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Russland greift Ukraine an Aktienkurse brechen ein, Ölpreis steigt kräftig

Protest gegen den russichen Angriff auf die Ukraine
Protest gegen den russischen Angriff auf die Ukraine: Wie hier in Den Haag demonstrierten Menschen in zahlreichen Ländern vor den Botschaften Russlands. | Foto: Imago Images / ANP

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind die Aktienkurse weltweit eingebrochen. Der Dax verlor bis Donnerstagmittag mehr als 4,5 Prozent. Dagegen waren als ausfallsicher geltende Staatsanleihen gefragt. Die Kurse deutscher Bundesanleihen stiegen, spiegelbildlich sank bei den zehnjährigen Papieren die Rendite auf Endfälligkeit in Richtung von 0,1 Prozent per annum. Der Goldpreis kletterte auf den höchsten Wert seit Januar 2021 und stand am Mittag bei 1970 US-Dollar je Feinunze. Der Ölpreis (Brent) stieg deutlich über die Marke von 100 Dollar je Barrel. Wir haben einige Stimmen zur aktuellen Entwicklung zusammengestellt.

Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei Donner & Reuschel:

Aufgrund der aktuellen Lage wächst die Verunsicherung an den Börsen. Entscheidend ist jetzt, wie lange die Militäroperation andauert, wie weit russische Truppen in die Ukraine vordringen und welche Reaktionen aus dem Westen und aus China erfolgen. An den Aktienmärkten führt die Korrektur der bisherigen Erwartung eines moderaten Konfliktverlaufs zunächst zu einem deutlichen Abverkauf. Auf den Dax bezogen, könnte als Haltelinie unter charttechnischen Gesichtspunkten sogar die Marke von 13.566 Punkten ins Spiel kommen. Bis mehr Klarheit herrscht, dürften sichere Häfen wie Bundesanleihen, US-Dollar und Gold gefragt bleiben.

Die außenwirtschaftlichen Verbindungen Deutschlands mit Russland und der Ukraine sind mit einem Anteil von 2,3 beziehungsweise 0,3 Prozent am gesamten deutschen Außenhandel überschaubar. Die wichtigste Frage ist, ob es durch Sanktionen zu einem Abschneiden Russlands vom internationalen Zahlungsverkehr und folglich möglicherweise zu einer Einstellung von Erdgaslieferungen kommen könnte. In diesem Fall wären Zahlungsausfälle russischer Schuldner mit Rückwirkungen auf einzelne Banken oder Gläubiger in Europa und weiter steigende Energiepreise wahrscheinlich. Da der Winter bisher relativ mild verlief, ist trotz relativ gering gefüllter Erdgaslager in Europa zunächst nicht mit Rationierungen zu rechnen.

Noch ist die Lage zu unübersichtlich, um sich neu zu positionieren. In der Vergangenheit haben kriegerische Auseinandersetzungen zumeist nur kurzfristige Rücksetzer an den Aktienmärkten zur Folge gehabt. Allerdings ist noch nicht absehbar, wie tief die Kurse tatsächlich rutschen können. Solange nicht der Umfang des russischen Vormarsches und das Ausmaß der Sanktionen klar sind, sollten sich Anleger jedoch zurückhalten.

Rolf Schäffer, Analyst bei der LBBW:

Mit den aktuellen Entwicklungen ist unser Negativ-Szenario, ein offener Krieg zwischen der Ukraine und Russland, eingetreten. Russland dürfte, wie vielfach bereits angedroht, vom Zahlungsverkehrssystem Swift abgekoppelt werden. Mit einem Stopp der Gaslieferungen muss gerechnet werden. Wir gehen davon aus, dass die Realwirtschaft rund um den Globus spürbare Einbußen hinnehmen muss, speziell in Europa.

Die globalen Aktienmärkte fallen weit zurück. Der Ölpreis stieg heute Morgen bereits über 100 US-Dollar. Ein weiterer deutlicher Anstieg ist zu befürchten. Beim Gaspreis muss ebenfalls mit massiven Preissteigerungen gerechnet werden. Die globalen Akteure werden ihre Depots auf „risk-off“ schalten und flüchten in sichere Anlagen. Staatsanleihen bonitätsstarker Staaten dürften gefragt sein. Die globalen Aktienmärkte dürften deutlich fallen. Eine solche „Flucht in Qualität“ an den Finanzmärkten dürfte über mehrere Quartale zu einem prägenden Trend werden. Eine Rückkehr zu einer Art „Alltag“ ist an den Finanzmärkten kurzfristig nicht zu erwarten.

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Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei Hauck Aufhäuser Lampe:

Auch wegen der in Gang gesetzten Sanktionsspirale sind Konjunktur- und Inflationsrisiken nun deutlich gestiegen, insbesondere für den Euroraum. Für die Geldpolitik verstärkt sich das Dilemma, zwischen Inflationsbekämpfung und Konjunkturunterstützung zu entscheiden. Wir rechnen mit einer volatil bleibenden Nachrichtenlage, welche die Aktienmärkte belasten dürfte.

Aller Erfahrung nach werden erstklassige Staatsanleihen in unruhigen Zeiten als sichere Häfen nachgefragt. Vor allem ist dies bei US-Treasuries und US-Dollar der Fall, wenn sich eine Krise im europäischen Umfeld ereignet. Dementsprechend verbuchen Aktienmärkte oftmals Kursrückgänge, wenn die Risiken für den Ausblick auf die Konjunktur und Unternehmensgewinne zunehmen. Nach den anfänglichen, reflexartigen Rücksetzern auf den zugespitzten Konflikt reagierten die Finanzmärkte zunächst vergleichsweise verhalten, wohl auch, weil die Angst vor raschen und harten Sanktionen als gering erachtet wurde.

Mit dem Eintritt in die kriegerische Auseinandersetzung heute ist die Verschärfung von Sanktionen unserer Einschätzung nach zwangsläufig. Das dürfte insbesondere die Aktienmärkte vorerst weiter belasten. Der Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungsverkehrssystem Swift wäre hier eine neue Qualität, die das Risiko stärker einknickender Finanzmärkte noch erhöhen würde. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen besteht wenig Hoffnung auf baldige Entspannungssignale.


Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank:

Der großangelegte russische Angriff auf die Ukraine ist eine Zäsur für die politische Ordnung in Europa und bringt für die Menschen im Land unermessliches Leid. Die wirtschaftlichen Folgen sind noch kaum absehbar. Die westlichen Länder beraten über weitere und schwere Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die wohl in den nächsten Tagen verhängt werden. In einer ersten Reaktion ist der Ölpreis über die 100-Dollar-Marke angestiegen, die Aktienmärkte sind weltweit eingebrochen. Anleger flüchten in sichere Häfen wie Bundesanleihen, deren Rendite deutlich nachgegeben hat.

Die Entwicklung in den nächsten Tagen und Wochen wird davon abhängen, welchen Verlauf der Krieg in der Ukraine nimmt und wie die unmittelbaren Auswirkungen der Sanktionen sein werden. Zu rechnen ist mit weiteren Finanzsanktionen gegen russische Banken, den russischen Staat sowie einzelne Personen. Daneben dürften die Beschränkungen des Handels mit Russland ausgeweitet werden, vor allem der Export von High-Tech-Gütern dürfte komplett untersagt werden.

Der Anstieg der Rohstoffpreise und die Sanktionen werden die Wirtschaft auch in Deutschland belasten. Die Inflationsrate wird wohl zumindest kurzfristig noch weiter ansteigen, vor allem über eine weiter steigende Energierechnung für die Verbraucher. Das schwächt deren Kaufkraft und tendenziell die Nachfrage von Haushalten nach anderen Gütern und erhöht die Kosten auch für die Unternehmen.

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