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Amundi zu den Frankreich-Turbulenzen Reformvorhaben unter Druck

Tristan Perrier, leitender Volkswirt bei Amundi

Die französischen Gelbwesten haben Emmanuel Macron mit ihrem teils gewalttätigen Protest gegen seine Reformvorhaben unter Druck gesetzt. Seine nun angekündigten Zugeständnisse – wie die Anhebung des Mindestlohns und das Aussetzen der geplanten Steuererhöhung für Benzin und Diesel – kosten den französischen Staat nach eigener Schätzung bis zu zehn Milliarden Euro.

Nach unserer Einschätzung werden die Proteste das Wirtschaftswachstum Frankreichs deshalb leicht beeinträchtigen, was auf zwei gegenläufige Effekte zurückzuführen ist: Auf der einen Seite gibt es durch Macrons Zugeständnisse an die Gelbwesten-Bewegung einen fiskalischen Stimulus. Dadurch dürfte das Defizit Frankreichs auch im nächsten Jahr deutlich über 3 Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt) liegen, bevor es ab 2020 sinken könnte. Auf der anderen Seite hat das Vertrauen von Unternehmen und Investoren Schaden genommen. Insgesamt haben wir daher unsere Prognose für das reale Wachstum des französischen BIP 2019 von 1,5 Prozent auf 1,4 Prozent gesenkt.

Finanzstandort Paris in Gefahr

Eine der Kernforderungen der Gelbwesten, die die Finanzindustrie getroffen hätte, hat die französische Regierung bislang nicht erfüllt: Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer auf Finanzanlagen, die 2017 von Macron gestrichen worden war. Möglich ist allerdings, dass zukünftig weniger Ressourcen für den Ausbau des Finanzstandortes Paris zur Verfügung stehen werden, da der Präsident den kleineren Städten mehr Aufmerksamkeit schenken muss. Wachsender Zweifel an der Reformdynamik Frankreichs könnte zudem das Interesse internationaler Finanzhäuser ausbremsen, ihren Standort in Paris auszubauen oder dorthin zu verlagern – insbesondere vor dem Hintergrund des Brexit.

Der französische Einzelhandel ist von den Demonstrationen am stärksten betroffen. Viele Handels- und Luxusmarken mussten ihre Geschäfte am dritten Protestsamstag und damit kurz vor der Weihnachtszeit schließen, und auch die Einkaufszentren wurden an den letzten Wochenenden deutlich schwächer besucht. Darüber hinaus leidet der Autoverkehr, da bei Ausschreitungen mehrere Mautstellen blockiert und beschädigt wurden. In den letzten sechs Wochen dieses Jahres geht der Verkehr nach unserer Schätzung deshalb um 15 Prozent im Vergleich zu „normalen“ Jahren zurück.

Aktienmarkt lebt vom Vertrauen der Verbraucher

In den kommenden Monaten wird die Entwicklung des französischen Aktienmarktes zu einem großen Teil vom Verbrauchervertrauen abhängen, das bislang durchaus positiv war. Die nun angekündigten Maßnahmen werden diesen Trend voraussichtlich weiter stärken, denn Frankreich senkt die Steuern und gibt Geld für wachstumsfördernde Reformen auf der Angebotsseite aus. Nach unserer Einschätzung wird die Kaufkraft 2019 das stärkste Wachstum seit der Finanzkrise verzeichnen und im Jahresvergleich sehr wahrscheinlich über 2 Prozent liegen. Aber der Markt wird jetzt Macrons Fähigkeit, zusätzliche wachstumsfördernde Reformen durchzusetzen, in Frage stellen.

Um diese neue Marktdynamik auszunutzen, sollten Anleger bei französischen Aktienwerten äußerst selektiv vorgehen. Aktuell halten wir es noch für zu früh und zu riskant, wieder Positionen bei Unternehmen aus dem Lebensmittelhandel aufzubauen. Bei den Einzelhandelstiteln sollten Anleger Unternehmen mit mehreren Vertriebswegen bevorzugen, da diese weniger stark von den Protesten betroffen sind. Chancen sehen wir auch bei Luxusmarken, die entweder von ihrer Anziehungskraft in Asien profitieren oder die nachhaltige Wachstumsstrategien umgesetzt haben, beispielsweise durch M&A-Aktivitäten („Mergers & Acquisitions“; Fusionen und Unternehmenskäufe). Daneben halten wir die Luftfahrtbranche für interessant, da diese von hohen Gewinnen und vom allgemein günstigen Umfeld profitiert.

Keine Systemkrise in der Eurozone in Sicht

Obwohl es sich um ein nationales Phänomen handelt, bringen die Gelbwesten die traditionellen Parteien auch auf europapolitischer Ebene wieder stärker unter Druck – das Ausmaß wird sich wohl bei den Europawahlen im Mai 2019 zeigen. Frankreich war seit 2017 im Vergleich zu den Nachbarländern von politischer Agitation relativ verschont geblieben. Nun ist die Situation viel weniger komfortabel, und die französische Regierung wird weniger Schwung und weniger Legitimität haben, um ihre Agenda zur Stärkung der Institutionen der Eurozone voranzutreiben. Da die Finanzmärkte zunehmend von politischen Themen beeinflusst werden, dürfte dies 2019 für stärkere Kursschwankungen sorgen, zumal sich die Anleger weiter Sorgen um eine Verlangsamung der globalen Konjunktur machen.

Zurzeit ist das wirtschaftliche Umfeld allerdings immer noch positiv, und Emmanuel Macron verfügt über eine sehr komfortable Mehrheit in der Nationalversammlung, während die Opposition schwach und gespalten ist. Wir gehen deshalb von einer Deeskalation der aktuellen Krise aus; auch sehen wir in Frankreich oder den Nachbarländern keine Anzeichen für eine mögliche Systemkrise der Eurozone im kommenden Jahr.

Fazit: Niedrige Bewertungen sorgen für Einstiegschancen

Derzeit preist der Markt ein sehr negatives Szenario ein. Falls sich die politischen Risiken stabilisieren, kann das Anlegern im nächsten Jahr Chancen eröffnen, denn die Auswahl an Aktien mit günstigen Bewertungen und einem angemessenen Gewinnwachstum ist wieder größer geworden.

Soweit nicht anders angegeben, beruhen die hier enthaltenen Ansichten auf Recherchen, Berechnungen und Informationen von Amundi Asset Management und haben den Stand 13.12.2018. Diese Ansichten können sich jederzeit ändern, abhängig von wirtschaftlichen und anderen Rahmenbedingungen. Es gibt keine Gewähr, dass sich Länder, Märkte oder Branchen wie erwartet entwickeln werden. Diese Veröffentlichung ist kein Verkaufsprospekt und stellt kein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Anteilen in Ländern dar, in denen ein solches Angebot nicht rechtmäßig wäre. Außerdem stellt diese Veröffentlichung kein solches Angebot an Personen dar, an die es nach der jeweils anwendbaren Gesetzgebung nicht abgegeben werden darf. Amundi Deutschland GmbH ist ein Unternehmen der Amundi Gruppe.

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