertragen wurden. Entscheidend ist, ob trotz leicht veränderten Namens nach der Verkehrsanschauung noch von derselben Firma ausgegangen wird – und ob nach Treu und Glauben eine Kontinuität auch bei der Haftung erwartet werden darf. Zusätzlich kann die Werbung des Unternehmens (Anzeigen, Werbeschriften oder Schilder in der Außenwerbung) Indizien ergeben, ob der Betrieb als Ganzes fortgeführt wird oder nicht.
Der Käufer sollte zudem vermeiden, einen sogenannten Rechtsschein zu setzten: Er sollte nach dem Bestandskauf durch sein Verhalten nicht den Anschein erwecken, dass er den Betrieb fortführe. Behauptet beispielsweise der wenig bekannte und erfolglose Käufer wahrheitswidrig, das florierende Maklerunternehmen des Verkäufers übernommen zu haben, und will mit dessen Namen werben und Makleraufträge für sich gewinnen, dann läuft er große Gefahr, auch für Altverbindlichkeiten des Verkäufers zu haften.
Lässt sich ein Betriebsübergang rückgängig machen?
Weder eine Unwirksamkeit des Bestandskaufs noch ein vereinbartes Rücktrittsrecht lassen einen Betriebsübergang entfallen (BAG, Urteil v. 31. Januar 2008, Az. 8 AZR 2/07). Tatsächliche Umstände wie eine Übertragung des Kundenbestands können nicht dadurch aus der Welt geschafft werden, dass sie rückübertragen werden. Rechtliche Mängel einer Schuldübernahme sind nach Paragraf 417 Abs. 2 BGB unerheblich.
Daher bleibt es gegebenenfalls auch dann bei einem Betriebsübergang (und einer Haftung für den Käufer),
- wenn Kundenbestände nach Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsrechtes rückübertragen werden oder
- wenn der Bestandskaufvertrag mangels Bestimmbarkeit des Kaufpreises, wegen Scheingeschäfts, Sittenwidrigkeit, Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz oder aus anderen Gründen nach den Paragrafen 117, 138, 134 BGB wirksam angefochten wird.
Betriebsübergang angenommen: Hier haftet der Käufer
Bei jedem Betriebsübergang gehen alle Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen des Betriebs automatisch auf den Käufer über (Paragraf 613a BGB). Übernimmt der Käufer beispielsweise den Kundenbestand eines Maklerunternehmens mit drei Angestellten und noch ausstehenden Lohnforderungen, so haftet der Käufer für diese Lohnforderungen (Paragraf 613a BGB in Verbindung mit den Arbeitsverträgen).
Der Bestandskaufvertrag sollte daher ausdrücklich enthalten, dass keine Arbeitsverhältnisse bestehen, die übergehen könnten. Es ist auch ratsam, vorsorglich festzulegen, dass etwaige Verpflichtungen zur betrieblichen Altersversorgung beim Verkäufer verbleiben. Andernfalls sollte sich der Verkäufer im Vertrag verpflichten, dem Käufer alle eventuellen Schäden zu ersetzen und ihn auf „erstes schriftliches Anfordern“ von Ansprüchen Dritter freizuhalten.
Der Käufer haftet bei einem Betriebsübergang (gemäß Paragraf 75 AO) immer auch für Steuerschulden des Betriebs, die im letzten Jahr vor der Veräußerung entstanden sind (insbesondere Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Gewerbesteuer). Zwar haftet er dafür nur mit dem Betriebsvermögen, nicht dem Privatvermögen. Dennoch sollte der Verkäufer den Käufer im Bestandskaufvertrag vorsorglich von jeglicher Haftung, insbesondere der Haftung gemäß Paragraf 75 AO, ausdrücklich freistellen.
Haften der Verkäufer und der Käufer aufgrund eines anzunehmenden Betriebsübergangs gesamtschuldnerisch, so können die Kunden und Vertragspartner ihre Ansprüche wahlweise entweder gegen Verkäufer oder den Käufer in vollem Umfang geltend machen. Wen von beiden sie dabei auswählen, können sie sich aussuchen.
Während die Haftung des Verkäufers gemäß Paragraf 160 Abs. 1 HGB auf fünf Jahre begrenzt ist (Nachhaftung), haftet der Käufer dann weiterhin – nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften – für Schäden aus verletzten Vertragspflichten drei Jahre ab Kenntnis der Umstände, jedoch maximal zehn Jahre.
Für den Käufer besteht also nach Ablauf der Nachhaftung des Vormaklers das Risiko, als allein verbliebener Schuldner dazustehen. Diesen Schaden kann der Käufer dann auch nicht von seiner Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ersetzt bekommen. Denn vermutlich umfasst diese keine Pflichtverletzungen des Vormaklers. Dann kann der Käufer nur den Gerichtsweg beschreiten und auf anschließenden Regress setzen – bei dem hoffentlich solventen Vormakler und seiner Vermögensschadenhaftpflichtversicherung.
Vorsorglich sollte sich der Verkäufer vertraglich verpflichten, persönlich für Ansprüche zu haften, die sich aus einer falschen oder unterlassenen Beratung oder einer Pflichtverletzung vor der Bestandsübertragung ergeben. Eine eventuelle Mithaftung des Käufers sollte der Kaufvertrag ausdrücklich ausschließen.
Es kann sinnvoll sein, dass der Käufer auch bei einem Bestandskauf seinen VSH-Vertrag um eine Subsidiär-Deckung oder eine Rückwärtsversicherung hinsichtlich des erworbenen Kundenbestands erweitert. Der Vorteil einer solchen Versicherungslösung wären die feststehenden Kosten. Diese ließen sich dann bereits bei Vertragsschluss bei der Ermittlung des Kaufpreises berücksichtigen.
Bestandskauf und Betriebsübergang – Tipps für die Praxis
Bei einem Bestandskauf geht die Haftung nicht automatisch auf den Erwerber über. Es empfiehlt sich aber, vertraglich klar festzuhalten, dass die Haftung beim Veräußerer verbleibt und gegebenenfalls auch dessen Berufshaftpflichtversicherung eintreten muss.
Erwirbt der Käufer aber eine „wirtschaftliche Einheit“ mit weiteren Betriebsmitteln oder Arbeitskräften, so kann dies als Betriebsübergang bewertet werden. Dies hat zur Folge, dass er im Zweifel auch für die Beratungshaftung und sonstige Altverbindlichkeiten aus übernommenen Verträgen einstehen muss. Der Bestandskaufvertrag sollte also so gestaltet sein, dass aus ihm kein Betriebsübergang anzunehmen ist. Natürlich zählt daneben auch das Verhalten des Erwerbers.
Wenn kein Betriebsübergang vorliegt, muss der Käufer auch nicht für Altverbindlichkeiten haften.
Über den Autor:
Rechtsanwalt Robert Boels ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Er arbeitet für die auf den Finanzvertrieb spezialisierte Hamburger Kanzlei Michaelis.