Aktien-Tipp vom Vermögensverwalter Ein brasilianischer Energiekonzern macht Stroh zu Geld
Raizen kann zwar nicht wie Rumpelstilzchen im gleichnamigen Märchen Stroh zu Gold spinnen. Dafür raffiniert das Unternehmen aus (Zuckerrohr-)Stroh Bioethanol. Und diese Fähigkeit verspricht in Zeiten der globalen Energiewende auf Dauer wesentlich nachhaltigeren Erfolg. Anlegern bietet die Raizen-Aktie eine hervorragende Möglichkeit, von der Dekarbonisierung der größten südamerikanischen Volkswirtschaft zu profitieren.
Erste Ethanol-Produktion dieser Art
Mit seiner patentierten Technologie stellt Raizen als erster kommerzieller Produzent weltweit sogenanntes E2G-Ethanol aus Rohstoffen wie Biomasse und Zuckerrohrstroh („Bagasse“) her, die bei der Produktion von Zucker und herkömmlichem Ethanol anfallen. Das Ethanol der zweiten Generation ist wesentlich nachhaltiger als das übliche E1G-Ethanol, das vor allem aus Melasse gewonnen wird, die auch zu Lebensmitteln verarbeitet wird und damit immer wieder zu Kontroversen führt.
Mit E2G-Ethanol wird die Produktion zudem deutlich gesteigert ohne zusätzliche Zuckerrohranbaufläche. Die Firma hat für ihr E2G-Ethanol bereits umfassende Lieferverträge abgeschlossen und baut derzeit fünf weitere Anlagen. In den nächsten Jahren will Raizen nicht nur die E2G-Ethanol-Produktion, sondern den gesamten Geschäftsbereich erneuerbare Energien massiv ausbauen.
Bereits die bisherige Geschäftsentwicklung Reizens beeindruckt. Als die brasilianische Holdinggesellschaft Cosan und der Energiekonzern Royal Dutch Shell Raizen 2010 als Joint Venture gründeten, bündelten sie damit ihre Zucker- und Bio-Ethanol-Aktivitäten in Brasilien. Das spiegelt sich auch im Firmennamen: Raizen steht für die Verbindung von Raíz (portugiesisch für „Wurzel“) und Energia („Energie“). Der Börsengang folgte 2021, heute notiert die Raizen-Aktie an der Börse in Sao Paolo mit einem aktuellen Kurs von 3,89 brasilianischen Real.
Raizen hat seit seiner Gründung seine operativen Erträge stetig gesteigert und ist heute eines der ertragsreichsten Unternehmen in Brasilien. Auch die Marktanteile in seinem Heimatmarkt Brasilien sowie in Argentinien und Paraguay baut das Unternehmen aus und steigerte mit 41.000 Mitarbeitern seine Kapitalrendite (ROACE) deutlich auf zuletzt 20 Prozent. Dabei behauptete sich Raizen in einem schwierigen Umfeld staatlicher Preiskontrollen für Treibstoffe, einer Währung auf Berg- und Talfahrt, schwacher Zuckerrohrpreise und Wirtschaftsflauten.
Der Bereich erneuerbare Energien trägt bereits heute 35 Prozent zum EBITDA bei und dürfte noch wichtiger werden. Raizen hat sein Geschäft aber breit in mehrere Bereiche aufgestellt, die jeder für sich genommen lukrativ sind und in der Summe eine spannende Anlagestory ergeben. Die Basis des Geschäftsmodells beruht auf Zuckerrohr.
Raizen ist einer der größten Produzenten und Exporteure weltweit. Die eigene Produktion erreichte zuletzt 6,2 Millionen Tonnen pro Jahr. Dazu hat Raizen Verarbeitungsanlagen mit der weltweit höchsten Kapazität von 105 Millionen Tonnen pro Jahr, das ist mehr als alle Anlagen der USA und Chinas zusammen. Raizen ist bei der Zuckerproduktion globaler Kostenführer und größter Einzelexporteur.
Reichlich Anwendungen und Geschäftsideen für Biomethan und grünen Strom
In seinen 35 Bioenergieparks verarbeitet Raizen das Zuckerrohr und optimiert die Nutzung der Biomasse für erneuerbare Energiequellen. Hier produziert der Konzern insgesamt rund 3 Milliarden Liter Ethanol der ersten und zweiten Generation. Aus den Nebenprodukten der industriellen Prozesse wird Biogas gewonnen, das wiederum in Biomethangas und Strom umgewandelt wird. So erzeugt die Raizen derzeit 2,4 TWh Biostrom und auch in den Ausbau von Solarenergie investiert Raizen kräftig.
Ein wichtiger und hochlukrativer Geschäftsbereich ist der Vertrieb von Kraftstoffen, der zuletzt fast 50 Prozent zum operativen Betriebsergebnis beisteuerte. Hier ist Raizen die Nummer zwei in den Absatzmärkten Brasilien, Argentinien und Paraguay, wo der Konzern Kraftstoffe an mehr als 7800 Shell-Tankstellen liefert und vertreibt, dazu kommen Flughäfen und auch Firmenkunden. Bei Bioethanol ist Raizen klarer Marktführer in Brasilien.
Das ist bedeutend, da Ethanol-betriebene Fahrzeuge in Brasilien wesentlich wichtiger beim Übergang zu einer emissionsfreien Wirtschaft sind als die für die meisten unerschwinglichen E-Autos. Seit Mitte 2022 betreibt Raizen auch Ladestationen für Elektrofahrzeuge, deren Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammt. Als Ergänzung seiner Vertriebsaktivitäten unterhält Raizen zudem in einem Joint Venture ein Netz an Oxxo-Verbrauchermärkten und mehr als 1.400 Shell-Select-Shops.
Mit diesem hoch integrierten Geschäftsmodell formt das Unternehmen ein Business-Ökosystem, das sich über die gesamte Wertschöpfungskette von der Ackerscholle bis hin zum Endverbaucher erstreckt. Beeindruckend ist, wie Raizen aus dem Rohstoff Zuckerrohr mit einem kreislauforientierten Ansatz eine breite Palette von Energieprodukten erzeugt.
Eine wichtige Rolle bei der Expansion spielt das umsichtige, unternehmerisch agierende Managementteam, das sich strikt der Nachhaltigkeit verpflichtet hat und sich zudem auf Finanzdisziplin, die Kapitalallokation und die Expansionsstrategie konzentriert. Zu den ESG-Prioritäten zählt die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks von Zucker und Ethanol sowie die Senkung des Wasserverbrauchs, die Verbesserung der Rückverfolgbarkeitssysteme für Zuckerrohr und die Zertifizierung nach internationalen Standards sowie die Einhaltung ethischer Werte entlang in der gesamten Lieferkette.
In der günstigen Bewertung der Raizen-Aktie spiegeln sich die zuletzt geringen Zuckerrohrerträge sowie das herausfordernde wirtschaftliche und politische Umfeld im Vorfeld der Wahlen des vergangenen Jahres wider. Dennoch konnte Raizen im Geschäftsjahr 2022/23 seine adjustierten EBITDA-Erträge um 43 Prozent auf 15,3 Milliarden Real (2,91 Milliarden Euro) steigern.
Die Transformation des Unternehmens zu einem Vorreiter bei erneuerbaren Energien dürfte künftig deutlich mehr Interesse auf die Aktie ziehen. Zudem profitiert Raizen von seiner Stellung im Vertrieb von Kraftstoffen und dem Ausbau der Verbrauchermärkte. Die Raizen-Aktie bietet Anlegern damit eine hervorragende Möglichkeit, von der nachhaltigen Transformation der größten südamerikanischen Wirtschaft zu profitieren.
Über die Autorin:
Cathrine Gether arbeitet als Portfoliomanagerin beim Fondsanbieter Skagen und lenkt den Schwellenländer-Aktienfonds Skagen Kon-Tiki.