Investment-Experte mahnt zur Vorsicht Warum Anleger sich auf fallende Kurse einstellen sollten
Generell gelten die Monate August und September als schwierig. Es herrscht Urlaubssaison, was für dünne Handelsumsätze an den Aktienmärkten und damit eine erhöhte Anfälligkeit für Volatilitäten sorgt. In diesem fragilen Umfeld ist die Euphorie beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) in eine gewisse Skepsis umgeschlagen. KI erfordert immense Investitionen, unter anderem in Rechenleistung beziehungsweise Rechenzentren.
Es ist aber noch gar nicht klar, wann sich diese Ausgaben amortisieren. Passiert das in fünf, zehn oder doch eher erst in 15 Jahren, was künftig erwartete Gewinne spürbar abzinsen würde. Das erinnert ein wenig an das autonome Fahren, wo der Hype schon länger vorbei ist. Ohne Zweifel wird KI weite Teil der Wirtschaft und das Leben der Menschen in den kommenden Jahren stark verändern – ähnlich wie das Internet seit den Nullerjahren. Offen ist aber, in welchen Zeiträumen das passiert und welche Unternehmen damit nachhaltig Geld verdienen.
Dieser Stimmungsumschwung traf auf ausgesprochen ambitionierte Bewertungen bei den großen amerikanischen Technologiekonzernen, die das KI-Thema dominieren. Doch gerade diese Werte waren es, die den S&P 500 bis Anfang August nach oben getrieben haben. Auf Sicht von zwölf Monaten ist der S&P 500 trotz der jüngsten Korrektur immer noch um rund 26 Prozent gestiegen. Der S&P 500 Equal Weighted, bei dem alle 500 Unternehmen gleich gewichtet sind, hinkt da zehn Prozentpunkte hinterher.
Erschwerend kommt hinzu, dass die großen amerikanischen Technologiewerte auch noch nach den Kursabschlägen alles andere als preiswert sind, was die Anfälligkeit für weitere Kursrücksetzer erhöht. Anleger sollten dabei bedenken, dass Korrekturen in den seltensten Fällen bereits nach einem Monat beendet sind. Wenn in einem Portfolio Aktien mit KI-Fantasie durch die starken Kursanstiege hoch gewichtet sind, bietet sich ein Rebalancing und zumindest eine Teilrealisierung der aufgelaufenen Gewinne an.
Zweifel an US-Konjunktur
Als zweiter Grund für die Kursrücksetzer Anfang August wurden schwächere Konjunkturdaten in den USA aufgeführt. Tatsächlich wurden weniger Stellen außerhalb der Landwirtschaft neu geschaffen als erwartet. Gleichzeitig haben die Unternehmen damit angefangen, Personal freizusetzen, um ihre Profitabilität zu steigern.
Das ist besonders brisant, wenn es eher niedrig entlohnte Mitarbeiter trifft. Denn generell gelten die Ersparnisse aus der Coronazeit in den USA als aufgebraucht. Eine Entlassung führt dann umgehend zu einem geringeren Konsum. Was das für die US-Wirtschaft bedeutet, lässt sich an fünf Fingern abzählen. Es ist schon etwas kurios. Bis vor Kurzem hatten die Börsianer auf schwächere Konjunkturdaten gehofft, weil das für Zinsfantasie gesorgt hätte. Jetzt lösen sie plötzlich Rezessionssorgen aus und verunsichern die Anleger.
Natürlich verfügt die amerikanische Notenbank Fed bei Leitzinsen von 5,25 bis 5,5 Prozent über ausreichend Spielraum, ihre Geldpolitik spürbar zu lockern. Vom amerikanischen Terminmarkt lässt sich ableiten, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung um einen halben Prozentpunkt auf der nächsten Sitzung des Offenmarkt-Ausschusses am 18. September derzeit bei knapp 30 Prozent liegt.
Aber noch vor ein paar Tagen lag die Wahrscheinlichkeit noch bei rund 70 Prozent. Die Fed befindet sich in dem Dilemma, dass sich die Inflation trotz der höchsten Leitzinsen seit 15 Jahren nur sehr langsam zurückbildet. Im Juli sank sie zwar im Jahresvergleich von drei auf 2,9 Prozent. Damit ist sie aber immer noch ein gutes Stück vom Zwei-Prozent-Ziel der Fed entfernt. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Fed einfach zu spät reagiert. Schließlich brauchen Leitzinssenkungen mindestens neun Monate, bis sie in der Realwirtschaft ankommen – wahrscheinlich sogar noch länger.
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Pulverfass Naher Osten
Ein weiterer Auslöser für nochmalige Korrekturen könnte eine Eskalation das Gaza-Kriegs sein. Zwar wirken sich politische Konflikte und auch Kriege in der Regel nur sehr kurzfristig auf die Finanzmärkte aus. Doch aus dem Nahen Osten stammen rund 30 Prozent der weltweiten Ölproduktion.
Und rund ein Fünftel des weltweit gehandelten Öls wird durch die Straße von Hormus transportiert. Sollte der Iran noch stärker als bisher in den Konflikt im Nahen Osten eingreifen, wären Ölpreise von 100 Dollar pro Barrel und mehr durchaus denkbar. In diesem Szenario wäre das etwas abgegriffene Bonmot, dass politische Börsen kurze Beine haben, außer Kraft gesetzt.
Börsenlegende mahnt zur Vorsicht
Auch der Buffett-Indikator signalisiert nichts Gutes. Diese Kennzahl setzt den Wert aller in den USA gelisteten Aktienunternehmen zum BIP ins Verhältnis. Der Buffett-Indikator hat kürzlich die Marke von 200 Prozent nach oben durchbrochen. Das bedeutet, dass der summierte Wert der in den USA börsennotierten Aktiengesellschaften das BIP um das Doppelte übertrifft.
Buffett hat auf jeden Fall schon einmal die Hälfte seiner Apple-Aktien, die mit Abstand größte Position in seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway, versilbert und sitzt jetzt auf einem noch größeren Cash-Berg als zuvor.
Nun funktioniert Timing erfahrungsgemäß an den Finanzmärkten in den seltensten Fällen. Doch sollten Anleger sich von der strategischen Weitsicht von Buffett eine Scheibe abschneiden und ausreichend Liquidität halten, um bei einer möglichen Korrektur preiswerter nachzukaufen. Es ist kaum denkbar, dass sich die Entwicklung der Wall Street in den zurückliegenden zwei bis drei Jahren einfach so fortschreiben lässt. Mit dem grenzenlosen Optimismus ist es auf jeden Fall erst einmal vorbei.
Über den Autor:
Thomas Buckard ist seit dem Jahr 2000 Gründungsmitglied der MPF. Als Vorstandssprecher ist er für die Kundenakquisition und -betreuung sowie die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. MPF gehört mit einem verwalteten Vermögen von mehr als zwei Milliarden Euro zu den größten unabhängigen Vermögensverwaltern in Deutschland.