Chefvolkswirt Johannes Mayr
Aktiv gegen passiv: Weshalb Schumpeter dazu eine klare Meinung hätte
Johannes Mayr ist Chefvolkswirt der Anlagegesellschaft Eyb & Wallwitz. Foto: Eyb & Wallwitz / Canva
In der Welt der Geldanlage steht jeder Anleger vor einer fundamentalen Entscheidung: Soll das eigene Kapital aktiv oder passiv investiert werden? Die Marktentwicklung seit der Covid-Krise und die enorme Dominanz der Magnificent Seven scheinen für das passive Investieren zu sprechen – zu Recht? Dieser Frage geht Johannes Mayr in seinem Beitrag nach.
Diese Wahl, ob das eigene Kapital aktiv oder passiv angelegt werden soll, spiegelt neben praktischen Überlegungen auch stets eine philosophische Haltung gegenüber dem Finanzmarkt. Passive Anlagestile setzen auf dessen Stabilität und Effizienz. Aktive Fonds versprechen durch gezielte Investitionen und Risikomanagement ein besseres beziehungsweise individuell passenderes Risiko-Rendite-Profil. Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile.
Passives Investieren im Laufe der Zeit
Die Idee des passiven Investierens ist fast so alt wie die Börsenindizes. Der Dow Jones Industrial Average wurde 1896 zusammengestellt, und bereits 1935 wurde mit dem Voya Corporate Leaders Trust (LEXCX) ein passives Instrument (Unit Investment Trust, UIT) auf diesen Index aufgelegt.
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Diese Wahl, ob das eigene Kapital aktiv oder passiv angelegt werden soll, spiegelt neben praktischen Überlegungen auch stets eine philosophische Haltung gegenüber dem Finanzmarkt. Passive Anlagestile setzen auf dessen Stabilität und Effizienz. Aktive Fonds versprechen durch gezielte Investitionen und Risikomanagement ein besseres beziehungsweise individuell passenderes Risiko-Rendite-Profil. Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile.
Passives Investieren im Laufe der Zeit
Die Idee des passiven Investierens ist fast so alt wie die Börsenindizes. Der Dow Jones Industrial Average wurde 1896 zusammengestellt, und bereits 1935 wurde mit dem Voya Corporate Leaders Trust (LEXCX) ein passives Instrument (Unit Investment Trust, UIT) auf diesen Index aufgelegt.
Wie bei allen anderen passiven Anlagen war die Idee, den Aktienindex nachzubilden und so für Anleger mittelbar investierbar zu machen. Im Laufe der Zeit hat der Anteil der passiven Anlagen stark zugenommen, vor allem nachdem die Fonds als ETF für den Börsenhandel zugelassen wurden.
2023 haben Anleger weltweit erstmals mehr in passive Anlagen als aktiv gemanagte Anlagen investiert.
Die Argumente für passive Anlageprodukte und ETFs liegen auf der Hand. Hierzu zählen vor allem die Einfachheit und hohe Transparenz in der Anlage sowie die geringe Kostenquote und die gerade in den vergangenen Jahren gute Performance. Gleichzeitig sollte Investoren klar sein, welche grundlegenden Eigenschaften und Herausforderungen diese Art des Investierens mit sich bringt.
Ein passives Portfolio kann in den meisten Fällen als kurzfristige Momentum-Strategie interpretiert werden. Denn die Mehrzahl der Indizes gewichtet die enthaltenen Unternehmen gemäß ihrer Marktkapitalisierung, das heißt das Kapital wird stets überproportional in die größten Unternehmen investiert. Damit unterstellt die Strategie die Effizienz des Marktes und schließt eine Outperformance gegenüber diesem explizit aus. Die Indexorientierung kann dabei zu erheblicher sektoraler, regionaler oder unternehmensspezifischer Konzentration im Portfolio führen.
Signalwirkung der Renditeerwartung sinkt
Die zunehmende Dominanz von passiven Anlagen impliziert für den Finanzmarkt und damit die Wirtschaft ein erhebliches Risiko. Denn durch die Orientierung von Kapitalanlagen an der Marktkapitalisierung verliert ein zentrales Anreizsystem am Finanzmarkt und in der Marktwirtschaft seine Signalwirkung. Demnach sollten gerade Unternehmen mit einer hohen und steigenden Renditeerwartung an günstiges Kapital kommen, unabhängig von ihrer Größe. Demgegenüber sollten Unternehmen mit nachlassender Innovationskraft und geringeren Renditeerwartungen höhere Kapitalkosten zahlen.
Der selbstverstärkende Mechanismus von Kapitalzuteilung anhand der Marktkapitalisierung kann im Extremfall in einer Situation enden, in der nur ein (wenig innovatives) Unternehmen übrigbleibt. Schon auf dem Weg dahin erodiert die Innovationskraft der Wirtschaft. Das Schumpeter-Prinzip der kreativen Innovation beziehungsweise Zerstörung als Kraft im Wirtschaftsprozess wird umgangen oder sogar in sein Gegenteil verkehrt.
Aus diesen Überlegungen ergeben sich unmittelbar die Argumente für ein aktives Management von Finanzanlagen. Denn die Orientierung an den Renditeerwartungen (sofern diese nicht den Markterwartungen entsprechen) verspricht die Chance auf eine Outperformance gegenüber den Marktindizes.
Unabhängig davon ermöglicht eine aktive Strategie stets die Wahl eines individuellen Risiko-Ertrags-Profils sowie eine individuelle und längerfristige Philosophie und Strategie in der Anlage. Ein professionelles Risikomanagement kann je nach Präferenz Schutz gegen ungewollt starke Wertschwankungen des Portfolios bieten. Diese zusätzlichen Features bringen höhere Kosten der Anlage mit sich. Je nach Auswahl des Anbieters kann das operationelle Risiko höher sein, da zum Beispiel Strategie oder Selektion vom Management beziehungsweise Einzelpersonen abhängig sind.
In der Praxis – Aktienmärkte: geldgewichtete versus zeitgewichtete Rendite
Am weitesten verbreitet sind passive Anlagen am Aktienmarkt. Dort entfallen inzwischen etwa 58 Prozent der Neuinvestitionen auf ETFs. Und der Performancevergleich scheint den Anlegern auf den ersten Blick Recht zu geben. Zwar schwankt die relative Performance über die Jahre erheblich. Im Durchschnitt erreichen aber nur etwa 1/3 der aktiv gemanagten Fonds auf Sicht von einem Jahr eine höhere durchschnittliche Rendite als vergleichbare passive Anlagen und ETFs.
Das Bild überzeichnet den Erfolg passiver Strategien jedoch. Denn die Eigenverantwortung führt zu individuellen Verlusten, die in den Performance-Kennzahlen direkt nicht ablesbar sind. Dies zeigt sich, wenn man die geldgewichtete Rendite der passiven Anlagen berechnet. Denn Anleger neigen zum zyklischen Handeln – sie kaufen bei steigenden beziehungsweise bereits hohen Kursen und verkaufen bei fallenden beziehungsweise bereits niedrigen Kursen.
Werden diese Cash Flows bei der Renditeberechnung berücksichtigt, zeigt sich, dass die tatsächlich realisierte Performance eines durchschnittlichen Anlegers im ETF (money weighted) deutlich unter der ausgewiesenen Performance eines ETFs/Fonds (time weighted) liegt. Eine Studie von Morningstar zeigt hier eine Performance-Lücke von 1,7 Prozentpunkten pro Jahr. Während ein durchschnittlicher ETF-Investor über einen Zeitraum von zehn Jahren 6 Prozent pro Jahr erwirtschaftet hat, liegt die Rendite des zugrunde liegenden Index mit 7,7 Prozent pro Jahr deutlich höher.
Dieses Delta ist auf schlecht getimte Käufe und Verkäufe zurückzuführen und verzehrt damit etwa ein Fünftel der Rendite und stellt die Outperformance gegenüber dem aktiven Anlagemanagement in Frage.
Konzentrationsrisiken
Die Performance-Vergleiche von aktiven und passiven Strategien sind zudem von der Fristigkeit der Betrachtungszeiträume abhängig. Dabei profitieren passive Anlagen kurzfristig von ihrer Orientierung an der Marktgewichtung und damit dem Momentum-Charakter, gerade in positiven Marktphasen. Langfristig wird dies eher zum Problem. Denn Innovationskraft und überdurchschnittliches Wachstum findet häufig in kleinen, gering gewichteten Unternehmen statt. Dies zeigt ein einfacher Indexvergleich.
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