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Portfolio People Batman auf der Reeperbahn: Andreas Meyer sucht Investments, die andere scheuen

Andreas Meyer von Fountain Square Asset Management
Andreas Meyer von Fountain Square Asset Management | Foto: Fountain Square AM

Früh wurde klar, dass Andreas Meyer aus der Art geschlagen war. Aufgewachsen in einem niedersächsischen Dorf nahe Bremen, schüttelte man auf dem Bauernhof der Familie irgendwann nachdenklich den Kopf über ihn. Und auch im Freundeskreis oder örtlichen Fußballverein stieß er mit einer seltsamen Leidenschaft auf Verwunderung: Der Junge war fasziniert von der Börse.

Tatsächlich hat den mittlerweile 33-Jährigen diese Faszination weit gebracht. So ordnete ihn das Hedge Fund Journal im Jahr 2022 denn auch in seine Rubrik Tomorrow’s Titans ein. Doch auf seinen Status als Titanenanwärter angesprochen, zuckt Meyer gelassen mit der Schulter – so viel ländliche Bodenhaftung ist ihm auch als Gründer und Fondsmanager der in Hamburg beheimateten Fondsboutique Fountain Square Asset Management allemal geblieben. Etabliert im Jahr 2021, ist das Start-up vorerst mit einem einzigen Fonds am Markt, und der macht klar, dass manche aus der Dorfgemeinschaft früherer Zeiten in gewisser Hinsicht Recht behalten haben mit der Vermutung, dass Meyer einen kleinen Vogel hat. Sein Name lautet: FS Colibri Event Driven Fonds.

Meyers Revier sind Fixed-Income-Märkte

Dabei erwies sich dieser Colibri nicht als besonders flatterhaft, als die Aktien- und Rentenmärkte im Vorjahr einen Sturzflug hinlegten. Damit verglichen lief die Rendite des Newcomers mit -1,9 Prozent auf Jahressicht gerade mal auf einen kleinen Absacker hinaus. „Ganz entziehen kann man sich so extremen Faktoren, wie sie 2022 zum Tragen kamen, ja leider nie“, kommentiert Meyer da mit einer Mischung aus Gelassenheit und Bedauern.

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

Dass Fountain Square sich so weit von den Märkten entkoppeln konnte, liegt daran, dass Meyer gezielt nach idiosynkratischen Risiken Ausschau hält: „Wir suchen nach Rendite-Risiko-Profilen, die andere scheuen oder gar meiden müssen.”

Und das Revier, in dem er dafür unterwegs ist, sind die europäischen liquiden Fixed-Income-Märkte. Dabei verfolgt er konsequent eine Strategie, die in der Branche unter dem Anglizismus Event Driven läuft und die auf Sondersituationen abzielt, die deutlich höhere Renditen als im Investment-Grade-Sektor verheißt und bei der das Zinsänderungsrisiko bestenfalls zweitrangig ist.

"Gewinn kommt erst an zweiter Stelle"

Als Beispiel führt Andreas Meyer die portugiesische Airline TAP an, die in schwere Turbulenzen geraten war und deren Anleihen entsprechend niedrig notierten. Für Meyer war der Zeitpunkt zum Zugriff gekommen, als aus Brüssel nach Vorlage eines umfassenden Restrukturierungsplans das Okay für eine Übernahme durch den portugiesischen Staat kam. Er hatte sich mit der Europäischen Wettbewerbskommission ausgetauscht und sich Gewissheit verschafft: „Wir haben da einen Wachhund sitzen, der die Restrukturierung kontrolliert – das Signal für uns, dass wir am Tag X unser Geld zurückbekommen und die Kuponzahlungen fließen werden. So haben wir denn am Ende auch rund 10 Prozent annualisiert verdient. Und eine Menge Spaß gehabt.“

Spaß? Ja doch, in gewisser Hinsicht treibt ihn immer noch an, was für ihn den Reiz der Börse ausmachte, als er mit 16 Jahren sein erstes Wertpapierdepot eröffnete: die Lust am Durchdringen der komplexen Wirkmechanismen der Kapitalmärkte. Darauf kam es ihm an, „das Gewinnstreben kam erst an zweiter Stelle“, so Meyer.

Und dafür bezahlte er als Jung-Börsianer einiges an Lehrgeld, bis hin zu den Rücklagen, die eigentlich für den Führerschein gedacht gewesen waren. „Wie die allermeisten Anfänger überschätzte ich damals meine prognostischen Fähigkeiten und generell die Tragfähigkeit von Prognosen, besonders wenn es um systematische Risiken geht.“

Seit dieser Zeit hat sich Andreas Meyers Risikobewusstsein erfreulicherweise bis zum Anschlag professionalisiert. Auf Market Timing wird bei seinem Investmentansatz komplett verzichtet, etwaige Währungsrisiken sind abgesichert. Im Fokus stehen individuell bestimmbare Risiken – rund anderthalb Dutzend Katalysatoren für eine zukünftig positive Entwicklung abgestrafter Anleihen hat er im Visier. Grundsätzlich infrage kommen nur Emittenten, deren Situation als „stressed“, nicht aber als „distressed“ klassifiziert ist.

Oder um es mit Meyer zu sagen: „Wir beobachten Unternehmen auf der Intensivstation. Aber ihre Anleihen kaufen wir nur, wenn sie mit guter Prognose in der Reha sind. Von zehn möglichen Kandidaten bleiben da einer oder zwei weiter unter Beobachtung, bei einem oder zweien greifen wir zu, der Rest ist für die Tonne.“

Auf der Suche nach Marktineffizienzen

Was ihn an seinem Tun fasziniert, ist allerdings nicht nur die Gelegenheit, seine analytischen Fähigkeiten auf der Suche nach Marktineffizienzen ausspielen zu können. Er ist auch davon überzeugt, Unternehmen bei einer Wende zum Positiven begleiten zu können. Von dieser Präferenz zeugte schon seine Masterarbeit, die er an der Leuphana Lüneburg unter Professor Johannes-Jörg Riegler, dem früheren Vorstandsvorsitzenden der Bayern-LB, schrieb. Dabei ging es um das Thema Unternehmensrestrukturierung, wobei für Meyer Aspekte wie Entschuldung oder das Erwirken von Kreditverlängerungen im Vordergrund standen.

Auch Lüneburg liegt in seinem Heimat-Bundesland Niedersachsen. Das bedeutet aber keineswegs, dass Meyer nicht weiter als bis ins angrenzende Hamburg gekommen wäre. Zwei Jahre seines Studiums absolvierte er als Stipendiat in Marseille, später war er eine Zeit lang für die BNP Paribas bei der Betreuung großer Unternehmenskunden im Einsatz – mehr als nur eine Möglichkeit, sein flüssiges, aber nach eigenem Bekunden heftig von deutschem Akzent geprägtes Französisch zu praktizieren.

Noch heute sieht er es als Glücksfall an, anschließend bei Aramea Asset Management, einem führenden Spezialisten für Hybridanleihen mit Sitz in Hamburg, angeheuert zu haben. Tatsächlich bot ihm dieser „gute, sehr gute Arbeitgeber“ perfekte Entfaltungsmöglichkeiten für seine Fähigkeiten und Talente. „Ich hatte großes Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein – damals, als Aramea seine Marktposition bei Nachranganleihen entscheidend ausbaute und festigte.“

Deichstraße in Hamburg
Erst die Arbeit und dann St. Pauli: Jeden Freitag ab 17 Uhr macht Andreas Meyer Feierabend, das Wochenende startet mit einem guten Single Malt Scotch in der feinen Bar Whiskyplaza in der Deichstraße, einer der ältesten Straßen Hamburgs. „Der Laden macht einen noblen Eindruck, wird aber von waschechten Nordlichtern geleitet. Ein guter Single Malt, leicht rauchig, Sherry Fass. Herrlich!“, schwärmt Meyer. Dazu steht neben einem Fischbrötchen oder einem Bier in seiner Stammkneipe auf St. Pauli direkt neben der Davidwache oft auch eine Runde mit dem Gravel-Bike an der Elbe oder ein intensives Boxtraining an: „Super, um den Kopf frei zu bekommen.“ © IMAGO / Jürgen Ritter

Zuständig für 2,5 Milliarden Euro

Wohl wahr, aber die Position, die Andreas Meyer dort erreichte, ist ihm nicht in den Schoß gefallen: Zum Schluss war er bei Aramea hauptverantwortlich für das Thema Nachhaltigkeit und betreute als Co-Fondsmanager ein Vermögen von annähernd 2,5 Milliarden Euro. Allerdings gab es auch Konflikte zwischen ihm und seinen Kollegen, die bis zu seinem Ausscheiden nach sechs Jahren Zugehörigkeit im Jahr 2021 nicht auszuräumen waren: Meyer ist ein kompromissloser Fan von Werder Bremen, während bei Aramea HSV-Anhänger das Sagen hatten.

Auch die Treue zu Werder Bremen ist ein Ausweis von Heimatverbundenheit, wenn auch keiner der engstirnigen Sorte. Und tatsächlich hat er sich in Hamburg eine zweite Heimat erschlossen und besucht immer mal wieder das Millerntor-Stadion, die Spielstätte des FC St. Pauli.

Und überhaupt, St. Pauli! „Ich wohne nicht nur dort, ich lebe da“, betont Meyer. Er schätze die kulturelle Vielfalt dieses Ur-Hamburger Quartiers ebenso wie die kulinarische. Und tatsächlich verdankt Fountain Square Asset Management seinen Namen denn auch einer Adresse in St. Pauli, der Straße „Am Brunnenhof“.

Schon berufsbedingt verbindet sich solche Heimatbezogenheit des bekennenden Nordlichts mit Weltläufigkeit. Sechs oder acht Trips nach London pro Jahr gehören dazu, auch um das Netzwerk zu pflegen, das für sein Geschäft von großer Bedeutung ist: „Wenn sich zum Beispiel ein Investor mit einem Engagement von 40 Millionen Euro übernommen hat und nun auf Biegen und Brechen aus einer Anleihe mit einem Volumen von 400 Millionen aussteigen will, dann erfahren wir das.“

Aber auch um interessante Unternehmen unter die Lupe zu nehmen, ist er unterwegs, und macht dabei immer wieder mal Entdeckungen jenseits des Business. So etwa Athen, „eine wunderschöne Stadt, die jetzt ganz oben auf der Agenda steht, und zwar für eine Privatreise“. Diese Begeisterung fand ihre Entsprechung bei den Athenern. „Man war perplex und erfreut, einen deutschen Investor zu sehen. Natürlich habe ich die Erwartungen sofort heruntergeschraubt und klargemacht, dass ich für eine Fondsboutique stehe, nicht für DWS oder Union Investment. Und trotzdem war die Freude groß.“

Freuen konnten sich allerdings am Ende auch die Colibri-Investoren: Die Senior-Anleihe von Ellaktor, des größten griechischen Bau- und Infrastrukturkonzerns, kam für 91 Prozent ins Portfolio und wurde einige Monate später für 101 verkauft, was annualisiert auf eine Rendite von über 20 Prozent hinauslief.

Lässiger Auftritt, harte Arbeit

Auch Ellaktor befand sich zur Zeit von Meyers Besuch in Athen in einer Klemme, die im konkreten Fall mit zwei Großaktionären zu tun hatte, die unterschiedliche Interessen verfolgten und nicht zusammenfinden konnten. In dieser Sondersituation setzte sich schließlich einer der beiden durch, und eine sogenannte Change-of-Control-Klausel der Anleihe kam zum Tragen, Meyers Rechnung war aufgegangen. Und wieder war er beteiligt an einem Gesundungsprozess.

Aufteilung der Regionen

Dieses grundsätzlich aufs Positive ausgerichtete Mindset – „ach, diese Anglizismen“, sagt Meyer – schlägt sich natürlich auch in Investmentgrundsätzen nieder. Generell werden keine Short-Positionen im FS Colibri Event Driven Fonds gehalten. „Ich möchte nicht davon profitieren, wenn es mit einem Unternehmen bergab geht“, macht Meyer klar, Morbidität ist nicht sein Ding.

Lässigkeit schon, zumindest, was den Auftritt angeht. Aktuell arbeitet das Dreier-Team des Start-ups in einem Coworking-Space am Rödingsmarkt, nahe dem Hamburger Hafen. Andere Mieter im historischen Klöpperhaus sind unter anderem Tiktok Deutschland und Twitter. Wenn Meyer in Hoodie und Sneakers hier über die Flure geht, passt er nicht nur rein äußerlich ins soziale Biotop. Allerdings kann er auch anders, wenn es das Business verlangt und ein formelleres Erscheinungsbild bei Treffen mit institutionellen oder vermögenden Privatkunden angebracht ist.

So stieß er als Anzugträger letztlich auf blankes Erstaunen beim Mitarbeiter eines anderen Unternehmens im Haus. Dem raunte er im Vorbeigehen zu: „Du kennst doch die Geschichte von Bruce Wayne und Batman ...“ Tatsächlich dürfte man Meyer die Fledermaus nie abnehmen, aber schon zeichnet sich beflügelter Zuwachs bei Fountain Square an: Die Wortmarke Toucan ist für den nächsten aufzulegenden Fonds jedenfalls geschützt.

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