DAS INVESTMENT: Frau Patyna, bei Active Sourcing geht es um die aktive Suche, Ansprache und Bindung von besonders qualifiziertem Personal an das eigene Unternehmen. Wie haben Sie diesen Ansatz in die Personalstrategie von Kontora integriert?
Marlena Patyna: Bei Kontora ist Active Sourcing ein wesentlicher Teil unserer Recruiting-Strategie. Diese umfasst aktuell drei Recruitingmethoden:
- Stellenausschreibung über unsere Karriereseite und über Linkedin,
- internes Empfehlungsmanagement und
- Active Sourcing.
Mit Personalberatungen arbeiten wir seit drei Jahren nur in Ausnahmefällen zusammen. Das bedeutet, dass Kandidatinnen und Kandidaten sich entweder selbst bei uns bewerben, ein Kontakt von unseren Mitarbeitenden sind oder wir sie angesprochen haben.
Bei Active Sourcing werden gezielt Personen angesprochen, die exakt auf die Jobbeschreibung passen, aber in der Regel zurzeit nicht auf Jobsuche sind. Welche Kanäle und Plattformen nutzen Sie bevorzugt, um potenzielle Kandidaten für Kontora zu identifizieren?
Patyna: Für das Active Sourcing setzen wir Linkedin ein, weil hier unsere Mitarbeitenden-Zielgruppen unterwegs sind. Wir haben eine Recruiting-Lizenz für Linkedin, die es uns ermöglicht, nach potenziell passenden Personen zu suchen und diese zu kontaktieren. Da wir Linkedin Marketing-seitig als Netzwerk nutzen und regelmäßig über unseren Unternehmensaccount und Mitarbeitenden-Accounts posten, können Personen, die wir im Rahmen des Active Sourcings ansprechen, direkt einen Eindruck von unserem Unternehmen erhalten.
Wie identifizieren Sie bei potenziellen Kandidaten neben den fachlichen Qualifikationen auch die kulturelle Passung?
Patyna: Die kulturelle Passung lässt sich schwer im Rahmen des Active Sourcings herausfinden, da nur die Angaben im Lebenslauf und auf dem Linkedin-Profil zur Verfügung stehen. Dafür ist ein persönliches Kennenlernen erforderlich, weshalb für uns die Vorstellungsgespräche eine sehr wichtige Rolle spielen. In unseren Erstgesprächen liegt der Schwerpunkt immer darauf herauszufinden, ob eine Person zu unserem Unternehmen passen könnte und ob wir der richtige Arbeitgeber für die Person sein könnten.
Eine Studie der Universität Bamberg aus dem Jahr 2020 zeigt, dass etwa jede siebte Einstellung über Active Sourcing generiert wird. Wie sieht diese Quote bei Kontora aus, und in welchen Bereichen setzen Sie Active Sourcing besonders erfolgreich ein?
Patyna: Bei Kontora nutzen wir Active Sourcing in allen Bereichen und über alle Hierarchie-Ebenen hinweg – von der Assistenz im Mandantenbereich bis zu Senior Managerinnen und Managern im Investmentbereich. In den zu Beginn des Interviews angesprochenen Jahren von Mitte 2022 bis Frühjahr 2024 lag unsere Active-Sourcing-Quote sogar bei 50 Prozent. In Wachstumsphasen ist es also möglich, stark in Active-Sourcing-Aktivitäten zu investieren und diese Recruitingmethode noch stärker zu nutzen.
Wie messen Sie den Erfolg Ihrer Active Sourcing Initiativen? Welche KPIs haben Sie implementiert, und wie bewerten Sie den Return on Investment dieser Recruitingmethode?
Patyna: Bei Kontora sind wir mit dem Return on Investment des Active Sourcings sehr zufrieden. Diese Recruitingmethode ist aus unserer Sicht dann erfolgreich, wenn wir Personen durch Active Sourcing einstellen konnten. Wir haben uns keine Quote gesetzt, die wir erreichen wollen. Alle Recruitingmethoden haben für uns ihre Berechtigung; wir schauen im Auswahlprozess darauf, dass wir uns für die passendste Person unabhängig von der Recruitingmethode entscheiden.
Die Ansprache muss sitzen, um erfolgreich zu sein. Wie gestalten Sie die Erstkontaktaufnahme und welche Elemente einer solchen Ansprache haben sich als besonders wirkungsvoll erwiesen?
Patyna: Die Ansprache sollte einen kreativen Betreff haben und in der Nachricht die wichtigsten Informationen zum Unternehmen und zur Position kurz, prägnant und interessant zusammenfassen. Außerdem sollten persönliche Elemente und individuelle Anknüpfungspunkte enthalten sein, die im besten Fall schon andeuten, warum die angesprochene Person für die Position geeignet sein könnte. Relevant ist, dass sich die Ansprache in irgendeiner Art und Weise von anderen „Massen-Nachrichten“ unterscheidet, um das Interesse der Person zu wecken und zu einer Antwort zu führen.
In einer Umfrage gaben bis zu 90 Prozent der Recruiter an, bereits Erfahrungen mit „Ghosting“ gemacht zu haben. Welche Strategien haben Sie entwickelt, um mit solchen Herausforderungen umzugehen?
Patyna: In Recruiting-Prozessen ist Ghosting weder durch Unternehmen noch durch Bewerbende akzeptabel. Von beiden Seiten aus sollten diese Prozesse verantwortungsbewusst, respektvoll, fair und verbindlich gestaltet werden. Leider kommt es immer wieder vor, dass eine der Parteien diese Wertvorstellungen nicht vorlebt. Aus unserer Perspektive müssen wir Ghosting durch Bewerbende leider tolerieren. Es hat keinen Sinn, einer Person hinterherzulaufen, die hinsichtlich ihrer Wertvorstellungen nicht zu unserem Unternehmen und unserem Team passt.
Wie sehen Sie die Zukunft des Active Sourcings im Finanzsektor, insbesondere für spezialisierte Bereiche wie Family Offices?
Patyna: Active Sourcing spielt als Recruitingmethode bereits eine wichtige Rolle und dies wird auch in Zukunft so sein. Gerade in spezialisierten Bereichen können Personen durch Active Sourcing auf interessante Möglichkeiten aufmerksam gemacht werden. So können Unternehmen in Nischenbereichen hochqualifizierte Mitarbeitende gewinnen, die sich selbst nicht beworben hätten. Dies funktioniert aber nur in Kombination mit einem aussagekräftigen, überzeugenden Employer Branding, um potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten unmittelbar einen Eindruck von dem Unternehmen als Arbeitgeber zu vermitteln.
Welche Rolle spielt Active Sourcing im Hinblick auf Diversity?
Patyna: Aus unserer Sicht spielt Diversity generell eine sehr wichtige Rolle für Unternehmen und deren Erfolg. Wir sind der Meinung, dass Vielfalt uns stärker macht. Wir sind stolz darauf, in unserem Team viele verschiedene Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Hintergründen, Erfahrungen und Einstellungen zu vereinen.
Mithilfe von Active Sourcing können wir natürlich konkret Personen ansprechen, die uns im Hinblick auf Diversity bereichern könnten. Dabei geht es nicht nur um die sieben Vielfaltsdimensionen, die nicht alle aus dem Lebenslauf abgelesen werden können, sondern um unterschiedliche Lebensläufe, Erfahrungen, Sicht- und Lebensweisen, die unser Team bereichern.
Über Marlena Patyna und Kontora
Marlena Friederike Patyna ist seit 2022 bei Kontora tätig, erst als HR-Referentin, aktuell als Head of People and Culture. Sie hat einen Master in Wirtschaftspsychologie.
Kontora wurde 2006 gegründet. Das Unternehmen bietet Honorarberatung und Family-Office-Dienstleistungen an. Die Assets under Advisory liegen bei mehr als 6 Milliarden Euro. Im März übernahm das New Yorker Wealth-Management-Unternehmen AlTi Global das inhabergeführte Hamburger Unternehmen.