
Geldpolitik steuert auch Krypto
Die Frage, ob und in welcher Form die Entwicklung des Kryptomarktes mit makroökonomischen Entwicklungen korreliert, stellt Analysten mitunter vor große Herausforderungen. Neben den Aspekten der technologischen Fortschritte und Regulierung von Krypto-Assets zählen konjunkturbedingte und geldpolitische Entwicklungen zu den wesentlichen Faktoren für die Preisentwicklung von Krypto.
Dazu gehört auch die Zinspolitik von Zentralbanken, die in den vergangenen Wochen besondere Aufmerksamkeit erregte, denn sie dient der Steuerung von Geldmenge und Wirtschaft. Zum einen senkte die National Bank of Canada am 5. Juni ihre Leitzinsen von 5 auf 4,75 Prozent – als erste aller Zentralbanken der G7-Staaten. Ihr folgte die EZB, die am 6. Juni zum ersten Mal seit 2019 die Leitzinsen senkte, und das um 0,25 Prozentpunkte auf heute 4,25 Prozent. Doch auch die am 13. Juni verkündete Entscheidung US-Notenbank Fed, ihre Leitzinsen nicht zu ändern und diese auf weiterhin hohen 5,25 bis 5,5 Prozent zu belassen, sorgte für Aufsehen.
Zusammen mit den Leitzinsen ist auch die Inflation als wichtiger, korrelierender Faktor zu betrachten, denn die Banken regulieren ihre Leitzinsen, um den Geldwert zu kontrollieren und die Geldentwertung auf stabilen 2 Prozent zu halten.
Zugleich wirkt sich die Inflation in unterschiedlichem Ausmaß auf die Wertentwicklung von Krypto-Assets aus: Während einige Beobachter auf den Stellenwert von Bitcoin als knappes Asset zur langfristigen Absicherung gegen Inflation verweisen, ist demgegenüber der Stellenwert von Kryptos als eher risikobehaftete Anlageklasse zu berücksichtigen. Ähnlich wie Tech-Aktien neigen diese dazu, in Zeiten hoher Zinssätze weniger gut zu performen – denn in diesen Zeiten können Anleger auch mit sichereren Investitionen wie Staatsanleihen Renditen erzielen.
Reaktionen am Kryptomarkt auf aktuelle Leitzinsentscheidungen
Diese Dynamik konnte man an der Entwicklung von Bitcoin der vergangenen Wochen beobachten: Nach den Leitzinssenkungen in Kanada und der EZB in Frankfurt am Main stieg der Bitcoin und erreichte am 6. Juni fast 72.000 US-Dollar – und sackte kurz darauf wieder auf unter 70.000 ab.
Ein Grund dafür war der einen Tag später, am 7. Juni, veröffentlichte Nonfarm Payrolls Report des US-Arbeitsministeriums. In diesem wurde verkündet, dass die Zahl der außerhalb der Landwirtschaft beschäftigten Personen in den USA im Mai um 272.000 und damit deutlich über dem Durchschnitt gestiegen und auch die Löhne im vergangenen Monat Zuwächse erfuhren.
Da sich mit höherer Beschäftigung und gesteigerten Löhnen auch Konsum, Nachfrage und Kaufkraft erhöhen, wird auch sie als Zeichen fortschreitender Inflation gewertet. Möglicherweise ist dies der Grund, warum die Fed in der Bestrebung, Preisstabilität zu erreichen, den Leitzins am 13. Juni zum siebten Mal in Folge unverändert ließ – und damit eine gewisse Unsicherheit zeigt. Die Reaktionen am Kryptomarkt dürften also weiterhin sensibel bleiben.
Längerfristig stringente Geldpolitik belastet Banken und kommt BTC zugute
Darüber hinaus belasten insbesondere nicht realisierte Verluste bei Hypothekendarlehen wegen höherer Zinsen den US-Bankensektor mittlerweile in Höhe von 517 Milliarden US-Dollar. Historisch hat sich BTC während Bankenkrisen in der Regel gut behauptet und diente in den vergangenen Jahren sogar als Absicherung gegen den Ausfall von Gegenparteien. Die disziplinierte Geldpolitik des Bitcoin-Netzwerks, seine unveränderliche Natur und Dezentralisierung, wurde im Angesicht der großen Bankenkrise 2008 zum Gegenpol zur traditionellen Finanzwelt mit ihrer Fehleranfälligkeit.
Globale Liquidität begünstigt risikobehaftete Assets
Eine mit Blick auf Bitcoin weitere interessante Wirtschaftskennzahl ist die der globalen Liquidität. Sie bezeichnet die gesamte verfügbare Geldmenge auf den globalen Finanzmärkten, die für Investitionen, Kredite und andere wirtschaftliche Aktivitäten genutzt werden kann. Wie folgende Abbildung verrät, verzeichnete diese Liquidität seit etwa 2017 einen beständigen Anstieg sowie im vergangenen Monat einen weiteren Aufwärtsknick und liegt nun auf einem neuen Rekordhoch von 94 Billionen US-Dollar.

Bitcoin und Kryptos generell gelten als Profiteur einer hohen Liquidität, da diese Geld für Investitionen – auch eher risikobehaftete wie Aktien oder Kryptos – freisetzt. Eine Senkung der globalen Leitzinsen würde das weltweit für Investitionen frei werdende Kapital durch billigere Kredite noch weiter erhöhen.
Über den Autor
Adrian Fritz verantwortet als Head of Research die Forschungsabteilung von 21.co. Das Unternehmen ist die Muttergesellschaft von 21 Shares, einem Emittent von Krypto-ETPs.