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Künstliche Intelligenz wird zum Produktivitätsbooster

Jetzt hat auch Elon Musk seinen Hut in den Ring geworfen. Der Chef des E-Auto-Pioniers Tesla kündigte an, mit xAI eine eigene Firma zur Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) aufbauen zu wollen. Ob sich xAI ebenfalls mit der derzeit medial stark gehypten generativen Künstlichen Intelligenz befassen wird, oder ob der Fokus künftig auf „explainable AI“ zur Erklärung von Modellen und Sachverhalten liegt, ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht klar.
Die Vorstellung von Chat GPT im November vergangenen Jahres hat jedenfalls der generativen KI noch einmal einen zusätzlichen Schub verliehen. Dabei handelt es sich um eine Form der KI, die neue Inhalte wie Texte, Gespräche, aber auch Bilder oder Musik generiert. Musk war übrigens früher einmal an OpenAI, dem Entwickler von Chat GPT, beteiligt gewesen, ist später dann aber im Streit ausgeschieden.
Unabhängig davon, ob es Musk mit xAI ernst meint oder ob es sich mehr um einen Marketing-Gag handelt: KI mit all ihren Facetten verfügt über das Potenzial, die Welt derart zu verändern, wie es einst das Internet geschafft hat. Ohne Frage handelt es sich um einen weiteren Meilenstein der digitalen Innovation, der auf Sicht die Möglichkeit bietet, Produktivität, Effizienz und Qualität deutlich zu steigern und gleichzeitig Kosten zu senken. Dadurch ergeben sich interessante Investmentchancen bei Unternehmen aus den Bereichen KI-Infrastruktur und -Services, Cyber Security, aber auch bei Halbleiterproduzenten und -ausrüstern.
Während die ersten KI-Modelle bereits bei der Erstellung von Vorhersagen hilfreich waren, besteht die Besonderheit der generativen KI darin, dass sie ihre eigenen Antworten generiert, die allerdings nicht unbedingt immer richtig sind. Die Algorithmen produzieren ihren Output aus einer riesigen Menge von Daten, mit denen sie trainiert wurden. Dabei spielen Wahrscheinlichkeiten eine entscheidende Rolle.
Gestiegene Rechnerleistung brachte den Durchbruch für generative KI
Die Industrie arbeitet schon seit Jahren an generativen Modellen. Doch erst jetzt gelang es durch die Verbindung zahlreicher Computer über die Cloud und der Erhöhung von Rechenkapazitäten, sehr viel größere Datenmengen als früher verarbeiten zu können, was diesen Quantensprung erst ermöglichte.
Neben ChatGPT gibt es weitere generative KIs, beispielsweise von Google, Baidu oder Stable Diffusion. Weitere Chatbots werden folgen. Generative KI kann zeitintensive Geschäftsprozesse rationalisieren und dadurch die Produktivität substanziell steigen sowie gleichzeitig die Kosten senken.
Ein Beispiel: Im Gesundheitswesen werden bereits generative KI-Modelle eingesetzt, um die Zeiträume für die Entdeckung von neuen Wirkstoffen zu verkürzen und die Fehlerquote zu senken. Die Entwicklung und Testung neuer Medikamente ist in der Regel sehr teuer und kann mehr als zehn Jahre dauern. Dennoch schaffen es mehr als 90 Prozent der in der Entwicklung befindlichen Medikamente nicht auf den Markt. Generative KI kann bereits in sehr frühen Entwicklungsphasen Fehlentwicklungen aufdecken und damit viel Zeit sowie Geld sparen. Gleichzeitig kann der Umfang der auszuwertenden Daten dazu beitragen, die Wirksamkeit und Qualität der Medikamente zu steigern.
Aber auch Firmen aus ganz anderen Bereichen, wie die Unternehmensberatung PwC oder der Online-Modehändler Zalando, entwickeln ihre Geschäftsmodelle mit generativer KI weiter. Das Forschungs- und Beratungsunternehmen Gartner geht davon aus, dass in zwei Jahren 30 Prozent der gesamten Marketingkommunikation großer Unternehmen mit Hilfe von KI erstellt werden und dass es 2030 den ersten Kinohit zu sehen gibt, der zu 90 Prozent mit Hilfe von KI erstellt wurde. Auch wenn sich diese Vorhersagen als zu optimistisch erweisen könnten, ist die Richtung klar.
Deutlich mehr Geld fließt in KI-Entwicklung
Es steht außer Frage, dass generative KI die Realwirtschaft und das Leben der einzelnen Menschen in den kommenden Jahren signifikant verändern wird. Diese Aussichten sorgen schon jetzt für einen Ausgabenboom.
Das Beratungsunternehmen IDC prognostiziert, dass die weltweiten Ausgaben für KI-Systeme wie Software, Hardware und Dienstleistungen bis 2026 um 27 Prozent pro Jahr auf 300 Milliarden Dollar steigen werden. Doch selbst diese Wachstumsschätzung könnte sich als zu konservativ erweisen. Im Mai hob Nvidia, ein Hersteller der für KI-Systeme wichtigen Hochleistungs-Chips, seine Umsatzprognose drastisch an. Statt der zuvor für das nächste Quartal erwarteten sieben Milliarden Dollar rechnet Nvidia jetzt mit elf Milliarden Dollar.
Diesen enormen Chancen stehen aber auch große Herausforderungen gegenüber. Generative KI basiert auf Wahrscheinlichkeiten und liefert dadurch meistens richtige Ergebnisse. Aber eben nicht immer. Gleichzeitig kann die zugrundliegende Datenmenge Fehler enthalten. Daher sollte der Output immer noch einmal von einer unabhängigen Instanz überprüft werden. Außerdem stellt sich die Frage des geistigen Eigentums. Schließlich ist der Energieverbrauch von generativer KI vergleichsweise hoch. McKinsey schätzt, dass der Stromverbrauch von Rechenzentren in den USA bis 2030 um zehn Prozent pro Jahr steigen wird.
Künstliche Intelligenz bietet enorme Investmentchancen für Anleger
Durch den Durchbruch des Internets haben sich einstige Garagenfirmen wie Amazon oder Alphabet zu riesigen wertvollen Konzernen entwickelt. Ähnliches wird sich im Zusammenhang mit generativer KI wiederholen. Aus Anlagersicht sind vor allem die Bereiche Infrastruktur, Sicherheit und Dienstleistungen interessant.
Zuerst einmal braucht es die notwendige Hardware für den Aufbau, das Training und den Betrieb generativer KI-Modelle. Da die Sicherheitsbedrohungen zunehmen, ist außerdem Cybersicherheit von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus bieten sich bei der Beratung, der Lieferung und der Implementierung von KI-Anwendungen große Chancen.
Eine weitere Parallele gegenüber der damaligen Einführung des Internets scheint jedoch ebenfalls absehbar. Eine Reihe der heute gefeierten KI-Unternehmen wird über kurz oder lang wieder von der Bildfläche verschwinden, teilweise noch bevor ihre Produkte und Dienstleistungen Marktreife erlangen – so wie das auch mit vielen ehemaligen Internetstars passiert ist.
Über den Autor:
Steffen Kunkel ist Leiter Investmentstrategie (Chief Investment Strategist) bei der Bethmann Bank. Zuvor war der Diplom-Volkswirt unter anderem bei Credit Suisse und Universal Investments tätig.