


Die ADAC Versicherung ist vor dem Landgericht München I mit ihrer bisherigen Praxis gescheitert. Das Gericht untersagte dem Versicherer, Kunden pauschal auf eine Beratung verzichten zu lassen, ohne dass diese den Verzicht gesondert erklären. Das Urteil betrifft die Unfallversicherung „Unfallschutz Exklusiv“, die das Unternehmen per Direktwerbung verkaufte. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hatte gegen die Praxis geklagt.
Der Fall
Konkret ging es um Werbeschreiben, mit denen die ADAC Versicherung ihre Unfallversicherung bewarb. Kunden konnten den Vertrag abschließen, indem sie ein bereits ausgefülltes Überweisungsformular nutzten und den geforderten Betrag zahlten.
Zwar wies der Versicherer in einem Kasten im Fließtext auf den Beratungsverzicht und dessen Folgen hin. Auf die gesetzlich geforderte gesonderte Erklärung zum Beratungsverzicht mit einer zusätzlichen Unterschrift oder Bestätigung durch die Kunden verzichtete das Unternehmen jedoch.
Das Urteil
Das Landgericht München I bewertete diesen lediglich grafisch hervorgehobenen Hinweis als unzureichend und untersagte der ADAC Versicherung das Vorgehen. Das Urteil vom 25. April dieses Jahres (Aktenzeichen: 3 HK O 9060/24) ist noch nicht rechtskräftig.
Die ADAC Versicherung hat fristwahrend Berufung eingelegt. Man wolle die Urteilsbegründung sorgfältig prüfen und analysieren und dann entscheiden, ob die Berufung eine Aussicht auf Erfolg hat, erklärte das Unternehmen auf Nachfrage von DAS INVESTMENT.
Beratungspflicht soll vor Fehlentscheidungen schützen
„Das Urteil unterstreicht, wie wichtig es ist, dass Verbraucher den Beratungsverzicht gesondert erklären und sich darüber bewusst sind, dass sie dies tun“, kommentiert Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Denn ein Verzicht auf die Beratung könne weitreichende Folgen haben, wie zum Beispiel:
- Negative Auswirkungen auf Schadensersatzmöglichkeiten
- Risiko unpassender Versicherungsprodukte
- Gefahr von Über- oder Unterversicherung.
Nach Angaben der Verbraucherzentrale bearbeitet sie regelmäßig Fälle, in denen Verbraucher Versicherungen „im Vorbeigehen" und ohne weitere Beratung abgeschlossen haben, die sie eigentlich nicht benötigen. Dies betrifft verschiedene Sparten – von Reiseversicherungen bei der Urlaubsbuchung bis hin zu Handyversicherungen beim Smartphone-Kauf.
Unterschiedliche Rechtsprechung zum Beratungsverzicht
Das Münchener Urteil steht in einem interessanten Kontrast zu einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 9. Januar 2025 (Aktenzeichen: 8 U 1684/24). Dort ging es um eine fondsgebundene Basisrentenversicherung – die sogenannte Rürup-Rente. Ein Kunde hatte nach einem Telefongespräch mit einem Versicherungsmitarbeiter ein Antragsformular erhalten, in dem das Kästchen „Ich verzichte auf die Beratung" bereits vorgedruckt und angekreuzt war.
Das OLG Nürnberg entschied, dass eine optische Trennung und Hervorhebung der Verzichtserklärung ausreicht – ein separates Formular ist nicht zwingend erforderlich. Entscheidend war, dass das entsprechende Feld von dem restlichen Inhalt mit einem Kasten und einer entsprechenden Überschrift optisch hervorgehoben war und der Kunde eine gesonderte Unterschrift leisten musste. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zum Fall der ADAC Versicherung, die keine Extra-Unterschrift verlangte.
Rechtsunsicherheit für die Branche
Rechtsanwalt Tobias Strübing von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte kritisiert die Nürnberger Entscheidung als zu verbraucherunfreundlich. Er sieht die Gefahr, dass gerade bei komplexen und erklärungsbedürftigen Produkten wie einer fondsgebundenen Basis-Rentenversicherung sehr häufig ein hoher Beratungsbedarf besteht.
Die unterschiedlichen Entscheidungen zeigen: Versicherer müssen bei der Gestaltung ihrer Beratungsverzichtserklärungen weiterhin sehr sorgfältig vorgehen. Während das Münchener Gericht strenge Maßstäbe anlegt, akzeptiert das Nürnberger OLG auch weniger formalisierte Lösungen – sofern eine gesonderte Unterschrift erfolgt.