Interview mit Seth Bernstein „We prefer to eat“ - Das ist die Zukunft von Alliance Bernstein
DAS INVESTMENT: Zum Warmwerden ein paar persönliche Fragen. Die erste wurde Ihnen bestimmt noch nie gestellt: Seth Bernstein, sind Sie CEO Ihres Familienunternehmens?
Seth Bernstein: Das wurde ich noch nie gefragt. Ich wünschte, ich könnte Ja sagen. Aber ich muss leider verneinen. Der Gründer der Firma hatte jedoch seinen Bruder mit im Unternehmen. Die mochten sich nicht besonders und ich glaube, er hat drei Mal versucht, den Bruder zu kündigen. Das hat nicht geklappt. Nun haben wir Vorschriften, keinen Familienangehörigen mehr einzustellen.
Wie sind Sie durch ihr Studium gekommen?
Bernstein: Ganz vorsichtig und bedächtig. Ich habe mich nicht beeilt.
Reich geboren oder hatten Sie einige Studenten-Jobs?
Bernstein: Ach du meine Güte. Ich hatte viele Jobs. In der Schulzeit war ich mal Lagerarbeiter in einem Spielzeugladen. Weihnachten haben wir da was getrunken und ich hab mit Kumpels versucht, mit Lego das Chrysler-Building zu bauen. Dazu haben wir Packungen und Geschenke aufgerissen. Es gab richtig Stress und ich musste alle aufgerissenen Packungen von meinem Gehalt bezahlen.
Wie sah das Gebäude aus?
Bernstein: Richtig schlecht.
Welches Buch müssen Sie noch schreiben?
Bernstein: Einen Ratgeber. „Wie werde ich erwachsen“.
Wenn Sie einen Co-Autoren brauchen, ich wäre dabei. Lassen Sie uns über Ihre Rolle bei AB und die Zukunft des Asset Managements sprechen. AB verwaltet rund 676 Milliarden US-Dollar. Damit sind Sie nicht unter den weltweiten Top 20. Sie sind auch keine kleine Fondsboutique. Sie sind „stuck in the middle“ und da heißt es schnell fressen oder gefressen werden.
Bernstein: Ich fresse lieber und ich teile Ihre Einschätzung nur punktuell.
Aber ihr Appetit ist nicht groß. Eine große Übernahme lehnen Sie ab.
Bernstein: Ich sehe darin keine wirklichen Synergien. Ein Merger zwischen ähnlich großen Unternehmen ist sehr teuer und kompliziert. Und auch selten erfolgreich. Bis alles sauber läuft, vergeht unglaublich viel Zeit. Das ist nicht meine Strategie. Und es funktioniert auch im Markt nicht oft. Ich habe schon viele große Häuser mit Problemen gesehen. Und nun kommen Sie: Nennen Sie mir doch mal erfolgreiche Zusammenschlüsse großer Asset Manager? Ich kenne keinen.
Im Klein-Klein sind Sie gut. WP Stewart wurde bei 2 Milliarden US-Dollar Assets übernommen und heute sind es?
Bernstein: Über 20 Milliarden. Mit CPH Capital in Kopenhagen haben wir einen vergleichbaren Erfolg und die Mannschaft sehr gut bei uns integrieren können. Da sind es mittlerweile 25 Milliarden in Global Core Equities geworden. Vor kurzem haben wir mit CarVal in Minneapolis eine weitere spannende Boutique übernommen, mit denen wir große Wachstumsziele haben.
Ist es schwierig, solche Übernahmeziele zu finden?
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Bernstein: Ja, sehr schwierig, aber aus ganz einfachen Gründen. Solche Unternehmen sind sehr erfolgreich in ihrer Nische und unglaublich profitabel. Es gibt also keine wirkliche Notwendigkeit für diese Boutiquen, auf Brautschau zu gehen. Vielfach sind es zudem inhabergeführte Unternehmen, die an die Kinder oder Kollegen übertragen werden sollen. Also bleibt man da eher in einem privaten Umfeld.
Wie sieht Ihre Wachstumsstory denn aus?
Bernstein: Wir übernehmen demnächst ein Schwellenländer-Team, Nebenwerte-Teams sind ebenso interessant und ich stehe in Verhandlungen mit einem Aktien-Team für chinesische Equities. Aber: Ich habe keine Wachstumsziel, das mir vorschreibt, welche Höhe an Assets ich zu welcher Zeit erreichen soll. Unser Wachstum wird durch unsere Outperformance erreicht, also durch organisches Wachstum.
Nun kommen aktiv verwaltete ETFs dazu. Wie passen die?
Bernstein: Das ist fast eine nationale US-Sache: In den USA werden vermögensverwaltende Strategien immer gefragter. Aktive ETFs sind ja vor allem ein Wrapper und eignen sich sehr gut, um bestimmte Strategien darin abzubilden. Dazu kommt: Sie sind steuerlich vorteilhafter und kosten meist weniger.
Auf der Ertragsseite wird es mit ETF eher dünner?
Bernstein: Wir reden über den US-Markt: Dort stehen Erträge schon seit Jahrzehnten unter Druck. Outflows kommen dazu. Seit der Finanzkrise verlieren aktive Fonds gegenüber ETFs und das wird auch so bleiben. In den USA geht es jetzt weniger um Erträge als um eine gewisse Marge und um eine nachhaltige Outperformance. Wer die hinbekommt, wird am Ende der Sieger sein.
Ordnen Sie uns diese Entwicklung mal global ein.
Bernstein: Die USA sind am weitesten. Europa folgt langsam und ist gut zwei, drei Jahre hinterher. Asien ist noch ganz am Anfang dieser Transformation. Weltweit wird der Trend jedoch zum passiven Investieren gehen. Und ich bin ganz ehrlich: Ich fühle mich mit 676 Milliarden US-Dollar und echten Spezialisten, denen einen nachhaltige Outperformance gelingt, sehr wohl. Wir sind da, wo wir sind, weil wir unseren Job gut machen.
Lassen Sie uns in die Nische der Alternatives gehen. Wie stehen Sie denen gegenüber?
Bernstein: Der Bereich ist sehr interessant für uns und da gibt es Spezialisten wie CarVal, den wir 2022 übernommen haben. Das ist ein Private-Credit-Manager, der sich mit seinem Angebot aber vor allem an unsere institutionellen Kunden richtet.
Werden Sie dieses Geschäft auch für den Wholesale- und Retailmarkt ausbauen?
Bernstein: Da bin ich zurückhaltend, weil ich die Demokratisierung der Private Assets sehr kritisch sehe. Die großen Private-Equity-Gesellschaften drängen auf den Privatanlegermarkt und man weiß nicht, was genau in den verbrieften Papieren und Notes liegt, die da verkauft wurden. Das ist ein Problem. Die Handelbarkeit und Liquidität sind für Privatanleger ebenfalls nicht optimal. Privatanleger kennen keine Haltdauer. Diese Papiere sind nicht handelbar, laufen Jahre und das sind diese Anleger nicht gewohnt. Die haben dafür nicht das Mindset.
Die nächste Krise wird einen Liquiditätskrise sein?
Bernstein: Davon gehe ich aus. Es ist aber nicht die Liquidität des Investments, sondern die gefühlte Liquidität der Investoren. Die kommen nicht an ihr Kapital, wenn sie es dringend brauchen. Daher müssen sie andere Assets verkaufen. Das ist der Denominator-Effekt. Institutionelle Anleger kennen dieses Thema. Für Privatanleger ist das völlig neu und das könnte zu Problemen führen.