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Andrew Wilson von Goldman Sachs „Umkehr der Zinskurve bewirkt noch keine Rezession“

Andrew Wilson
Foto: GSAM

Der jüngste Anstieg des Anleihehandels geht Hand in Hand mit historisch niedrigen oder gar negativen Renditen, Wachstumsunsicherheit und einer enttäuschenden Inflation. Das ist Grund genug für Anleger, um verunsichert zu sein. Vor allem, weil die Parallelen zur japanischen Post-Bubble-Economy der 1990er-Jahre offensichtlich sind. Aktuell kommen aber geopolitische Unsicherheiten und die invertierte Zinskurve bei 2- und 10-jährigen US-Staatsanleihen hinzu: ein in der Vergangenheit relativ verlässliches Anzeichen für eine Rezession. Die Zinskurven in anderen Laufzeitsegmenten und Regionen haben sich ebenfalls umgekehrt.

Vor diesem Hintergrund würde ich zwei Narrative in Frage stellen, die sich derzeit auf Anlageentscheidungen auswirken:

Erstens hört man immer wieder, dass in einem Umfeld negativ rentierender Anleihen positive Renditen ausgeschlossen seien. Wenn ein Anleger eine solche Anleihe kauft und sie bis zum Laufzeitende hält, macht er logischerweise Verluste. Aber so sieht kein aktives Portfoliomanagement aus: Relative-Value-Strategien in bestimmten Ländern oder zinskurvenfokussierte Ansätze können noch immer positive Gesamtrenditen aus negativ rentierenden Anleihen erwirtschaften. 

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Auch längerfristige Staats- oder Unternehmensanleihen mit weniger negativen Renditen als bei kurzfristigen Papieren können zu positivem Carry beitragen. Das ist in vielen Teilen Europas, einschließlich Deutschland, möglich. Zudem könnten die Renditen noch weiter in den Negativbereich rutschen, was wiederum zu Kapitalzuwächsen führen würde. Diese Situation hat sich in diesem Jahr inmitten geldpolitisch expansiver Erwartungen an die Zentralbanken entwickelt. Daher sollten Investoren nicht überstürzt auf negativ rentierende Anleihen reagieren, Qualität reduzieren oder längere Laufzeiten eingehen, um höhere Renditen zu erzielen.

Auch das zweite Narrativ, das auf die Anlegerstimmung drückt, ist meiner Meinung nach eine Fehleinschätzung. Die Rede ist von der bevorstehenden Zykluswende infolge der invertierten Zinskurve. Seit den frühen 1960er-Jahren war die Umkehrung der US-Zinskurve sieben Mal Vorbote für eine Rezession. Aber die Varianz im zeitlichen Ablauf zwischen Inversion und einsetzender Rezession war sehr groß: In drei der letzten zehn Fälle, in denen die Zinskurve invertierte, dauerte es länger als zwei Jahre bis zur Rezession.

Entscheidend ist, dass eine Umkehr allein nicht ausreicht, um eine Rezession zu bewirken. Sie ist vielmehr im allgemeinen wirtschaftlichen Kontext zu sehen. Und hier sind die typischen Treiber für einen Abschwung nicht erkennbar. Gemeint ist eine überhitzte Wirtschaft mit erhöhter Inflation, die wiederum zu einer sehr straffen Geldpolitik führt.

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