Volkswirt Ulrich Kater
Was weiterhin für Aktien spricht

Volkswirt Ulrich Kater
Die starken Kurszuwächse und die hohe Wertstabilität der Aktienmärkte in den vergangenen Jahren, die sich auch in diesem Jahr bestätigt, mag auf den ersten Blick verwundern. Sie sollte jedoch nicht als Anzeichen von mangelndem Realitätsbewusstsein der Märkte interpretiert werden. Im Gegenteil: Fundamental betrachtet, ist die Bewegung am Aktienmarkt nachvollziehbar und durch ein insgesamt gesundes Gewinnwachstum verbunden mit fairen Bewertungen gekennzeichnet.
Zwar ist das Wachstum der Weltwirtschaft in einzelnen Quartalen stark unter Druck geraten - in nominaler Rechnung geht die Wirtschaftsleistung jedoch stramm nach oben. Im Niedrig-Inflationsumfeld bis Mitte 2022 schlug der Unterschied zwischen nominaler und realer Betrachtung nicht so stark zu Buche.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die starken Kurszuwächse und die hohe Wertstabilität der Aktienmärkte in den vergangenen Jahren, die sich auch in diesem Jahr bestätigt, mag auf den ersten Blick verwundern. Sie sollte jedoch nicht als Anzeichen von mangelndem Realitätsbewusstsein der Märkte interpretiert werden. Im Gegenteil: Fundamental betrachtet, ist die Bewegung am Aktienmarkt nachvollziehbar und durch ein insgesamt gesundes Gewinnwachstum verbunden mit fairen Bewertungen gekennzeichnet.
Zwar ist das Wachstum der Weltwirtschaft in einzelnen Quartalen stark unter Druck geraten - in nominaler Rechnung geht die Wirtschaftsleistung jedoch stramm nach oben. Im Niedrig-Inflationsumfeld bis Mitte 2022 schlug der Unterschied zwischen nominaler und realer Betrachtung nicht so stark zu Buche.
Das änderte sich mit der nach oben schießenden Inflation der vergangenen Jahre schlagartig und war mit Blick auf die Unternehmenswerte sicherlich einer der am meisten unterschätzten Faktoren für die hervorragende Entwicklung der Unternehmensgewinne. Denn sowohl Umsätze als auch Gewinne sind nominale Größen und steigen wie auch das Sozialprodukt in nominaler Rechnung quasi automatisch mit dem Zuwachs der Inflation an. In den USA ist das BIP nominal von Q4 2019 bis Q3 2023 um mehr als 23 Prozent angestiegen.
Eine weitere Erklärung dafür, dass der Unternehmenssektor so gut durch das krisenreiche Umfeld der vergangenen Jahre gekommen ist, liegt in der insgesamt soliden Finanzierung begründet. Ein Zinsanstieg von einem derart großen Ausmaß wie in den letzten 24 Monaten hätte in den vergangenen Jahrzehnten zu erheblichen und sofortigen Bremsspuren im gesamten Unternehmenssektor geführt.
Punktuell haben die veränderten Finanzierungsbedingungen bei einzelnen Immobilienfirmen oder Banken eine beachtliche Wirkung mit zum Teil dramatischen Folgen entfaltet. In der Summe aber hat das Finanzsystem die Niveauveränderung bislang gut absorbiert, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die Unternehmen den gestiegenen Finanzierungskosten mit einer gesunden Bilanzstruktur begegnet sind.
Eine niedrige Verschuldung, hohe liquide Aktiva und gute Cash-Flows führten zu der einmaligen Situation, dass die gestiegenen Zinsen in der Netto-Betrachtung sogar zu einem Vorteil der Unternehmen wurden. So haben sich in den USA die Netto-Zinszahlungen, also die Relation von Zinseinnahmen zu Zinsausgaben, der Unternehmen in den vergangenen drei Jahren um 170 Milliarden US-Dollar verringert. Die Relation der Zinsbelastung zum Netto-Cash-Flow ist in dieser Zeit um 8 Prozentpunkte auf den aktuell historisch niedrigen Wert von 6,6 Prozent gefallen.
Ein dritter Faktor für das hervorragende Abschneiden der Aktienmärkte ist in der stabilen Margenentwicklung begründet. Große und mittelgroße Unternehmen in den USA konnten ihre Margen weiterhin steigern oder zumindest konstant halten. Lediglich die kleineren Unternehmen aus der zweiten Reihe haben das Nachsehen: Für sie setzt sich der Trend einer sinkenden Profitabilität unvermindert fort.
Und schließlich spricht auch die Bewertung eindeutig für die Aktienmärkte. Bereits zu Beginn der Krisenperioden waren die Aktienmärkte mit Ausnahme der USA nicht besonders hoch bewertet, was die Fallhöhe in den Krisen seit Ende 2019 fundamental begrenzte. Seit Ende 2019 haben sich in allen Regionen die Bewertungsvielfache sogar weiter nach unten bewegt. Besonders deutlich ist der Bewertungsrückgang in Deutschland und Europa ausgefallen. In Deutschland fällt der Bewertungsabschlag beim DAX am stärksten aus. Dies gilt nicht nur bei der Betrachtung der Kurs-Gewinn-Verhältnisse, sondern auch für die weniger volatilen Preis-Buchwert-Verhältnisse.
Apropos Bewertung: Derzeit wird der DAX gerade einmal mit dem 1,2-fachen seines Buchwertes bewertet. Dies ist nicht nur im relativen Vergleich zu anderen Indizes ein großer Abschlag, sondern auch historisch ein sehr niedriges Niveau. Lediglich während der Finanzmarktkrise, der Euro-Staatschuldenkrise und dem Ausbruch der Coronapandemie hat der Index über kurze Zeiträume noch niedriger gehandelt.
Derart niedrige Kurs-Buchwertverhältnisse sind Ausdruck einer tiefen Skepsis gegenüber der Leistungsfähigkeit der im DAX enthaltenen Unternehmen. Ob diese gerechtfertigt sind, oder ob hier Übertreibungen infolge einer pauschalen Übertragung der Standortprobleme Deutschlands auf seine internationalen Unternehmen vorliegt, mag jeder selbst entscheiden.
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