Nach Ampel-Aus Verbände befürchten Hängepartie bei Altersvorsorge-Reform
Das Ende der Ampel-Regierung ist besiegelt. Viele fragen sich, was jetzt aus den offenen Reformvorhaben wird. Zumindest die Stabilisierung der gesetzlichen Rente will Bundeskanzler Olaf Scholz bis Weihnachten zur Abstimmung bringen, ist aber dafür auf Stimmen aus der Opposition angewiesen. Die Reform der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge, für die unlängst der Gesetzentwurf präsentiert wurde, scheint dagegen akut gefährdet. Eine schlechte Nachricht für die Versicherungswirtschaft und ihre tragenden Verbände. Das zeigt eine aktuelle Umfrage von DAS INVESTMENT.
GDV setzt auf neuen Entwurf mit anderem Inhalt
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) glaubt nicht an eine Umsetzung vor den angekündigten Neuwahlen. Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen lässt sich wie folgt zitieren: „Ich gehe davon aus, dass die Reform der privaten Altersvorsorge in dieser Legislatur nicht mehr erfolgen wird. Wir Versicherer werden uns auch bei der nächsten Bundesregierung für eine privatwirtschaftliche Lösung einsetzen, die mehr Freiheiten bei der Kapitalanlage, höhere Renditen und eine sichere lebenslange Rente in der geförderten privaten Altersvorsorge bietet.“ Der GDV hatte an den Plänen von Finanzminister Lindner und dem später bekanntgewordenen Gesetzesentwurf ursprünglich deutliche Kritik geübt, vor allem an den bis auf ein Lebensalter von 85 Jahren begrenzten Auszahlplänen.
Versicherer betonen Bedeutung der lebenslangen Rente
Dieser Kritik schließen sich auch viele Versicherungsunternehmen an. Auf Nachfrage von DAS INVESTMENT sagt ein Sprecher der Talanx-Gruppe: „Aus unserer Sicht gibt es weitreichende Weichenstellungen im aktuellen Gesetzesvorhaben, die noch einmal überdacht werden sollten. Hierzu zählen zum Beispiel die Optionen eines völligen Verzichts von Garantien in der geförderten privaten Altersvorsorge und die Abkehr von einer lebenslangen Rente. Beide Punkte bedürfen einer gewissenhaften sozialpolitischen Abwägung, die nun nicht (mehr) im Eilverfahren durchgepeitscht werden sollten.“ Auch von der R+V heißt es, dass die lebenslange Rente Bestandteil einer Reform sein sollte, um die Lücke in der gesetzlichen Rente zu minimieren.
AfW glaubt an Neuanfang unter CDU geführter Regierung
Bei den Vermittlerverbänden ist die Zustimmung zu den Plänen des Finanzministeriums grundsätzlich etwas höher, die Bewertung der Umsetzungschancen fällt dennoch ähnlich aus. Mit Blick insbesondere auf das geplante Altersvorsorgedepot sieht der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung die aktuellen Entwicklungen nach eigener Aussage mit Sorge. Der vorgelegte Referentenentwurf habe eine echte Chance für eine notwendige Verbesserung der Rahmenbedingungen für die private Altersvorsorge geboten. Jetzt stünde die Umsetzung aber infrage. „Sollte die aktuelle Regierung nicht mehr in der Lage sein, die Reform auf den Weg zu bringen, wäre es wünschenswert, dass die kommende Regierung dieses Thema prioritär behandelt und einen neuen Anlauf unternimmt“, sagt Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW.
Hallo, Herr Kaiser!
Er verweist in seinem Statement auf einen Auftritt von Carsten Brodesser, CDU-Mitglied im Bundestag-Finanzausschuss, auf dem gestrigen AfW-Hauptstadtgipfel in Berlin. Dieser hätte dort große Sympathie für den Gesetzesentwurf gezeigt. Wirth: „Dies lässt hoffen, dass eine voraussichtlich CDU-geführte Regierung schnell und überlegt handeln wird, um die Reform der geförderten privaten Altersvorsorge voranzutreiben.“ Der SPD wird dies weniger zugetraut. Laut des AfW hat Scholz als Finanzminister in der letzten Legislaturperiode die notwendige Riester-Reform blockiert.
BVK sieht weitere Unsicherheiten für Vermittler
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) sieht durch den Bruch der Ampel-Regierung die Interessenwahrung der Vermittlerschaft in einer kritischen Lage. Man sei sehr skeptisch, ob der Plan von Bundeskanzler Scholz funktionieren wird, mit einer Minderheitsregierung die noch ausstehenden Gesetzesvorhaben, wie die Reform der geförderten privaten Altersvorsorge, bis Jahresende im Bundestag zu verabschieden.
BVK-Präsident Michael H. Heinz sagt: „Es wäre natürlich besser, wenn das pAV-Reformgesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden könnte. Der BVK begrüßt grundsätzlich diesen Gesetzentwurf und brachte dazu einige Änderungsvorschläge ein. Immerhin drängt schon seit Jahren die Reform der privaten Altersvorsorge und wurde auch von den vormaligen Bundesregierungen immer wieder verschleppt.“
Unsicherheiten befürchtet der Interessenverband auch hinsichtlich der Interimsbesetzung des Bundesfinanzministeriums vor dem Hintergrund der anstehenden Trilog-Verhandlungen zur EU-Kleinanlegerstrategie sowie der Neubesetzung der EU-Finanzkommissarin. „Im Hinblick auf die Diskussion zu Provisionsbeschränkungen könnte diese Konstellation in den nächsten Monaten eine Zitterpartie für die Vermittlerschaft in Deutschland bedeuten“, so Heinz.
Votum: Vorerst keine neuen renditestarken Produkte für die pAV
Für den Vermittlerverband Votum ist das Thema Altersvorsorgedepot zu eng mit dem Namen Christian Lindner verbunden, als dass die Umsetzung des Gesetzgebungsverfahrens jetzt noch möglich wäre. Votum erwartet nicht, dass das Gesetz zu den Prioritäten der noch im Amt befindlichen Minderheitsregierung gehört.
Der geschäftsführende Vorstand Martin Klein sagt: „Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass, wie vorgesehen, im Jahr 2026 neue renditestärkere Produkte für die geförderte private Altersvorsorge zur Verfügung stehen und wir gehen davon aus, dass sich die Vermittler auf die bestehende Produktwelt aus bAV, Riester- und Basisrente in den Jahren 2025 und 2026 beschränken werden müssen.“