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Aktien-Höhenflug: Kursrally mit Korrekturpotenzial

Der S&P 500 ist trotz der jüngsten Korrektur allein seit dem Jahresstart um rund neun Prozent gestiegen. Für ein solches Plus braucht der amerikanische Standardwerte-Index historisch betrachtet im Durchschnitt mehr als ein Jahr. Beim Dax sieht es ganz ähnlich aus. Auch das deutsche Aktien-Barometer hat seit Anfang Januar rund neun Prozent an Wert gewonnen.
Der wesentliche Grund für die gute Stimmung an den Börsen sind sinkende Inflationsraten und damit die Aussicht auf Leitzinssenkungen der Fed und der EZB. Vor rund einem halben Jahr hatten die Anleger noch mit bis zu sieben Zinsschritten der amerikanischen Notenbank gerechnet. Doch die Konjunktur erweist sich in den USA als unerwartet robust, von einer drohenden Rezession kann nicht die Rede sein.
Vor diesem Hintergrund haben die Marktteilnehmer ihre Erwartungen an die Fed auf nur noch drei Zinssenkungen zurückgeschraubt.
Dass die Kurse an der Wall Street dennoch spürbar gestiegen sind, zeigt, dass der Optimismus auf einem soliden Fundament fußt und noch genügend Kraft besitzt, um die Märkte weiter zu unterstützen. Es besteht nur wenig Abgabebereitschaft und die Risikotoleranz der Anleger steigt. Das zeigt auch der Bitcoin, der mit mehr als 70.000 Dollar nur wenig unter seinem Allzeithoch notiert.
Weitere Kurstreiber
Neben der Aussicht auf sinkende Leitzinsen gibt es weitere Faktoren, die derzeit die Aktienmärkte unterstützen. So befinden sich die Dividendenzahlungen auf Rekordniveau. Zusammen mit den sinkenden Zinsen sorgt das für eine zunehmende Attraktivität von Aktien im Vergleich zu Anleihen. Gleichzeitig sorgen die robuste Konjunktur in den USA und Erholungstendenzen in Europa für hohe Unternehmensgewinne. Auch in China scheint das Wirtschaftswachstum wieder an Kraft zu gewinnen. Die Weltwirtschaft ist intakt.
Positiv ist auch zu werten, dass an der Wall Street die Aufwärtsbewegung an Breite gewonnen hat. Es sind nicht mehr vor allem die Magnificent 7, die den S&P 500 steigen lassen. In den zurückliegenden Wochen haben auch die Werte außerhalb des amerikanischen Technologiesektors an Schwung gewonnen. Schließlich sehen die Märkte auch charttechnisch positiv aus. Umgekehrt belasten derzeit keine neuen negativen Nachrichten die Stimmung an den Börsen.
Dax-Rally nicht erstaunlich
Auf den ersten Blick scheint es verwunderlich, dass die deutschen Standardwerte seit Jahresanfang mit den US-Aktien mithalten können. Aber die großen Konzerne aus der Bundesrepublik machen einen Großteil ihres Geschäfts im Ausland, wo die Wirtschaft deutlich stärker wächst als hierzulande. Das erklärt auch, warum der Dax im vergangenen halben Jahr spürbar stärker zugelegt hat als der MDax oder der SDax, deren Unternehmen nicht ganz so sehr im Ausland tätig sind.
Und trotz der miesen Stimmung sind die konjunkturellen Aussichten auch für Deutschland zumindest für 2025 gar nicht so schlecht. Der Ifo-Geschäftsklima-Index ist im März bereits spürbar gestiegen. Vor allem die Erwartungen der Unternehmen haben sich aufgehellt. Somit bestehen nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande weiter gute Aussichten für Aktien. Dies könnte die anstehende Berichtssaison untermauern.
Allerdings ist in den zurückliegenden sechs Monaten mit der Rally auch die Fallhöhe gestiegen. Eigentlich ist der Markt reif für eine Korrektur. Auslöser könnten beispielsweise Enttäuschungen im Bereich künstliche Intelligenz (KI) sein. Die durch KI gehypten Unternehmen müssen in den kommenden Monaten große Vorschusslorbeeren rechtfertigen. Da kann es durchaus zur einen oder anderen Enttäuschung kommen. Ähnliches gilt für das erwartete Wachstum der Unternehmen aufgrund der positiven Konjunkturaussichten.
Schließlich könnten der Ukraine- und der Gazakrieg weiter eskalieren oder der Konflikt zwischen China und Taiwan an Schärfe gewinnen, was für einen Stimmungsumschwung an den Aktienmärkten sorgen könnte. Das Problem mit Korrekturen ist allerdings, dass sich der Zeitpunkt eigentlich nicht vorhersagen lässt. Anlegern bleibt kaum etwas anderes übrig als diese auszusitzen oder preiswerter nachzukaufen.
Dabei sollten sie nicht nur die Werte aus der ersten Reihe fokussieren, sondern auch die zurückgebliebenen Small- und Mid-Caps berücksichtigen. Die zuletzt nicht so gut gelaufenen Aktien aus den Schwellenländern sind ebenfalls einen Blick wert. In beiden Fällen lässt sich eine breite Diversifikation durch ETFs einfach und kostengünstig gewährleisten.
Außerdem bietet sich ein Einstieg bei einem Rücksetzer bei KI-Aktien an, was sicherlich angesichts der hohen Bewertungen einiges an Risikobereitschaft erfordert. Aber die entsprechenden Geschäftsmodelle verfügen über ein enormes Potenzial – zum Beispiel bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe im Healthcare-Bereich.

Über dem Autor:
Stefan Eberhardt gründete 2015 die Eberhardt & Cie. Vermögensverwaltung, inzwischen E/R/W Vermögensmanagement. Das verwaltete Kundenvolumen soll rund eine Milliarde Euro betragen.