Volkswirt Hans-Jörg Naumer
Aktienrente: Darum ist der Staat auf dem Holzweg
Aktualisiert am 20.03.2023 - 15:52 Uhr

Hans-Jörg Naumer leitet die Kapitalmarktanalyse bei Allianz Global Investors. Foto: Allianz Global Investors
In diesem Jahr soll die Aktienrente starten. Für die Vermögensbildung ist das Konzept jedoch ungeeignet, kritisiert Hans-Jörg Naumer von Allianz Global Investors.
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Jetzt kommt sie, die Aktienrente, etikettiert mit dem vielversprechenden Namen Generationenkapital. Wer sich an das ursprüngliche Ziel erinnert, weiß: Das Ziel war, dass 2 Prozentpunkte der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wahlweise in eine Kapitaldeckung hätten fließen sollen. Das klang nach dem Reiseziel „Schweden“. Angekommen sind wir jetzt aber in „Norwegen“. Geographisch ein kleiner, verteilungs- und ordnungspolitisch ein großer Unterschied.
„Norwegen“ steht für die Lösung mittels eines Staatsfonds, welcher das Geld ansammelt. Das ist sinnvoll, wenn man über Ölreserven verfügt und einen Wertspeicher für kommende Generationen braucht. Deutschland hat aber bekanntermaßen kein Öl, dafür aber Schulden. Werden die 10 Milliarden aus dem laufenden Staatshaushalt faktisch schuldenfinanziert, baut der Staat damit nicht nur (staatliche) Beteiligungen an privaten Unternehmen auf, sondern agiert zu Ende gedacht wie ein Hedgefonds, der seine eigene Bonität (niedrige Refinanzierungskosten per Schulden) gegen eine höher erwartete Kapitalmarktrendite hebelt. Anders das Beispiel aus Schweden: Hier sorgen die Bürger sogar zwangsweise per Fondssparen selbst vor, in dem sie 2,5 Prozent ihres beitragspflichtigen Einkommens in einen Aktienfonds investieren. Dabei ist das Angebot groß. Für alle, die sich nichts selbst heraussuchen wollen, bietet der Staat selbst einen Fonds an. Am Ende hat jeder selbst die Anteile in seinem Depot, baut also Vermögen auf.
So funktioniert ein Staatsfonds
Aus ordnungspolitischer Sicht ist das „Reiseziel“ nicht unerheblich. Neben der Problematik, als Hedgefonds zu agieren, erwirbt der Staatsfonds Eigentumsrechte an den Firmen, in welche er investiert, wenn diese auch von einer staatlichen Institution gehalten werden. 10 Milliarden als Anfangskapital mögen da wenig erscheinen, aber der Anfang ist gemacht. Der Ausbau auf 150 Milliarden in den nächsten Schritten ist fest im Blick. Von da aus kann es schnell weitergehen.
Nochmal Norwegen als Beispiel. Das Anlagevolumen des norwegischen Staatsfonds beläuft sich auf das rund zwölffache des norwegischen Aktienmarktes (gemessen am MSCI Norwegen). Sicher kann hier eingewandt werden, dass eine kluge Anlagestrategie ein deutlich größeres Anlageuniversum vorsehen sollte – also kaum zu erwarten ist, dass in Deutschland das „Generationenkapital“ hauptsächlich in deutschen Aktien aufgebaut wird. Auch der Norway Government Pension Fund Global investiert breit in den globalen Aktienmarkt. Das Ganze unterliegt aber einem politischen Prozess. Auch in Norwegen wurde in der jüngeren Vergangenheit diskutiert, ob nicht der Anteil norwegischer Firmen stärker gewichtet werden sollte. Das öffnet nicht nur der Industriepolitik Tür und Tor, sondern ermöglicht, bei entsprechenden Anteilsverhältnissen, die direkte Einflussnahme auf unternehmerische Entscheidungen und die Besetzung zum Beispiel von Aufsichtsratsmandaten. Ganz am Ende schimmert der „shareholder socialism“ (Giacomo Corneo) durch, eine Form des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Was unvereinbar mit den Ordnungsprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft ist. Der Staat als – zumindest teilweiser – Eigentümer von Firmen.
Auch ist ein Staatsfonds immer eine Einladung, im öffentlichen Besitz befindliche Firmen darüber an den Kapitalmarkt zu bringen, ohne die Frage nach der Rendite für den Anleger stellen zu müssen. Oder sich daraus selbst zu bedienen. Anders sieht es aus, wenn die Bürger selbst Kapital für das Alter aufbauen können, um dann auch über die Eigentumsrechte zu verfügen. Der Souverän wird mittels Eigentumsaufbaus gestärkt, die Ungleichheit verringert. Investmentfonds als Vehikel bedeuten auch gleichzeitig Wettbewerb der Anbieter, die sich nicht nur gegenüber dem staatlichen Angebot messen müssen, sondern auch untereinander.
Warum die Aktienrente die falsche Lösung ist
Die Betrachtung zeigt, dass die Aktienrente in dieser Form ordnungspolitisch ein Irrweg und von Seiten der Vermögensbildungspolitik ein Verstärker von Ungleichheit ist. Sie ist eine vertane Chance für die Vermögensbildung. Die Ungleicheit kommt doch unter anderem auch daher, dass die Rentenansprüche nicht kapitalisiert den Vermögen zugerechnet werden, während zum Beispiel Selbständige für das Alter zwangsläufig selbst Kapital ansparen müssen.
Wer den Souverän stärken und die Ungleichheit verringern will, muss den Kapitalaufbau in privater Hand fördern. Das wäre dann wirklich „Generationenkapital“ statt Kapital für den Staat.
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