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Analyse Brexit: Schock, aber kein Zusammenbruch

Philippe Uzan, CIO von Edmond de Rothschild Asset Management (France)
Philippe Uzan, CIO von Edmond de Rothschild Asset Management (France)
Wenn man über kurzfristige Marktreaktionen hinausblickt, verursacht Großbritanniens Votum, die Europäische Union (EU) in diesem ohnehin schon durch große Vorsicht geprägten Umfeld zu verlassen, neue und anhaltende Unsicherheit. Wird der Brexit globale Konjunkturtrends beeinträchtigen? Die Risiken sind real und vielfältig, aber schwer zu beurteilen.

Das weltweit langsame Wachstum hat bislang Deflationsängste geschürt. Eine mögliche Deflation stellt in Kontinentaleuropa immer noch eine Gefahr dar. Abgesehen von Japan sieht die Situation in der übrigen Welt aber ganz anders aus. In den USA sind die Preise (ohne Lebensmittel und Energie) zum Beispiel überraschenderweise stärker gestiegen als erwartet.

Das derzeit schwache Wachstum ist in gleichem Maße auf eine Korrektur der übermäßigen Verschuldung in den Schwellenländern und die nachlassende Nachfrage Chinas nach landwirtschaftlichen und industriellen Rohstoffen aus diesen Ländern zurückzuführen. Wegen einer drastischen Angebotszunahme sind nicht nur die Exportmengen zurückgegangen, sondern auch die Preise.

Folgen des Brexits schwer abzuschätzen

Wegen des Brexit-Votums dürfte die derzeit in vielen Ländern herrschende wirtschaftliche Misere andauern und sich auf kurze Sicht sogar noch verschlimmern. Zurückhaltende Erwartungen spiegeln diese schwierige Lage trotz gewisser Anzeichen für eine Verbesserung wider. Vor allem die Verbraucher in den Industrieländern – einschließlich Europa und besonders Deutschland – haben die Wirtschaft kräftig unterstützt. Die weniger restriktive Haushaltspolitik ist hierbei genauso bemerkenswert wie die Entwicklung der Konsumausgaben. Und ungeachtet bedeutender Fortschritte bei der Kontrolle der öffentlichen Ausgaben in den USA und in Europa herrscht eine nicht mehr ganz so strenge Haushaltsdisziplin.

Auch wenn die Risiken gerade zugenommen haben, lässt sich noch nicht abschätzen, wie ernst die Folgen des Brexits sein könnten. Die genauen Bedingungen des EU-Austritts werden einige dieser Risiken beeinflussen. Ein Großteil von diesen rührt allerdings daher, wie die wirtschaftlichen Akteure die Situation sehen. Wie das Referendum in Großbritannien gezeigt hat, werden persönliche Entscheidungen durch emotionale Faktoren beeinflusst, die schwer vorherzusagen sind. Wird beispielsweise die Stimmung unter den europäischen Haushalten, die im Wesentlichen von den Bedingungen im eigenen Land abhängt, durch den EU-Austritt Großbritanniens beeinflusst, obwohl sich die Lage am Arbeitsmarkt verbessert? Der Brexit ist unbestritten ein Einschnitt. Er vollzieht sich aber vor einem Hintergrund, der einer eigenen inneren Logik folgt. Es wäre folglich falsch, dies außer Acht zu lassen, indem man sich eine zu negative Sicht zu Eigen macht.

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