Gespräch: Daniel Reitz über Vollsortimenter-Vorteile »Aktiv und passiv passen wunderbar zusammen«
DAS INVESTMENT: Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen für Anleger?
Daniel Reitz: Für alle Investorengruppen sind weiterhin die niedrigen Zinsen zu nennen – trotz der Zinsänderungstendenzen, die sich abzeichnen. Letztere könnten aber speziell für Renten-Anleger in näherer Zukunft zusätzliche Probleme bereithalten. Und es meldet sich die Inflation zurück: Das Thema hatte lange keine Rolle mehr gespielt. Das alles sorgt für mehr Unsicherheiten und potenziell stärkere Marktbewegungen. Aber man kann mit geeigneten Strategien auch von der gegenwärtigen Situation profitieren.
Sie spielen darauf an, dass man Kursschwankungen auch strategisch nutzen kann.
Reitz: Genau. Amundi ist ein Vorreiter bei den sogenannten Volatilitätsstrategien. Diese haben den Vorteil, nicht mit anderen Assetklassen oder Investitionskonzepten korreliert zu sein. Ein Beispiel: Nach der Trump-Wahl hätte man anderes erwartet, aber die Volatilität ging stark zurück, da die Aktienkurse stark anzogen. Wir haben uns vor diesem Hintergrund etwa mit dem Amundi Funds Absolute Volatility World Equities bei der Volatilität long positioniert: Stiege sie künftig um 1 Prozent, würde unser Produkt derzeit 1,7 Prozent verdienen. Das zeigt: Man kann also über Vola-Strategien nicht nur von positiver Rendite profitieren, sondern ist auch für den Fall einer deutlichen Korrektur am Markt gut gewappnet.
Sind die Erwartungen der Anleger bezüglich der Renditechancen heute realistischer als vor vier, fünf Jahren?
Reitz: Ich denke, ja. Die Renditeerwartungen sind angesichts des aktuellen Marktumfelds deutlich gesunken. Die klassischen 4 Prozent plus x, die vor wenigen Jahren an der Tagesordnung waren, werden so nicht mehr gefordert. Der Privatkundenbereich hat hier mit entsprechender Zeitverzögerung nachgezogen.
Amundi verfügt über spezialisierte Asset-Management-Töchter, unterhält aber auch Kooperationen wie die mit First Eagle. Was ist der Hintergrund für diese Doppelstrategie?
Reitz: Als Europas größte Fondsgesellschaft bringen wir eine enorme Breite und Tiefe beim Angebot mit. Wenn wir allerdings eine spezielle Nachfrage am Markt identifiziert haben, die wir auf Sicht nicht mit unseren eigenen Kapazitäten abdecken können oder wollen, gehen wir auch Kooperationen ein. Voraussetzung ist, dass potenzielle Partner entsprechende Erfahrung und einen sehr guten Track-Record mitbringen. Wie zum Beispiel First Eagle: Die Gesellschaft hat eine lange Historie und ist in den USA sehr bekannt, will aber in Europa und Asien keinen eigenen Vertrieb aufbauen. So profitieren unsere Fondsanleger von externer Asset-Management-Kompetenz, First Eagle wiederum nutzt unser großes Vertriebsnetz in über 30 Ländern. Eine ähnliche Kooperation unterhalten wir unter anderem mit der State Bank of India in Asien.
Die Zinswende in den USA ist bereits angeklungen. Welche konkreten Schlussfolgerungen ergeben sich für mögliche Marktpotenziale?
Reitz: Das Renditedifferenzial zwischen USA und Europa hat sich bereits deutlich vergrößert. Der US-Dollar ist aus Euro-Sicht stark gestiegen, so wird das Thema Währungen für Euro-Investoren noch wichtiger. Zudem sind die US-Aktienmärkte bereits sehr gut gelaufen. Ein solches Szenario ist erfahrungsgemäß negativ korreliert, doch war zwischen den steigenden Zinsen, den steigenden Aktienmärkten und dem steigenden Dollar die Korrelation zuletzt sehr hoch. Und hier wurde aus unserer Sicht schon viel vom Potenzial abgerufen. Deswegen bietet unseres Erachtens Europa sowohl auf der Fixed-Income- als auch auf der Aktienseite jetzt mehr Potenzial. Das einzige, was bei europäischen Aktien noch eine gewisse Vorsicht anraten lässt, ist der politische Faktor, da europaweit in diesem Jahr diverse Wahlen anstehen. Last but not least sollte es mit der Zinswende auch wieder mehr Potenzial für den Emerging-Markets-Debt-Bereich geben – sofern der Dollar und die Zinsen nur noch gemäßigt steigen.
Durch die politisch bestimmte Zinssituation zieht sich auch für viele institutionelle Investoren wie etwa Versicherungen die Schlinge zu. Wertsicherungsfonds Ihres Hauses wie der Protect 90 versprechen hier Abhilfe. Wie sieht die Nachfrage nach dem Konzept aus?
Reitz: Wir verzeichnen in Europa und auch in Deutschland sehr großes Interesse. Denn unser Protect-90-Konzept bietet eine Multi-Asset-Lösung mit einer 90-Prozent-Höchstandswertsicherung an. Wichtig ist dabei: Es handelt sich um kein traditionelles CPPI-Modell, sondern weist drei wesentliche Unterschiede auf. Erstens ist dies die diskretionäre Verwendung des Risikobudgets. Zweitens handelt es sich um ein Multi-Asset-Investment. Zum Dritten ist die Garantie auf die Wertsicherung zu nennen. Wir sind immer im Markt investiert und fahren je nach Bedarf eine offensivere oder defensivere Strategie, die aber immer sehr breit gestreut ist. Zusätzlich geben wir eine Kapitalgarantie. Amundi hat dieses Konzept schon vor mehr als 15 Jahren entwickelt – es wird unter anderem von französischen Pensionsfonds genutzt. Wir kommen ja aus dem institutionellen Bereich und sind Partner der wichtigsten Banken in Frankreich. Im vergangenen Jahr ist Amundi weitere strategische Partnerschaften mit Banken und Versicherungen eingegangen, wo unser Protect-90-Konzept Einzug halten sollte.
Wir haben bislang über Ihre aktiven Managementansätze gesprochen. Amundi bietet darüber hinaus aber auch passives Management über ETFs. Verträgt sich das miteinander?
Reitz: Ja, sehr gut. Aktives und passives Management unter einem Dach passen wunderbar zusammen. Ich glaube, es wäre der falsche Ansatz, einen Kunden davon überzeugen zu wollen, dass das eine generell besser als das andere sei. Nehmen Sie die professionellen Investoren: Dort gibt es einen Teil, der mehr an aktives Management glaubt, und einen Teil, der fast nur noch passiv managen lässt. Und es gibt den Großteil, der beides nutzt – je nachdem, wo er den entsprechenden Mehrwert sieht. Es gab Marktphasen, in denen der US-Aktienmarkt zu 90 Prozent passiv abgedeckt werden konnte. Das hat sich in den letzten Jahren wieder verändert, weil einige aktive Ansätze deutlich nach vorn gekommen sind. Aktiv oder passiv, jeder Bereich hat seinen Stellenwert. Darum bieten wir auch beides an.
Daniel Reitz: Der 42-Jährige ist seit Juni 2016 Head of Distribution bei Amundi in Deutschland. Nach Jahren als Vertriebsleiter für das Großkundengeschäft war er bei Fidelity zuletzt als Markt- und Produktchef für die Produktstrategie und die Geschäftsentwicklung verantwortlich.