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in KonjunkturLesedauer: 5 Minuten

Aktien, Anleihen, Rohstoffe Fluch und Segen des Inflationsanstiegs

Broker an der Wall Street
Broker an der Wall Street: 2022 könnte einige Überraschungen parat halten. | Foto: Imago Images / Xinhua
Stefano Zoffoli
Foto: Swisscanto

Neben der noch omnipräsenten Pandemie bereiten vor allem die teilweise sehr hohen Teuerungsraten Sorge, indem sie zu einem substanziellen Kaufkraftverlust führen und die bestehende Geldpolitik der westlichen Notenbanken herausfordern. In den USA erreichte die Inflation im Dezember 2021 mit rund 7 Prozent den höchsten Wert seit Anfang der 1980er-Jahre, und auch in der Eurozone erhöhten sich die Konsumentenpreise so stark wie seit der Einführung des Euro nicht mehr. Zwar rechnen wir damit, dass sich der Preisdruck in diesem Jahr zurückbildet. Wie schnell dies geschehen wird, ist aber schwierig abzuschätzen.

Wir sind überzeugt: Lieferengpässe werden sich entspannen, und die akute Personalknappheit wird insbesondere in den USA abgebaut. Und damit kommt auch die drohende Preis-Lohn-Preis-Spirale gar nicht erst in Gang. Es gibt erste Hinweise auf eine Entspannung. So haben sich die Exporte der großen asiatischen Volkswirtschaften China, Taiwan und Südkorea, die für Halbleiter und wichtige Zwischengüter verantwortlich sind, mittlerweile klar erhöht.

Auch die im Vergleich zum November tieferen Energiepreise im Dezember verbessern die Lage an der Inflationsfront. Wir rechnen damit, dass der Höhepunkt der Inflation nun mehr oder weniger erreicht ist und sich die Teuerung ab Frühling 2022, wenn starke Basiseffekte einsetzen, deutlich zurückbilden wird. Es zeigt sich allerdings, dass die Inflation 2022 im Durchschnitt vielerorts immer noch über den Teuerungszielen der Notenbanken liegen wird. Dies ist insbesondere in den USA, im Vereinigten Königreich und in einigen Schwellenländern der Fall.


Für die Notenbanken bedeutet der Inflationsanstieg Fluch und Segen zugleich. Schließlich haben sie jahrelang alles daran gesetzt, eine höhere Inflation herbeizuführen und stets die Risiken einer Deflation betont. Inzwischen wurde ihr Wunsch erhört, allerdings mit dem Schönheitsfehler, dass die Inflation heftig zurückgekehrt ist. Die Kunst wird jetzt darin bestehen, das richtige Maß an geldpolitischer Drosselung zu finden, um die Wirtschaft nicht über Gebühr zu belasten und gleichzeitig die aufkommenden Inflationserwartungen in Schach zu halten.

Notenbanken unter Druck

Sie müssen auf den Inflationsauftrieb reagieren und ihre Geldpolitik straffen. Namentlich dürfte die US-Notenbank Fed ihre Wertpapierkäufe im März einstellen und gemäß Markterwartungen die Leitzinsen dieses Jahr mehrere Male anheben. Wir rechnen angesichts der erwarteten konjunkturellen Verlangsamung mit weniger als drei Erhöhungen. Typischerweise werden die Zinskurven mit restriktiveren Notenbanken flacher, da die kurzfristigen Renditen stärker ansteigen als die langfristigen. Wir gehen allerdings davon aus, dass belastende Faktoren 2022 wegfallen und die längerfristigen US-Renditen erneut in Richtung der Höchststände aus dem Jahr 2021 ansteigen, jedoch auch nicht deutlich darüber. Mit 2 Prozent Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen wäre das Niveau von Anfang 2020, also vor Ausbruch der Pandemie, wieder erreicht.


Die regionalen Anleihemärkte können sich von den Entwicklungen auf dem nordamerikanischen Kontinent nicht ganz entkoppeln, sodass der Aufwärtsdruck auf die Renditen global bestehen bleibt. Wir sehen aber Differenzierungsmöglichkeiten und bevorzugen Anleihenmärkte, die weniger Inflationsdruck ausgesetzt sind und somit noch länger von einer expansiven Geldpolitik profitieren. In Australien spricht das zögerliche Lohnwachstum gegen eine Zinserhöhung vor 2023. In Europa setzt die Europäische Zentralbank (EZB) die Wertpapierkäufe fort, obschon das Pandemie-Notfallprogramm (PEPP) beendet wird. Die EZB wird im Gegensatz zu anderen Notenbanken ihren Marktanteil am gesamten Staatsanleihevolumen weiter ausbauen, sodass die Anleihen der Eurostaaten, insbesondere in der Peripherie, gut unterstützt bleiben. Zinserhöhungen sind im Euroraum bislang nicht absehbar, daher bleibt auch der Handlungsspielraum von Notenbanken im Sog der EZB – wie der Schweizerischen Nationalbank – eingeschränkt.

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Corona-Virus gibt nicht auf

Omikron und andere Varianten werden uns in den kommenden Wochen und Monaten beschäftigen und die Stimmung der Aktieninvestoren dämpfen. Hinzu kommt der global restriktivere Kurs der Zentralbanken. In diesem Umfeld sehen wir auf globaler Ebene weiterhin überdurchschnittliches Potenzial für den Schweizer Aktienmarkt. Neben der hohen Gewichtung defensiver Sektoren spricht auch die Notenbankpolitik für relative Stärke. Wir gehen davon aus, dass die Nationalbank im Fahrwasser der EZB keine Leitzinserhöhungen vornehmen und, falls doch, erst nach ihr handeln wird. Dies dürfte den Schweizer Franken gegenüber den Währungen der anderen Aktienregionen leicht schwächen, was den sehr exportorientierten Unternehmen zusätzlich zugutekommen sollte.


Die Aussicht auf Schritte der Fed sorgt beim sehr zinssensitiven Growth-Stil für relative Schwäche. Interessant dabei ist allerdings, dass die unterdurchschnittliche Indexentwicklung des Stils in der Eurozone ähnlich stark ausgeprägt ist wie in den USA. Daraus lässt sich schließen, dass Investoren den US-Unternehmen weiterhin mehr Gewinnwachstum zutrauen als den europäischen. Diese Einschätzung könnte 2022 allerdings auf die Probe gestellt werden, denn wir gehen davon aus, dass der Lohnkostendruck in der Eurozone deutlich geringer sein wird als in den USA.


Auf beiden Seiten des Atlantiks zeigten sich die Unternehmen zuversichtlich, weitere Preissteigerungen am Markt durchsetzen zu können. Wenn das gelingt, müsste es den europäischen Unternehmen leichter fallen, ihre Margen zu halten. Es könnte sich also ein seit Ende der Schuldenkrise seltenes Fenster öffnen, wo das Gewinnwachstum höher als bei den US-Firmen wäre. Dies würde europäische Aktien dann insgesamt attraktiver machen, wovon nicht nur der Growth-Stil relativ zu seinem US-Pendant profitieren dürfte, sondern auch andere Anlagestile.

Die Industriemetallnachfrage wird sich vom Immobiliensektor zunehmend auf andere Bereiche verlagern. Das Wachstum dürfte vorwiegend durch die Energiewende, den Ausbau der Stromnetze und die Haushaltsgeräte angetrieben werden. Viele Industriemetalle, wie Kupfer, dürften deshalb in diesem Jahr auf globaler Ebene weiterhin in einem Defizit verharren, was für stabile Preisniveaus spricht. Sollte sich das Wachstum in China allzu stark abschwächen, rechnen wir mit stimulierenden geldpolitischen Maßnahmen. 


Über den Autor: Stefano Zoffoli leitet als Mitglied der Direktion das Team Multi Asset Solutions im Fondshaus Swisscanto. Zuvor arbeitete er für die Schweizer Privatbank Rüd Blass.

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