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Größenwahn Facebook und WhatsApp sind Debakel-Kandidaten

Die Übernahme von WhatsApp durch Facebook für insgesamt 19 Milliarden Dollar steht historisch betrachtet unter keinem guten Stern. Anleger, die die Facebook-Aktie nach Ankündigung des Deals auf ein Rekordhoch getrieben hatten, täten gut daran, sich zu erinnern: Jede Internet-Übernahme im Wert von mehr als 10 Milliarden Dollar endete in einem Fiasko.

Der vor knapp zwei Wochen angekündigte Kauf wäre die größte Web-Übernahme seit mehr als einem Jahrzehnt – und erst die fünfte überhaupt, die über diesem Schwellenwert liegt, zeigen Bloomberg-Daten. Damit fällt sie in dieselbe Kategorie wie der AOL-Merger mit Time Warner und der Kauf von Lycos durch Terra Network – die später zu Milliarden-Abschreibungen führten.

Die Geschichte ist übersät von großen Internet-Deals, bei denen Käufer für ihre Ziele hohe Bewertungsniveaus bezahlten, nur um dann zu sehen, wie ihr Wert ausgelöscht wird. Facebook legt beispielsweise für WhatsApp einen Multiplikator zugrunde, der normalerweise nur für jene Unternehmen vorgesehen ist, die lebensrettende Arzneimittel entwickeln.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg setzt darauf, dass diesmal alles anders sein wird. Seiner Ansicht nach wird WhatsApp über die 450 Millionen aktiven Benutzerkonten hinauswachsen, was das Investment des Betreibers des weltgrößten sozialen Netzwerks rechtfertigt. Letzte Woche sagte er, WhatsApp sei noch wertvoller als die für den Kauf veranschlagten 19 Milliarden Dollar.

“Die Geschichte zeigt: wenn man 19 Milliarden Dollar zahlt, dann gibt es die Möglichkeit, dass man 19 Milliarden Dollar überbezahlt hat”, sagt Jay Ritter, ein Finanzprofessor an der University of Florida, und weiter: “Vieles muss richtig laufen. Und es gibt natürlich einen preislichen Punkt, an dem es – auch wenn die Dinge richtig laufen – keine gute Investition sein wird.”

Viele Anleger und Investoren betrachten den Deal positiv. Keiner der 51 von Bloomberg verfolgten Analysten empfiehlt die Facebook-Aktie zum Verkauf – obwohl zur Finanzierung des Deals neue Aktien im Wert von 12 Milliarden Dollar ausgegeben werden.

Letzte Woche erreichte der Facebook-Kurs mit bis zu 71,44 Dollar zudem ein Intraday-Rekordhoch. Das im kalifornischen Menlo Park ansässige Unternehmen wird derzeit etwa zum 55-fachen der erwarteten Gewinne gehandelt – verglichen mit 23 für Google und 14 für Microsoft, die Kreisen zufolge beide ebenfalls Interesse an WhatsApp hatten.

Der jüngste Zukauf bei Facebook ist die größte Transaktion der Internet-Branche seit der 124 Milliarden Dollar schweren Fusion von Time Warner mit AOL 2001 auf dem Höhepunkt der Technologieblase. Zwei Jahre später führte der Deal zu einer Abschreibung in Höhe von 45,5 Milliarden Dollar, da die versprochenen Umsatzsteigerungen und Kosteneinsparungen durch die Zusammenlegung ihrer Medien- und Internetgeschäfte ausblieben.

Im Jahr 2000 erwarb VeriSign für 15,3 Milliarden Dollar Network Solutions, um in den Bereich der Vergabe von Internetadressen zu expandieren – drei Jahre später wurde es im Zuge eines nachlassenden Wachstums wieder für etwa 100 Millionen Dollar verkauft. Terra Networks übernahm Lycos für 13,8 Milliarden Dollar und stieß das Web-Portal schließlich wieder für 95 Millionen Dollar ab.

Ähnlich lief das bei dem Kauf von Tin.it durch die Medien-Sparte von Telecom Italia für etwa 30 Milliarden Euro im Jahr 2000. Später wurde Tin.it neu bewertet, und zwar mit lediglich 1,2 Milliarden Dollar, als die Mutter sie zurückkaufte.

Der Vergleich sei ein “naives Argument”, sagt Neeraj Arora, der die Unternehmensentwicklung bei WhatsApp leitet, letzte Woche auf Twitter. “Der Preis allein kann kein Indikator für eines M&A-Erfolgs sein. Jeder Deal ist verschieden und einzigartig.”

Nach Aussage von Zuckerberg, der das Geschäft mit WhatsApp-CEO Jan Koum innerhalb von nur fünf Tagen festzurrte, ist der Dienst auf einem guten Weg, eine Milliarde Nutzer zu erreichen. In dieser Größenordnung sei der mobile Nachrichtendienst inhärent wertvoll, sagte Zuckerberg.

“Der Preis ist offensichtlich beispiellos, aber es ist ein kluger Schachzug von Zuckerberg”, meint Eric Jackson, President von Ironfire Capital. “Ich glaube, dass er jeden neuen und jungen Dienst aufkaufen will, der das Potenzial hat, Facebook vom Thron zu stoßen. Der Markt gibt ihm einen hohen Aktienkurs, also unternimmt er diese großen Aktiengeschäfte.”

Scott Kessler, Analyst von S&P Capital IQ, vergleicht den WhatsApp-Kauf mit der Google-Übernahme von YouTube oder der Fusion von Ebay mit PayPal. Die Bewertungen mögen zuerst überhöht erscheinen, würden aber dann zu einer essentiellen Transformation des Geschäfts führen.

Die Schlüsselfrage bei dem Facebook-Deal sei, ob sich WhatsApp auf dem Höhepunkt oder in einer frühen Wachstumsphase befinde, sagt Kessler. Zu den Risiken zählten, dass das Geschäfts nicht so schnell wachse wie Zuckerberg erwarte, oder dass eine neue Technologie entwickelt wird, die das vereinte Unternehmen bedrohe.

“Es ist schwer abzuschätzen, inwieweit der Wachstumskurs von WhatsApp haltbar ist”, sagt Kessler. “Es ist einfach schwierig ein solches Engagement mit dieser Menge an Kapital und zu solchen Bewertungen zu unterstützen, ohne dass es ein höheres Maß an Zuversicht in die langfristigen Aussichten gibt.”

Es gibt auch kritische Stimmen.

“Es gibt als Finanzanalyst keine Möglichkeit, dass ich dort sitzen und die Zahlen rechtfertigen kann”, sagt Analyst Daniel Ernst von Hudson Square Research in New York. “Sie werden das vielleicht nie zu Geld machen. Das ist eine überteuerte Vermögensanlage, die eine andere überteuerte Vermögensanlage kauft. Das ist wie Monopoly-Geld.”

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