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Aktualisiert am 10.03.2020 - 16:51 Uhrin MärkteLesedauer: 3 Minuten

Analysten ‚Grexit‘ würde Gläubiger teurer kommen als der Schuldenschnitt

Auch Zsolt Darvas vom Bruegel-Institut geht davon aus, dass etwa 75 Prozent der Verpflichtungen gegenüber Gläubigern nicht beglichen würden, falls das Land zur Drachme zurückkehrt. „Das sagt uns, dass die Entscheidungsträger einen politischen Kurs verfolgen und keinen rational wirtschaftlichen“, sagte Gallo.

Das Schicksal der griechischen Schuldenlast von mehr als 313 Milliarden Euro - das meiste wird europäischen Regierungen geschuldet - ist zur Gretchenfrage geworden, um das krisengeschüttelte Land wieder auf eine solide Finanzbasis zu stellen. Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) braucht Griechenland Schuldenerleichterungen, die weit über das hinausgehen, was die Gläubiger erwogen haben. Spitzenpolitiker des Euroraums lehnen jegliche Abschläge vom Nominalwert der Schuldpapiere ab.

Auch für den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble scheinen die Kosten nebensächlich zu sein. Er und seine Amtskollegen im Euroraum unterbreiteten ihren Chefs beim Gipfeltreffen am 12. Juli den Vorschlag eines temporären Austritts Griechenlands aus dem Euro mit der Aussicht auf Schuldenrestrukturierung.

„Niemand weiß im Augenblick, wie das ohne einen Schuldenschnitt gehen soll“, sagte Schäuble im Deutschlandfunk. „Und jedermann weiß, dass ein Schuldenschnitt mit der Mitgliedschaft in der Währungsunion nicht vereinbar ist. Das ist die Situation.“

Gallo bezifferte die Kosten so: Ein „großer Haircut“ um Griechenland im Euroraum zu halten, würde etwa 130 Milliarden Euro kosten; eine Kombination aus Schuldenschnitten und Lockerungen der Zahlungsbedingungen würde einen Aufwand von etwa 40 Milliarden Euro bis 50 Milliarden Euro bedeuten.

Die Grexit-Rechnung würde sich Gallo zufolge unter der Annahme einer Abwertung der Drachme zum Euro um 40 Prozent auf mindestens 227 Milliarden Euro belaufen. Darüber hinaus „muss man andere indirekte Kosten hinzurechnen, beispielsweise den Kollateralschaden eines Präzedenzfalls“ für den Austritt anderer Nationen, fügt er an. Der Euro würde dann nicht mehr als unumkehrbar gelten.

Ähnlich sieht das Darvas, Senior Fellow an der Denkfabrik Bruegel in Brüssel: „Wenn Griechenland im Euroraum bleibt, wäre es in der Lage, einen viel größeren Teil seiner Schulden zurückzuzahlen als wenn es austritt.“
Die Gläubiger müssten den Großteil der Forderungen abschreiben, wenn die Papiere in die frühere Landeswährung Griechenlands umgestellt werden, sagt Gianluca Ziglio, Stratege für Festverzinsliche bei Sunrise Brokers in London. Seinen Berechnungen nach würde ein Ausstieg des Landes aus dem Euroraum die Kreditgeber etwa 240 Milliarden Euro bis 250 Milliarden Euro kosten.

„Wahrscheinlich kommt es zu einer Abwertung der Drachme um 50 Prozent, vielleicht mehr“, erklärt Ziglio. „Das wird die Schulden, die bereits untragbar sind, im Grunde verdoppeln.“

Die griechische Staatsschuldenquote beläuft sich derzeit auf etwa 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der IWF prognostiziert, dass sie in den nächsten beiden Jahren ihren Höhepunkt bei 200 Prozent des BIP erreichen wird, und hält einen nominalen Schuldenschnitt für notwendig.

„Es ist unumstritten, dass Schuldenerleichterungen notwendig sind, und ich denke, niemand hat das bestritten“, sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, auf einer Pressekonferenz in Frankfurt.
Ziglio von Sunrise Brokers ist der Ansicht, dass die Wahrscheinlichkeit eines Austritts Griechenlands aus der Währungsunion gegenüber seiner im April auf 70 Prozent veranschlagten Schätzung ein wenig zugenommen hat.

Die europäischen Kreditgeber müssten Griechenland „Schuldenerleichterungen und eine Senkung des Nominalbetrags bei der Verschuldung um etwa 80 Milliarden Euro gewähren“ und gleichzeitig eine starke „verfassungsrechtliche Verpflichtung“ verlangen, dass es künftig kein Defizit mehr geben werde, sagt er, „das würde Griechenland zumindest eine Chance geben.“

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