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Ändert die Fed ihren Kurs? Warum die US-Notenbank eine Zinserhöhung im Juni nicht mehr ausschließt

Lars Tranberg Rasmussen, Senior Analyst bei Danske Invest
Lars Tranberg Rasmussen, Senior Analyst bei Danske Invest
Noch vor wenigen Tagen preisten die Finanzmärkte eine Wahrscheinlichkeit von etwa drei Prozent ein, dass die Federal Reserve (Fed) im Juni die Zinsen erhöhen wird. Im Protokoll ihrer letzten Sitzung hat die Rhetorik der Zentralbank jedoch eine markante Wende vollzogen. Dabei haben der Markt und die Anleger überhaupt nicht damit gerechnet, dass die Fed im Juni eine Zinserhöhung in Erwägung ziehen könnte. Denn in letzter Zeit waren die Äußerungen der Notenbank sehr moderat – deshalb wurden die Anleger etwas auf dem falschen Fuß erwischt.

Inzwischen glauben Marktteilnehmer mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 bis 35 Prozent an eine Zinserhöhung im Juni. Das sind deutlich veränderte Erwartungen seit der Veröffentlichung des Sitzungsprotokolls am Mittwoch vergangener Woche. Die Tatsache, dass die Fed eventuell schon früher die Zinsen erhöhen wird als von Anlegern erwartet, hat die Geldmarktzinsen in der Folge in die Höhe getrieben und den US-Dollar gestärkt.

US-Wirtschaft auf Erholungskurs

Im Dezember erhöhte die US-Notenbank die Zinsen zum ersten Mal seit fast zehn Jahren. Seither war sie jedoch sehr zurückhaltend mit Andeutungen, dass die nächste Anhebung schon kurz bevorstehen könnte. Im letzten Sitzungsprotokoll verkündete die Fed nun jedoch, dass sie eine Zinserhöhung schon im Juni in Erwägung ziehen könnte. Unter folgenden drei Bedingungen: mit der US-Wirtschaft muss es erstens weiterhin aufwärts gehen, zweitens muss der Arbeitsmarkt seinen Erholungskurs fortsetzen und drittens muss die Inflation auf dem Weg in Richtung zwei Prozent sein.

Alle dieser drei Bedingungen werden aktuell erfüllt. Unser Wachstumsindikator deutet an, dass sich der Aufschwung seit Jahresbeginn beschleunigt hat. Wir gehen davon aus, dass dieser Trend anhalten wird und das Wachstum in den USA in den kommenden Quartalen auf 2 bis 2,5 Prozent steigen wird.

Darüber hinaus erwarten wir, dass sich der Arbeitsmarkt noch weiter erholen und die Erwerbslosigkeit zurückgehen wird. Dieses Szenario kann zu einem beginnenden Engpass am Arbeitsmarkt führen, der einen steigenden Lohndruck zur Folge hätte. Deshalb sollte sich die Inflation allmählich dem Wert von zwei Prozent annähern.

Unserer Meinung nach, sind die von der Fed angegebenen Bedingungen in den von uns überwachten Daten somit gegeben und wir rechnen damit, dass dies in den kommenden Monaten noch stärker der Fall sein wird. Somit können wir eine Zinserhöhung im Juni nicht ausschließen.

Brexit-Abstimmung steht vor der Tür

Trotzdem denken wir, dass Notenbank-Chefin Janet Yellen mit der Zinsanhebung aus zwei Gründen bis zur zweiten Jahreshälfte warten wird:

Erstens stimmt Großbritannien nur eine Woche nach der Zinssitzung der Fed im Juni über den Verbleib in der EU ab. Unserer Ansicht nach wird die Fed ihre Entscheidung konservativ angehen. Und das bedeutet, die mit der Abstimmung verbundene Unsicherheit wird dazu führen, dass die Fed die Zinsen erst anheben wird, wenn das Ergebnis des Brexit-Referendums feststeht.

Außerdem kann ein Brexit – also ein Szenario, bei dem Großbritannien für einen Austritt aus der EU stimmt – sowohl in Großbritannien als auch in Europa zu einem Wachstumsrückgang führen. Dieser würde auch die US-Wirtschaft belasten.

Der zweite Grund, warum Janet Yellen voraussichtlich bis zur zweiten Jahreshälfte mit einer Zinsanhebung warten wird, ist, dass sie bis dato mit ihren Äußerungen sehr zurückhaltend war. Es müsste deshalb schon ziemlich viel geschehen, um die Notenbank-Chefin von einer Zinserhöhung bereits im Juni zu überzeugen.

Das Ergebnis aus alledem ist, dass wir an unserer Prognose festhalten. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die Fed in der zweiten Jahreshälfte die Zinsen eher zweimal als einmal anheben wird. Das ist weiterhin etwas mehr, als der Markt eingepreist hat. Dieser rechnet mit etwas mehr als einer Zinserhöhung in diesem Jahr.

Die bisherige moderate Rhetorik der US-amerikanischen Zentralbank hat in den letzten Monaten riskante Vermögenswerte unterstützt – darunter die Aktienmärkte in den Schwellenländern. Im Gegensatz dazu können kommende Zinserhöhungen in den USA den Schwellenländern Gegenwind bescheren.

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