
Es war eine Mixtur, die Anfang August für einen schwarzen Montag gesorgt hat. Die Zutaten bestanden aus Konjunktursorgen in den USA, einer unerwarteten Leitzinserhöhung in Japan und zunehmenden Zweifeln an den amerikanischen Tech-Konzernen. Dazu kamen noch die erhöhte Anfälligkeit der Aktienmärkte in den umsatzschwachen Sommermonaten und die mit Spannung erwarteten Präsidentschaftswahlen in den USA. Aber der Reihe nach.
Im Juli entstanden in den Vereinigten Staaten außerhalb der Landwirtschaft nur 114.000 neue Stellen. Die Prognose der regelmäßig befragten Volkswirte hatte bei 176.00 neuen Jobs gelegen. Die Arbeitslosigkeit stieg von 4,1 auf 4,3 Prozent und mehr Menschen beantragten Arbeitslosenhilfe. Umgehend kamen Rezessionssorgen auf. Diese Zahlen lassen sich aber auch anders und positiv interpretieren.
So langsam, aber sicher scheint es der amerikanische Notenbank Fed zu gelingen, die Inflation zurückzudrängen. Ziel der Geldpolitik war es die ganze Zeit, die angespannte Lage am Arbeitsmarkt zu beruhigen und damit die (zu) hohe Geldentwertung in den Griff zu bekommen. Jetzt stellt sich die Frage, ob die Fed die Leitzinsen zu lange bei 5,25 bis 5,5 Prozent gehalten hat. Die Antwort lautet: nein.
Größerer Zinsschritt möglich
Hätte Fed-Chef Jerome Powell bereits auf der letzten Sitzung des Offenmarktausschusses die Zinsschraube nach unten gedreht, hätten die Rezessionssirenen sicherlich noch deutlich lauter geheult. Jetzt sieht es nach einer Abkühlung der US-Konjunktur aus, auf die die Fed im September mit einer ersten Zinssenkung reagieren dürfte. Beim derzeitigen Niveau der Leitzinsen besteht hier ausreichend Spielraum. Die Terminmärkte signalisieren derzeit die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung um 0,5 Prozent auf fast 50 Prozent.
Der zweite Unsicherheitsfaktor bestand in der unerwarteten Leizinserhöhung der Bank of Japan (BoJ) von 0,1 auf 0,25 Prozent. Was nach einem kleinen Schritt aussieht, entfachte große Wirkung. Nach Jahren der Abwertung, drehte plötzlich der Yen nach oben. Dadurch mussten umfangreich Carry-Trades aufgelöst werden, was den Nikkei-Index regelrecht abstürzen ließ. Aber auch hier lassen sich die Daten durchaus positiv auswerten.
Die BoJ konnte die Zinsen nur deshalb erhöhen, weil im deflationsgeplagten Japan endlich eine nennenswerte Inflation herrscht. Gleichzeitig dürfte die Yen-Aufwertung angesichts der noch auf absehbare Zeit deutlich höheren Leitzinsen in den USA nicht zu üppig ausfallen. Und die BoJ hat bereits klein beigegeben. Shinichi Uchida, der Vizechef der Notenbank, sagte schon, dass es vorerst keine weitere Erhöhung der Leitzinsen geben werde, sollten die Kapitalmärkte weiterhin so volatil bleiben. Auch bei dem Thema Japan scheint Entwarnung angesagt zu sein.
KI sorgt plötzlich für negative Stimmung
Schließlich kamen Zweifel auf, ob und wann sich die riesigen Investitionen in künstliche Intelligenz (KI) rechnen werden. Dadurch gerieten die vorher gehypten KI-Werte wie Nvidia oder Microsoft plötzlich unter Druck. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Aktien noch immer mit einem 2025er-KGV im Bereich von 30 bewertet werden.
Dennoch sind im Bereich KI am ehesten Zweifel angebracht. Vor allem die amerikanischen Tech-Konzerne investieren hier derzeit lieber zu viel als zu wenig, um bei dem Thema nicht abgehängt zu werden. Beispiel: Microsoft. Der Konzern hat im zweiten Quartal 19 Milliarden Dollar in die für KI notwendigen Rechenzentren investiert, 78 Prozent mehr als vor einem Jahr und deutlich mehr als von den Unternehmensanalysten erwartet. Finanzchefin Amy Hood meint, dass es bis zu 15 Jahre dauern könnte, bis sich die Ausgeben amortisieren. Das übersteigt den Zeithorizont der meisten Börsianer.
Viele Anleger fragen sich, ob derzeit beim Thema KI ähnlich wie beim Internet in den Nullerjahren eine Blase herrscht. Doch danach sieht es nicht aus. Nach zwei Jahren KI-Boom wird hier ein wenig Lauft abgelassen, aber ein Platzen ist nicht zu erkennen.
Insgesamt signalisierte auch die Berichtssaison Entwarnung. Fast 80 Prozent der amerikanischen Unternehmen übertrafen in Q2 die Gewinnprognosen. Allerdings gelang dies vergleichsweise wenigen Firmen bei den Umsatzschätzungen. Das zeigt, dass die steigenden Gewinne zu einem guten Teil auf Kostensenkengen, zum Beispiel durch das Freisetzen von Arbeitskräften, zurückzuführen ist.
Bislang handelt es sich an der Wall Street und den anderen größeren Aktienmärkten um eine gesunde Korrektur und nicht um den Beginn eines Crashs. Allerdings notiert das Angstbarometer Vix trotz der jüngsten Korrektur noch immer deutlich über dem Niveau der vergangenen Monate. Das dürfte vorerst anhalten. Denn noch verursacht die Urlaussaison geringere Handelsumsätze und der US-Präsidentschaftswahlkampf dürfte zusätzlich für Unruhe sorgen. Für Anleger mit guten Nerven ergeben sich daraus Kaufgelegenheiten.

Über den Autor:
Steffen Kunkel arbeitet bei der Bethmann Bank, einer Marke der ABN Amro Bank Frankfurt Branch, als Chef-Investitionsstratege (Chief Investment Strategist). Davor war der Diplom-Volkswirt unter anderem bei der Credit Suisse und Universal Investments tätig.