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Aktieninvestments: Darauf kommt es bei der Aktienwahl an
Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Transkript der vierten Episode der zweiten Staffel des M&G-Podcasts „Investment Business“.
Dieser Podcast ist nur für professionelle Anleger in Deutschland und Österreich und qualifizierte Anleger in der Schweiz bestimmt.
Die Key-Takeaways:
- Unterscheidung zwischen Aktien und Anleihen sowie die Implikationen des Aktionärsstatus.
- Einfluss makroökonomischer und mikroökonomischer Faktoren auf die Aktienmärkte, unter besonderer Berücksichtigung von Zinsentwicklungen und gesamtwirtschaftlichem Wachstum.
- Bedeutung unternehmensspezifischer Elemente für die Aktienentwicklung, insbesondere das Konzept der Cashflows und deren Konsistenz.
- Wichtige Aspekte der Aktienbewertung, einschließlich Kennzahlen wie KGV und PEG Ratio.
Sprecher: Ivan Domjanic, Kapitalmarktstratege bei M&G Investments
Host: Christoph Seeger, Wirtschaftsjournalist, Content Director bei mjnt., gehört zur Edelstoff Media Gruppe (DAS INVESTMENT / private banking magazin)
Christoph Seeger: Hallo und herzlich Willkommen zum Podcast „Investment Business“ von M&G Investments. Wir befinden uns in Folge vier der zweiten Staffel. In den ersten drei Folgen haben wir uns mit dem spannenden Segment der Anleihemärkte beschäftigt. Unser M&G-Experte für diese Folgen war Dr. Wolfgang Bauer, mit dem ich sehr viel Freude gehabt habe und viele interessante Erkenntnisse gewonnen habe. In den zweiten drei Folgen dieser Staffel dreht sich nun alles um die Aktienmärkte. Unser M&G-Experte für die Aktienthemen ist Ivan Domjanic, Kapitalmarktstratege bei M&G Investments. Hallo Ivan. Ich freue mich, dich hier zu sehen bei uns im Studio. Ich grüße dich.
Ivan Domjanic: Hallo Christoph. Ich freue mich auch, dabei zu sein und bin sehr gespannt auf die nächsten drei Podcast-Folgen zu den Aktienmärkten.
Christoph Seeger: Sehr schön, Ivan, unseren Zuhörerinnen und Zuhörern der ersten Staffel, bist du sicher noch bekannt, du hast ja im vergangenen Jahr schon sechs Folgen aufgezeichnet im M&G Podcast. Aber zur Auffrischung und vor allem für alle neuen Fans des Podcasts, die wir jetzt gewonnen haben: Stelle dich doch erst einmal selbst kurz vor.
Ivan Domjanic: Vielen Dank, Christoph. Mein Name ist Ivan Domjanic. Ich bin seit etwas über sieben Jahren bei M&G Investments in Frankfurt tätig und bekleide hier eben die Position des Kapitalmarktstrategen. Das heißt ich bin hier unter anderem für die Analyse des Kapitalmarktgeschehens zuständig und für die Herleitung eben entsprechender Schlussfolgerungen für die Asset Allocation. Natürlich unter Berücksichtigung der Investment-Teams, die in London sitzen.
Dabei decke ich zwar grundsätzlich mehrere Anlageklassen ab – also sowohl die Aktien als auch die Anleihemärkte – ich würde mich selbst aber doch eher als Aktienmenschen bezeichnen, wenn ich mich entscheiden müsste, weshalb ich auch ganz froh bin, dass ich mich in den nächsten drei Folgen eben auf den Aktienmarkt konzentrieren darf.
Christoph Seeger: Sehr gut. Es unterscheidet sich natürlich. Anleihen und Aktienseite haben ihre eigenen Experten, ganz klar.
Ivan Domjanic: Genau. Was meine bisherige Laufbahn angeht, würde ich sagen, dass ich eher eine klassische Laufbahn hinter mir habe. Das heißt ich bin nach meinem Diplomabschluss in BWL vor mittlerweile 14 Jahren – also mitten in der Finanzmarktkrise – direkt in die Finanzbranche eingestiegen, habe dort aber durchaus unterschiedliche Positionen bekleidet, also angefangen vom klassischen Privatkundengeschäft, über die Honorarberatung und Vermögensverwaltung bis hin zu meiner jetzigen Position des Kapitalmarktstrategen.
Christoph Seeger: Sehr gut. Auch hier nochmal ein Unterschied zum Wolfgang Bauer, der ja Doktor der Chemie ist. Jetzt ein BWLer, genau wie ich. Freue mich sehr, Ivan. Vielen Dank für deine Vorstellung. In dieser ersten Aktienfolge wollen wir ja die Grundlagen legen, haben wir besprochen. Was treibt die Aktienkurse? Worauf müssen Anleger achten? Dann fangen wir mal ganz simpel an. Was sind denn eigentlich Aktien? Und warum investieren Menschen in sie?
Ivan Domjanic: Aktien sind im Prinzip Wertpapiere, die einen Anteil am Eigenkapital eines Unternehmens verbriefen. Damit unterscheiden sie sich eben wesentlich von Anleihen. Denn während der Anleger von Anleihen quasi als Kreditgeber angesehen werden kann, ist der Aktionär im Prinzip Miteigentümer des Unternehmens, meist auch mit einem Stimmrecht. Das heißt, dem Aktionär gehört quasi ein Anteil des Unternehmens und damit auch ein Anteil der künftigen Gewinne und Cashflows des Unternehmens. Da die künftige Geschäftsentwicklung der meisten Unternehmen mit großen Unsicherheiten behaftet ist, sind Aktien in der Regel zwar riskanter als Anleihen, aber sie bieten auf der anderen Seite aber eben auch deutlich größeres Aufwärtspotential, wenn es gut läuft.
Christoph Seeger: Deswegen sind sie für viele Anleger die interessantere Seite, zum Beispiel auch für mich, weil sie eben dieses größere Aufwärtspotenzial bieten. Und du hast es gerade schon angedeutet, die Aktienmärkte und einzelne Aktien werden von einer Fülle von Faktoren beeinflusst. Was sind denn deiner Meinung nach die größten Einflussfaktoren für die Aktienmärkte?
Ivan Domjanic: Man kann die Kurstreiber der Aktienmärkte ganz grob in zwei Ebenen unterteilen. Zum einen in die Makro-Ebene – also Faktoren, die eher das allgemeine Umfeld für die Aktienmärkte betreffen – und zum anderen in die Mikro-Ebene, die vor allem die ganzen unternehmensspezifischen Faktoren beinhaltet. Das heißt also, während die Makro-Ebene eher die allgemeine Richtung der Aktienmärkte insgesamt vorgibt, beeinflusst die Mikro-Ebene eher die Entwicklung einzelner Aktien relativ zum breiten Aktienmarkt.
Christoph Seeger: Verstehe, dann lass uns mal mit den großen Zusammenhängen starten. Welche Makro-Faktoren sind es denn, die den größten Einfluss auf die Richtung der Aktienmärkte haben?
Ivan Domjanic: Wie alle Wertpapiere werden Aktien in erster Linie von Angebot und Nachfrage getrieben. Hier spielen entsprechend die Geldflüsse und die Liquidität eine wichtige Rolle. Das heißt ist Liquidität reichlich vorhanden – wie z.B. in der Zeit des Quantitative Easings, also der geldpolitischen Lockerung nach der Finanzmarktkrise – ist das generell gut für die Kapitalmärkte und damit eben auch für Aktienmärkte. Wird die Liquidität dagegen knapp, dann ist das tendenziell ein Gegenwind für die Märkte und die unterschiedlichen Anlageklassen konkurrieren dann einfach stärker um das knapper werdende Kapital. In solchen Phasen können diverse Anlageklasse, inklusive der Aktienmärkte unter Druck geraten. Man kann das Ganze auch von der Zinsseite betrachten. Denn wie alle Anlageklassen werden natürlich auch die Aktienmärkte sehr stark von der Zinsentwicklung beeinflusst. Umso höher die Zinsen, desto stärker ist einfach die Konkurrenz für die Aktienmärkte. Bekommt man als Anleger beispielsweise sichere 4 Prozent Zinsen auf Barguthaben, dann ist natürlich die Hürde einfach höher ins Risiko zu gehen und in Aktien zu investieren, als wenn der Zinssatz bei 1 Prozent oder 0 Prozent liegt.
Christoph Seeger: Das ist ja die Situation, die wir zurzeit haben. Nach langer Zeit der Niedrigzinsen sind die Zinsen wieder so hochgestiegen.
Ivan Domjanic: Ein weiterer wichtiger Faktor ist natürlich auch die allgemeine konjunkturelle Entwicklung, gerade bei den Aktienmärkten, also auf das Wirtschaftswachstum kommt es letztendlich auch an. Brummt die Wirtschaft, so sollte sich das im Normalfall auch in steigenden Gewinnen widerspiegeln, und steigende Gewinne ziehen in der Regel eben auch die Aktienkurse mit sich nach oben – zumindest langfristig betrachtet.
Christoph Seeger: Warum nur langfristig? Warum gehen die Kurse nicht schon kurzfristig hoch, wenn die Gewinne steigen?
Ivan Domjanic: Na ja, weil kurzfristig ist es vor allem die Psychologie, also das heißt die Stimmung an den Märkten, die die Kurse treibt, und das nicht selten völlig losgelöst von der gegenwärtigen Gewinnentwicklung der Unternehmen. Man sieht ja nicht selten, dass z.B. trotz guten gegenwärtigen Quartalszahlen die Aktienmärkte abverkauft werden. Ist die Stimmung schlecht, werden in der Zukunft sinkende Gewinne erwartet und das spiegelt sich dann entsprechend in fallenden Kursen wider. Im umgekehrten Fall verhält es sich natürlich genau andersherum. Und genau das macht es wiederum so unglaublich schwer, die kurzfristige Entwicklung der Aktienmärkte vorherzusagen.
Der berühmte Physiker und Astronom Isaac Newton soll ja mal – sicherlich auch aus Frust – gesagt haben: „Ich kann zwar die Bahn der Gestirne auf Zentimeter und Sekunde genau berechnen, aber nicht, wohin eine verrückte Menschenmenge einen Börsenkurs treiben kann“, also dieses berühmte Zitat. Das bringt es meiner Meinung nach ziemlich gut auf den Punkt.
Christoph Seeger: Absolut, das sollte jeder verinnerlichen.
Ivan Domjanic: Die gute Nachricht ist dagegen, dass langfristig meiner Meinung nach ganz klar die Entwicklung der Gewinne und der Cashflows der wichtigste Treiber der Aktienkurse ist. Das heißt, man kann als langfristig orientierter Anleger die kurzfristigen psychologisch bedingten Schwankungen an den Märkten im Grund genommen sogar ausnutzen, um sich günstig in den Markt einzukaufen. Voraussetzung ist natürlich, dass man richtig liegt, was die zukünftige Gewinnentwicklung angeht, und das ist leider keine Selbstverständlichkeit.
Christoph Seeger: Ja, und wenn du das sagst, man liegt richtig, was die zukünftige Gewinnentwicklung angeht, dann sind wir ja im Prinzip bereits auf der Mikroebene, die du eben angesprochen hast, angelangt, also bei den unternehmensspezifischen Faktoren. Welche Faktoren sind denn entscheidend auf Unternehmensseite für die Entwicklung einer Aktiengesellschaft?
Ivan Domjanic: Übergeordnet ist es – wie bereits erwähnt – die langfristige Entwicklung der Gewinne bzw. der Cashflows. Das ist zwar ziemlich stark vereinfacht, aber im Grunde läuft es eben genau darauf hinaus. Wie entwickeln sich die langfristigen Cashflows, also der Zahlungsstrom, den der Aktionär von seiner Investition erwarten kann? Neben der Entwicklung dieser Cashflows spielt aber z.B. auch die Stabilität und Krisenresistenz eine wichtige Rolle. Das heißt, sind die Cashflows sehr verlässlich und planbar? Bleiben die Cashflows auch in Rezessionsphasen relativ stabil oder schwanken die Cashflows sehr stark mit dem Wirtschaftszyklus? Das heißt nicht, dass Zykliker immer schlechter sind als defensive Unternehmen, aber eine höhere Volatilität der Cashflows sollte sich bei gleichem Wachstum zumindest in einer niedrigeren Bewertung des Unternehmens widerspiegeln. Deshalb werden Zykliker wie z.B. Industrie- oder Grundstoffunternehmen ja auch oft zu günstigeren Bewertungen gehandelt als eher defensive Qualitätstitel.
Christoph Seeger: Ja, absolut! Gibt es denn eine Möglichkeit schnell und einfach zu erkennen, ob man sich auf die Cashflows des Unternehmens verlassen kann?
Ivan Domjanic: Na ja, eine sehr einfache Kennzahl, die man als erste Indikation für die Verlässlichkeit der Cashflows heranziehen kann, ist z.B. die Dividende – und zwar vor allem die Dividendenhistorie, also der Dividenden-Track-Record. In unseren Dividendenstrategien oder auch in unserer Infrastrukturstrategie achten wir sehr stark auf ein kontinuierliches Dividendenwachstum. Ein Unternehmen, das in der Lage war, die Dividende über viele Jahre kontinuierlich zu steigern, auch in Krisenzeiten, hat zumindest mal unter Beweis stellen können, dass es in der Vergangenheit gut mit Krisen zurechtgekommen ist und dass im Unternehmen eine hohe Kapitaldisziplin zu herrschen scheint. Das ist natürlich keine Garantie für die Zukunft und man muss den Blick auch bei solchen Unternehmen in die Zukunft richten, aber eine solide Dividendenhistorie kann schonmal ein gutes erstes Auswahlkriterium sein. Ausreichend ist das aber natürlich bei weitem noch nicht für eine wirklich fundierte Titelselektion.
Und außerdem schließt man damit natürlich auch bewusst viele Aktien aus, die noch keine Dividende zahlen oder erst seit kurzem Dividenden ausschütten. Aber das ist nun mal eine Frage des Investmentansatzes am Ende.
Christoph Seeger: Absolut. Es gibt ja auch den Investmentansatz, der wirklich auf Dividenden setzt. Woran kann man denn sonst noch erkennen, ob ein Unternehmen gut oder schlecht ist, Ivan? Wie geht man da vor?
Ivan Domjanic: Zunächst einmal muss man das Geschäftsmodell des Unternehmens verstehen. Das ist bei einigen Unternehmen deutlich einfacher als bei anderen. Man muss also erst einmal verstehen, welche Faktoren die Geschäftsentwicklung maßgeblich beeinflussen. Ist das Unternehmen auf ein paar wenige Produkte oder Dienstleistungen ausgerichtet oder ist die Palette breit diversifiziert? Ist der Umsatz mit dem Verkauf eines Produktes einmalig oder sind mit dem Verkauf wiederkehrende Umsätze zu erwarten, also quasi ein Subscriptionmodell?
Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Hat das Unternehmen einen echten Wettbewerbsvorteil, der neue Konkurrenz fernhält und damit langfristig höhere Margen ermöglicht? Man nennt das im Aktienjargon auch „Burggraben“. Das kann z.B. eine starke Marke sein, ein qualitativ überlegenes Produkt oder auch einfach eine niedrigere Produktionskosten-Struktur. Wichtig ist hier vor allem abzuschätzen, ob dieser Vorteil wirklich langfristig ist oder doch nur vorübergehend. Ist der Vorteil nur vorübergehend, muss man aufpassen.
Christoph Seeger: Das finde ich einen interessanten Begriff, Ivan. Lass mich da noch einmal dazwischen gehen. „Burggraben“. Kannst du uns mal ein Beispiel für ein Unternehmen bringen, das sozusagen wie in einer Burg ein Burggraben errichtet hat?
Ivan Domjanic: Ja, also ein sehr gutes Beispiel für so ein Unternehmen, mit einem echten Wettbewerbsvorteil, ist Microsoft – das ist ein Softwareunternehmen. Die Software ist weltweit allen bekannt, ist weltweit auch im Geschäftsleben sehr weit verbreitet, hat sich einfach über viele Jahre bewiesen. Die meisten Firmen nutzen eben diese Software und weil auch alles kompatibel sein sollte, sind die Kosten, die Software zu wechseln, für Unternehmen einfach sehr hoch. Also bleibt man bei Microsoft und die Konkurrenten haben es dann eben unheimlich schwer da reinzukommen.
Christoph Seeger: „Burggraben“ oder eine hohe Hürde, die Microsoft da aufgebaut hat mit seinem Geschäftsmodell.
Ivan Domjanic: Ein weiterer wichtiger Punkt, was die Qualität angeht, ist die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells, das heißt muss das Unternehmen, um zu wachsen ständig in neue Anlagen investieren oder können die Umsätze auch ohne zusätzliche Investitionen steigen? Auch die Kapitalintensität spielt eine wichtige Rolle. Also je kapitalintensiver das Unternehmen, desto mehr muss es von den Gewinnen letztlich reinvestieren, um ein bestimmtes Wachstum zu erzielen. Um ein Beispiel zu nennen: Industrieunternehmen sind normalerweise deutlich kapitalintensiver als Softwareunternehmen, weil sie, um zu wachsen immer weiter in neue teure Produktionsanlagen investieren müssen. Das müssen Softwareunternehmen in der Regel nicht, da sie in der Regel keine Produktionsanlagen benötigen, um zusätzliche Software zu verkaufen.
Microsoft ist hier wieder ein gutes Beispiel. Microsoft hat für die Lizenzierung ihrer Software an eine weitere Firma quasi keine zusätzlichen Kosten. Also wenn die Software einmal steht, dann spielt es von der Kostenseite her eigentlich keine Rolle, ob die Software an 1000 oder 1 Million Firmen lizenziert wird. Der Umsatz steigt aber entsprechend und die Margen steigen eben mit jeder weiteren lizenzierten Software weiter.
Christoph Seeger: Absolut. Klasse Geschäftsmodell.
Ivan Domjanic: Ein weiterer Aspekt, der nicht unterschätzt werden darf, ist die Qualität des Managements. Auch ein gutes Unternehmen kann durch grobe Fehlentscheidungen des Managements heruntergewirtschaftet werden. Beispiele gibt es hierfür in der Geschichte mehr als genug. Hilfreich kann hier z.B. sein, wenn das Unternehmen familiengeführt ist, beziehungsweise wenn das Management einen großen Anteil am Unternehmen hält und damit quasi in einem Boot mit den übrigen Aktionären und Kleinaktionären sitzt.
Christoph Seeger: Qualität des Managements, das ist sicherlich nicht ganz so einfach herauszufinden. Natürlich, man kann Zeitung lesen, die einschlägigen Wirtschaftstitel. Aber trotzdem die Frage: Ist das auch für kleinere Investoren möglich, die Qualität eines Managements zu beurteilen oder können diese Einblicke nur große Investoren wie M&G Investments erhalten?
Ivan Domjanic: Zunächst muss man vielleicht sagen, dass es hierbei nie eine Garantie geben kann und wir es hier mit qualitativen Faktoren und damit auch mit subjektiven Wahrnehmungen zu tun haben. Aber natürlich hat man als großer Investor hier einen Vorteil, weil man oftmals eben direkt mit den Management-Teams sprechen kann. Versuche mal als Kleinanleger bei Daimler anzurufen und nach einem Termin mit Herrn Källenius zu fragen, dem CEO vom Daimler. Ich weiß jetzt natürlich nicht, wie groß dein Vermögen ist, aber ich glaube nicht, dass du dir da große Hoffnungen machen könntest. Für einen großen Investor wie uns sind die Chancen da natürlich deutlich größer.
Christoph Seeger: Ja, das Vermögen wird wahrscheinlich nicht groß genug und es ist noch viel schlimmer. Ich fahre auch noch BMW und nicht Mercedes.
Ivan Domjanic: Dann sowieso. Aber es gibt auch für kleinere Investoren durchaus Anhaltspunkte, anhand derer man eine gute oder schlechte Qualität des Managements erkennen kann. Im Vordergrund steht dabei vor allem die Aktionärsorientierung. Das heißt: Handelt das Management im Sinne der Aktionäre, also der Eigentümer des Unternehmens letztlich, oder möglicherweise in Eigeninteresse? Man kann hierzu beispielsweise die Geschäftsberichte lesen oder den sogenannten Earnings Calls bewohnen beziehungsweise die Transkripte hiervon durchlesen.
Wichtig ist dabei darauf achten, ob eine langfristige Unternehmensstrategie vorliegt und wie diese verfolgt werden soll, also mit welchen Maßnahmen. Man muss hier aber auch aufpassen und zwischen den Zeilen lesen, denn die Aussagen des Managements werden in der Regel immer wahnsinnig positiv klingen.
Christoph Seeger: Muss ja auch so sein, dafür werden sie letztendlich auch bezahlt, gut über ihr Unternehmen zu sprechen.
Ivan Domjanic: Ja, genau. Die Realität ist aber nicht selten deutlich weniger positiv. Das heißt, das Ganze ist also leider nicht so einfach und erfordert eben doch ein Verständnis für das Geschäftsmodell und auch ein gewisses sprachliches Gespür.
Christoph Seeger: Es geht dabei wirklich so darum, die Spreu vom Weizen zu trennen, nicht wahr?
Ivan Domjanic: Richtig, genau. Anstatt sich darauf zu konzentrieren, besonders gute Management-Teams zu erkennen, kann man als Kleinanleger auch versuchen, schlechte Management-Teams auszuschließen, also andersrum vorzugehen. Das heißt, es kann auch Sinn machen auf gewisse Warnsignale zu achten, die auf ein schlechtes Management hindeuten können.
Ein Warnsignal können beispielsweise große Übernahmen sein. Manchmal machen diese zwar Sinn, aber nicht selten dienen sie lediglich dazu, den Einflussbereich des Managements zu erhöhen. Gerechtfertigt werden solche Übernahmen dann oftmals mit Synergieeffekten, die sich am Ende erfahrungsgemäß oftmals nicht realisieren. Bei großen Übernahmen sollte man also zumindest mal kritisch hinterfragen, ob diese wirklich sinnvoll und im Sinne der Aktionäre waren.
Ein weiteres Warnsignal kann z.B. sein, wenn das Unternehmen häufig die eigenen Prognosen verfehlt oder revidieren muss. Das kann darauf hindeuten, dass das Management versucht den Optimismus der Investoren künstlich aufrechtzuerhalten, um einen Kursverfall zu verhindern, wohl wissend, dass die Aussichten nicht besonders rosig sind. Man nennt das im Englischen auch „over-promis, under-deliver“. Hier sollten spätestens alle Alarmglocken schrillen!
Christoph Seeger: Profis müssen gut zuhören und auch zwischen den Zeilen lesen. Aber qualitative Kriterien sind ja nur die eine Seite. Aber es geht natürlich vor allem um Zahlen: Welche quantitativen Aspekte sind für euch bei der Titelselektion entscheidend?
Ivan Domjanic: Bei den quantitativen Aspekten geht es im Grunde um die Geschäftsentwicklung. Also sehr vereinfacht gesagt, wie hoch ist das Wachstum und wie hoch ist die Profitabilität? Hierzu muss man sich den Finanzbericht genauer anschauen, vor allem auch die längerfristige Historie. Wie haben sich die Umsätze in den vergangenen Jahren entwickelt? Wie haben sich die Margen und folglich die Gewinne entwickelt? Wie steht es um die Rentabilität, sprich wie hoch ist der Ertrag, den das Unternehmen mit einem bestimmten Kapitaleinsatz erzielt? Die bekanntesten Kennzahlen sind hier die Eigenkapitalrendite und die Gesamtkapitalrendite. Wenn es dann noch konkreter in Richtung Unternehmensbewertung geht, dann spielen etwas kompliziertere Kennzahlen wie die „Rendite auf das eingesetzte Kapital“, also im Englischen „Return on Invested Capital“ eine wichtigere Rolle. Hier werden dann z.B. Posten rausgerechnet, die nichts mit dem eigentlichen operativen Geschäft zu tun haben. Aber ich denke, es würde den Rahmen dieses Podcasts sprengen, wenn ich hier jetzt weiter ins Detail gehe.
Christoph Seeger: Ich bin schon ein bisschen in meinen alten BWL-Vorlesungen. Du gedanklich auch, nehme ich an?
Ivan Domjanic: Genau, das wäre für die meisten Zuhörer dann vermutlich auch nicht ganz so spannend. Neben den einfachen Finanzberichten macht es im Übrigen auch Sinn, sich die Segmentberichterstattung anzuschauen, wo die Zahlen nach einzelnen Geschäftssparten oder regionalen Absatzmärkten aufgedröselt werden, denn die Geschäftssparten entwickeln sich sehr oft sehr unterschiedlich und sind auch unterschiedlich profitabel. Ein hohes Wachstum in einer hochmargigen Geschäftssparte ist in der Regel höher zu werten als ein hohes Wachstum in einer niedrigmargigen Sparte. Das muss man dabei natürlich auch berücksichtigen.
Christoph Seeger: Alles Informationen, die man natürlich auch im Geschäftsbericht findet, in Bilanzen auch nachlesen und sehen kann. Ivan, Bilanz als Stichwort. Wie wichtig ist die Bilanz eines Unternehmens für die Bewertung der Aktiengesellschaften, gerade jetzt in Zeiten steigender Zinsen?
Ivan Domjanic: Sehr wichtig! Genauso wichtig wie die Gewinne selbst sind natürlich die Vermögenswerte, mit denen diese Gewinne erzielt werden. Hier ist vor allem auch wichtig, wie diese Vermögenswerte finanziert wurden, also mit Eigenkapital oder mit Fremdkapital. Und genau da kommt die Bilanz ins Spiel. Gerade jetzt, wo die Zinsen deutlich höher sind als noch vor 2-3 Jahren und – wer weiß – vielleicht sogar weiter steigen könnten, ist es unseres Erachtens umso wichtiger nicht nur auf die Ertragslage zu schauen, sondern auch auf die Verschuldung. Denn bei hoch verschuldeten Unternehmen kann sich die Ertragslage nämlich sehr schnell verschlechtern, sobald die bestehenden Schulden, die noch zu deutlich günstigeren Konditionen aufgenommen wurden, zu den heute deutlich höher liegenden Zinsen refinanziert werden müssen. Im Extremfall können die dann zu zahlenden Zinsen das Unternehmen erdrücken und in die Insolvenz treiben. Es wäre also als Anleger grob fahrlässig, die Bilanz völlig zu vernachlässigen.
Christoph Seeger: Absolut. Und vielleicht kannst du uns auch nochmal ein konkretes Beispiel nennen, vielleicht für eine Branche, wo sich die steigenden Zinsen jetzt gerade ganz besonders deutlich bemerkbar machen.
Ivan Domjanic: Wo sich die steigenden Zinsen fast am stärksten bemerkbar machen, ist der Immobiliensektor. Hier gibt es viele Beispiele. Ein sehr zyklisches Geschäft, das gleichzeitig aber eben auch sehr stark durch Fremdkapital geprägt ist und viele Jahre lang aufgrund der immer weiter fallenden Zinsen einen sehr langen Aufschwung erlebt hat. Jetzt, wo die Zinsen eben nach oben gedreht sind, schlagen eben die Zinskosten natürlich durch und das spiegelt sich letztlich dann eben auch in der Aktienmarktentwicklung vieler Immobilienunternehmen wider. Deswegen gehört ja der Immobiliensektor mit zu den schwächsten im laufenden Jahr auch.
Christoph Seeger: Schönes Beispiel auch für Anlegerinnen und Anleger, die uns zuhören, weil das erlebt man ja auch im privaten Leben mit seinen Immobilieninvestitionen gerade, welche Auswirkungen die steigenden Zinsen da haben können. Jetzt ist die Analyse der Finanzberichte doch letztlich der Blick in die Vergangenheit. Reicht denn dieser Blick in die Vergangenheit wirklich aus?
Ivan Domjanic: Nein, natürlich nicht! Der Blick in die Vergangenheit ist zwar wichtig, weil er einem ein Gefühl für die Geschäftsentwicklung geben kann, aber für die den aktuellen Aktienkurs ist letztendlich der Blick in die Zukunft maßgeblich, das ist ganz klar! Das Problem ist, dass dieser Blick in die Zukunft leider mit großen Unsicherheiten verbunden ist, wie du dir vorstellen kannst. Das macht es zum einen so herausfordernd, aber zum anderen eben auch so spannend! Wir bei M&G haben als großes Investmenthaus glücklicherweise ein großes hochprofessionelles Team an Fondsmanagern und spezialisierten Aktienanalysten an Board. Das heißt, wir versuchen selbst, die zukünftige Geschäftsentwicklung jedes einzelnen Unternehmens abzuschätzen. Sowas ist natürlich für Privatanleger, aber auch für kleinere Investmenthäuser oder Vermögensverwalter deutlich schwieriger in der Breite darzustellen. Man kann alternativ vielleicht externe Analystenprognosen heranziehen, wenn man selbst die Kapazitäten für solch detaillierte Analysen nicht hat. Wir bei M&G machen aber unsere Hausaufgaben in der Regel gerne selbst.
Christoph Seeger: Absolut. Und die Größe und Stärke eures Analystinnen- und Analystenteams habe ich auch schon im Gespräch mit Wolfgang Bauer eindrucksvoll kennengelernt. Wenn ich das bisher Gesagte also kurz und sehr vereinfacht zusammenfassen darf. Das heißt also im Prinzip: Finde Aktien mit verlässlichen, wachsenden Cashflows, einer hohen Profitabilität, einer gesunden Bilanz, einem guten Management und alles wird gut?
Ivan Domjanic: Na ja ganz so einfach ist es leider nicht. Denn letztendlich entscheidet die Bewertung, ob ein Investment vielversprechend ist oder nicht. Kauft man sich zu teuer ein, so kann auch eine Investition in ein gutes Unternehmen in einer Enttäuschung enden. Ein gutes Beispiel aus der Vergangenheit, das sehr oft herangezogen wird, ist Cisco Systems. Obwohl sich das zugrundeliegende Geschäft von Cisco seit der Dotcom-Blase hervorragend entwickelt hat, liegt der Kurs auch 23 Jahre später noch 30 Prozent tiefer als am Höhepunkt im Jahr 2000. Zugegeben, das ist ein extremes Paradebeispiel, aber es zeigt, dass ein gutes Unternehmen nicht immer automatisch auch ein gutes Investment sein muss. Die Bewertung ist letztlich der entscheidende Faktor.
Umgekehrt kann ein Unternehmen mittlerer Qualität aber auch ein hervorragendes Investment sein, wenn der Preis, zu dem man sich einkauft, niedrig genug ist. In unseren Value-Strategien geht es beispielsweise weniger um ein attraktives Wachstumspotenzial der Unternehmen, eine hohe Profitabilität oder die Stabilität der Cashflows. Natürlich spielen diese Überlegungen auch da eine gewisse Rolle. Aber eigentlich steht hier in erster Linie die Bewertung der Unternehmen im Vordergrund, und zwar vor allem eine günstige Bewertung.
Wichtig ist dabei nur, die Unternehmen auszuschließen, die aus gutem Grund so billig bewertet sind, also die sogenannten Value-Fallen. Dazu braucht es dann doch eine detaillierte Fundamentalanalyse.
Christoph Seeger: Was ist da so dein grundsätzlicher Rat an Anleger?
Ivan Domjanic: Wirklich fern halten würde ich mich letztlich von den wirklich schlechten Unternehmen. Ein Unternehmen, welches laufend Kapital verbrennt und künftige Gewinne reines Wunschdenken sind, ist normalerweise zu keinem Preis ein Investment wert. Schließlich kann man als Aktionär ja nicht einfach hergehen und sagen „mach den Laden dicht, verkaufe alle Vermögenswerte und zahl mich aus!“. Oft wird das schlecht laufende Unternehmen vom Management einfach mit weiteren Schulden oder neu ausgegebenen Aktien so lange am Leben gehalten, bis es nicht mehr geht. Nach der Insolvenz bleibt für die Aktionäre dann sehr oft gar nichts mehr übrig.
Christoph Seeger: Na ja und sie sind ja Miteigentümer, deswegen ist die Insolvenz eines Unternehmens natürlich das Hauptrisiko für einen Aktionär.
Ivan Domjanic: Genau, richtig! Oft sagen sich dann als Kleinanleger letztlich bei solchen Aktien „die Aktie ist jetzt schon um 90 Prozent gefallen. Viel weiter kann sie doch gar nicht mehr fallen“. Diejenigen sollten sich vielleicht eine ganz einfache mathematische Erkenntnis vor Augen führen. Und zwar ist der potenzielle Verlust bei einer Aktie, die bereits um 90 Prozent gefallen ist – Überraschung! – immer noch 100 Prozent. Völlig unabhängig davon, wie weit eine Aktie schon gefallen ist und ob die Aktie bei 100 Euro oder 10 Cent gehandelt wird, bis zum Kurs von 0 Euro sind es immer -100 Prozent, also ein Totalverlust im Falle der Insolvenz. Dessen sollte man sich bei solchen „Geldvernichtern“ immer bewusst sein.
Christoph Seeger: Absolut, das ist wirklich wichtig. Ich habe mir das auch immer so gemerkt, auch ein bisschen mathematisch. Der Kurs einer Aktie kann sich ja mathematisch im Grunde unendlich oft halbieren. Das kann immer weiter bergab gehen, rein theoretisch natürlich nur. Das klingt zwar alles sehr plausibel, aber woran kann man denn überhaupt erkennen, ob eine Aktie unterbewertet oder schon überbewertet ist? Und was sind die Hauptstellschrauben bei der Bewertung eines Unternehmens?
Ivan Domjanic: Das KGV ist wohl die bekannteste Kennzahl und setzt einfach den aktuellen Kurs ins Verhältnis zum Gewinn der letzten 12 Monate, was natürlich den Nachteil hat, dass man hier in die Vergangenheit schaut anstatt in die Zukunft. Und wie wir wissen, kommt es bei Aktien ja gerade auf die Zukunft an. Es gibt zwar auch eine abgewandelte Form – das sog. Forward P/E Ratio – wo das KGV auf Basis der erwarteten Gewinne der nächsten 12 Monate berechnet wird. Diese Gewinne sind logischerweise nur durchschnittliche Schätzungen von Analysten, aber zumindest wird hier in die Zukunft geschaut, wenn auch nur auf die nächsten 12 Monate, was wiederum viel zu kurz ist für eine fundierte Beurteilung.
Eine andere und meiner Meinung nach durchaus interessante Kennzahl ist das sogenannte PEG Ratio (Price Earnings to Growth Ratio). Bekannt ist diese Kennzahl durch den legendären Ex-Fondsmanager Peter Lynch geworden. Hier wird das KGV nochmal in Relation zum Gewinnwachstum gesetzt, im Idealfall zum erwarteten Fünfjahreswachstum. Aber auch hier wird oft das vergangene Wachstum zur Berechnung herangezogen. Zumindest wird hier das Wachstum mitberücksichtigt. Das heißt, es sind hier Unternehmen mit unterschiedlichen Wachstumsraten besser miteinander vergleichbar als beim herkömmlichen KGV. Trotzdem ist auch diese Kennzahl noch eine starke Vereinfachung.
Also bitte nicht missverstehen. Die Tatsache, dass diese Bewertungskennzahlen starke Vereinfachungen sind, heißt nicht, dass man sie getrost vernachlässigen kann, aber man muss sich eben der Schwächen bewusst sein und wissen, wie diese Kennzahlen einzuordnen sind. Das heißt, wann ein höherer oder niedrigerer Wert gerechtfertigt sein könnte oder eben nicht.
Christoph Seeger: Absolut und die KGVs, die Kursgewinnverhältnisse, können wirklich drastisch unterschiedlich sein. Wann sind denn z.B. höhere KGVs gerechtfertigt?
Ivan Domjanic: In erster Linie natürlich, wenn das Wachstumspotential höher ist. Deshalb haben ja Wachstumstitel in der Regel höhere KGVs. Ist ja auch logisch, wenn ich erwarte, dass die Gewinne und Cashflows über die nächsten Jahre sehr stark ansteigen, dann bin ich normalerweise auch bereit einen höheren Preis zu bezahlen, als wenn ich von stagnierenden Gewinnen ausgehe.
Aber nicht nur das Wachstum ist wichtig, sondern auch die Stabilität der Gewinne und Cashflows, gerade auch in Krisenzeiten. Bei gleichem Wachstum bin ich normalerweise bereit einen höheren Preis für ein Unternehmen zu bezahlen, dessen Gewinne sehr stabil und auch in einer Rezession positiv sind als für ein Unternehmen, welches in Rezessionsphasen immer wieder hohe Verluste macht. Das Risiko ist bei stabilen Unternehmen einfach geringer und damit ist der faire Preis bzw. das KGV in der Regel höher.
Christoph Seeger: Hast du da ein Beispiel?
Ivan Domjanic: Ja, ein Unternehmen wie Coca-Cola beispielsweise hat ein sehr stabiles Geschäftsmodell, sehr stabile Cashflows. Auf der anderen Seite, Siemens dagegen ist eher zyklisch. Das heißt also, das kann man dann entsprechend auch in den KGVs erkennen. Also das KGV von Coca-Cola liegt derzeit bei 23, das von Siemens bei 12. Das heißt, die höhere Stabilität von Coca-Cola ist eben in der Bewertung bereits heute eingepreist, deshalb ist die Aktie entsprechend höher bewertet.
Ein weiterer wichtiger Faktor, der ein höheres KGV rechtfertigen kann, ist eine hohe Kapitalrendite bzw. Eigenkapitalrendite. Je höher die Kapitalrendite ist, desto schneller vermehrt sich das Kapital innerhalb des Unternehmens oder desto mehr kann das Unternehmen vom Gewinn an die Aktionäre ausschütten, weil weniger zurückbehalten und reinvestieren muss, z.B. in neue Produktionsanlagen. Der sogenannte Free Cashflow an die Aktionäre ist also höher. Unternehmen wie Microsoft oder Apple haben einfach unheimlich hohe Eigenkapitalrenditen. Die Unternehmen sind damit quasi Cashflow-Maschinen.
Wichtig ist einfach zu wissen, dass KGVs und auch andere Bewertungskennzahlen mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sind und dass man KGVs unterschiedlicher Unternehmen oft nicht so einfach miteinander vergleichen kann. Vor allem dann, wenn die Unternehmen sich in einigen Aspekten wie dem Wachstum, der Stabilität und der Kapitalrendite unterscheiden. Mehr Sinn kann es da machen, das KGV eines Unternehmens mit der eigenen Historie zu vergleichen, um zu sehen, wie das Unternehmen im Vergleich zur Vergangenheit aktuell bewertet ist. Aber auch hier muss man natürlich aufpassen, weil sich Unternehmen im Zeitverlauf sehr stark verändern können.
Christoph Seeger: Was ist denn deiner Meinung nach dann die beste Methode, eine Aktie zu bewerten?
Ivan Domjanic: Letztendlich führt aus meiner Sicht kein Weg an einer sauberen Discounted Cashflow Bewertung vorbei. Hier diskontiert man die zukünftigen Gewinne eines Unternehmens auf den heutigen Zeitpunkt ab. Das ist mathematisch betrachtet einfach die einzige wirklich alles Umfassende und korrekte Methode, um den heutigen Wert eines Unternehmens zu bestimmen.
Aber auch hier gibt es natürlich ein Problem und zwar, dass wir leider keine Glaskugel haben und nicht sicher wissen können, wie hoch die Cashflows in den nächsten Jahren sein werden, geschweige denn in 10 oder sogar 20 Jahren. Man muss also sehr viele Annahmen treffen, z.B. hinsichtlich des Umsatzwachstums und der Margen. Außerdem muss man auch Annahmen hinsichtlich des Diskontierungssatzes treffen. Und die meisten dieser Annahmen sind sehr subjektiv.
Erschwerend hinzu kommt, dass bereits kleinere Veränderungen dieser Stellschrauben, einen großen Unterschied in der Bewertung ausmachen können. Deshalb macht es aus meiner Sicht auch Sinn, unterschiedliche Szenarien mit unterschiedlichen Annahmen zu rechnen und eine Sicherheitsmarge einzubauen – also quasi einen Puffer – für den Fall, dass man doch ein wenig zu optimistisch war. Die Bewertung einer Aktie ist leider alles andere als einfach. Aber sonst wäre es ja auch langweilig.
Christoph Seeger: Langweilig ist es in der Tat nicht. Zum Abschluss noch eine Frage: Wie sieht für dich das perfekte Aktieninvestment aus?
Ivan Domjanic: Die perfekte Aktie wäre natürlich ein stabiles, hochprofitables Wachstumsunternehmen zu einem günstigen Preis. Das heißt also ein Unternehmen mit hohem Wachstum, stabilen Cashflows, einer hohen Kapitalrendite und mit einem integren und fähigen Management... und das Ganze natürlich zu einer günstigen Bewertung.
Christoph Seeger: Kommen solche Aktien in der Realität denn überhaupt vor oder ist das wirklich nur reines Wunschdenken?
Ivan Domjanic: Es ist zwar tatsächlich eher selten, aber gerade in Krisenzeiten, wenn Panik an den Märkten herrscht, kann man immer wieder hervorragende Unternehmen zu günstigen Kursen aufschnappen. Das ist aus psychologischer Sicht aber für die meisten leichter gesagt als getan.
Christoph Seeger: Ja, das ist ein schönes Schlusswort und wir schließen auch den Kreis. Wir sind ja auch mit der Psychologie mehr oder weniger eingestiegen, die an den Börsen so eine riesige Rolle spielt. Vielen Dank, lieber Ivan, für diese spannenden Insights heute in der Folge zu den Aktienmärkten. Unser erster gemeinsamer Podcast hat mir viel Freude gemacht.
Das war die vierte Folge der zweiten Staffel des M&G-Podcasts „Investment Business“. In der nächsten Episode sprechen Ivan und ich über den japanischen Aktienmarkt. Ein wichtiger Markt, der wieder auf die Agenda gerückt ist. Ich freue mich auf die Erkenntnisse in unserem nächsten Gespräch. Bis dahin, vielen Dank und alles Gute, Ivan.
Ivan Domjanic: Dir auch, Christoph. Und ich freue mich auch schon auf die nächste Folge.
Disclaimer:
Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten sollten nicht als Empfehlung, Beratung oder Prognose aufgefasst werden.
Das vorliegende Dokument richtet sich ausschließlich an professionelle Anleger und ist nicht zur Weitergabe bestimmt. Andere Personen sollten sich nicht auf die hierin enthaltenen Informationen verlassen.
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