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Gerd Kommer und Daniel Ganowski Angst vor dem Allzeithoch – ein schädlicher Irrtum

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Die folgende Tabelle illustriert, dass das AZH in Bezug auf den allgemeinen Aktienmarkt, hier in Gestalt des S&P 500, nicht nur konzeptioneller, sondern auch empirischer Unsinn ist. Zumindest wenn man das Erreichen eines AZHs als Achtung-Vorsicht-jetzt-besser-nicht-investieren-Signal interpretiert – und so wird diese Pseudokennzahl ja häufig vermarktet.

Renditen des S&P 500-Index von 1926 bis 2020 (95 Jahre)
Gesamtzeitraum und durchschnittliche Renditen, nachdem ein Allzeithoch erreicht wurde

► Rohdaten: Dimensional Fund Advisors. ► Alle Renditen in USD, nominal, vor Steuern und Kosten. ► In diesen 95 Jahren/1.140 Monaten traten 346 Monatsend-AZHs auf (30% aller Monate). ► In allen vier "Folgerenditezeiträumen" basiert der angegebene Durchschnitt auf jeweils über Tausend Datenpunkten. Ein solcher Datenpunkt tritt immer dann auf, wenn ein gegebener Monat mit einem AZH endet. Das löst in unserem kleinen Modell die Berechnung einer "AZH-Nachfolgerendite" aus. Die vier rechten Spalten der Tabelle zeigen den Durchschnitt der AZH-Nachfolgerenditen. ► Die AZHs gegen Ende des Gesamtzeitraums, für die bis zum 31.12.2020 kein kompletter Folgerenditezeitraum mehr bestand, wurden nicht berücksichtigt.

Was lässt sich aus der Tabelle ablesen?

Fast ein Drittel der 1.140 Monate (95 Jahre) endeten auf einem AZH für den S&P 500-Index. Was in 30 Prozent aller Monate vorkommt, ist nicht außergewöhnlich, sondern eher die Regel. Der banale Grund: Aktienmärkte haben langfristige Durchschnittsrenditen größer null. Sprich, der Aktienmarkt tendiert dauerhaft nach oben – wie steil nach oben, spielt dabei keine Rolle. Weil Aktienrenditen, hier in Gestalt monatlicher Renditen, zugleich einigermaßen stark schwanken, führt im Ergebnis etwa jede dritte Monatsrendite zu einem neuen Höchststand.

Legte man der Berechnung in der Tabelle den Dax, den MSCI World oder einen anderen breiten Aktienindex für einen hinreichend langen Zeitraum zugrunde, würden im Wesentlichen die gleichen Ergebnisse resultieren. Wir haben den S&P 500 gewählt, weil dessen Monatsrenditedaten weiter zurückreichen als die des Dax oder des MSCI World und weil der S&P 500 mit seinen AZHs in den Finanzmedien besonders häufig aufgegriffen wird.

Momentum könnte eine Rolle spielen

Auf den ersten Blick erscheint erstaunlich, dass die auf ein AZH folgenden kurz- und mittelfristigen Renditen in drei von vier Fällen sogar höher waren als die Durchschnittsrendite über den Gesamtzeitraum von 95 Jahren. Wie erklärt sich das? Die Hauptursache dafür dürfte jene sein, die wir bereits weiter oben nannten. Das Allzeithoch ist nicht nur keine Bewertungskennzahl, sondern darüber hinaus ein fast völlig willkürliches Signal. Weil das so ist, sind die Renditen direkt nach einem AZH eben nicht systematisch niedriger als alle übrigen Renditen oder die Rendite über den Gesamtzeitraum.

Dass in unserer speziellen S&P 500-Auswertung die Post-AZH-Renditen sogar überwiegend höher waren als die Durchschnittsrendite, könnte Zufall sein. Es könnte aber auch mit dem wissenschaftlich vielfach nachgewiesenen Momentum-Effekt bei Aktienrenditen zusammenhängen. Darauf deutet auch die mit der Länge des Folgezeitraums abnehmende Mehrrendite hin. Wir wollen uns bei dieser Spurensuche jedoch nicht festlegen. Es genügt festzuhalten, dass historisch die Renditen nach einem AZH nicht niedriger waren als sonst. Punkt.

Würde man der Berechnung in der Tabelle nicht Monatsrenditen, sondern Tagesrenditen zugrunde legen, entstünde kein grundsätzlich anderes Resultat.

Alles in allem können wir nun schlussfolgern: Ein Allzeithoch beziehungsweise das Erreichen eines AZHs – verstanden als Investmentwarnung für einen bestimmten Aktienmarkt – ist, erstens, konzeptionell absurd und, zweitens, empirischer Nonsens.

Bleibt noch die Frage, ob das AZH-Konzept, wenn schon nicht für Aktien im Sinne breiter Indizes beziehungsweise der Asset-Klasse Aktien, dann wenigstens für Einzelwerte eine sinnvolle Rolle als wenigstens grobes Bewertungssignal einnehmen könnte.

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