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Bafin-Experte klärt im Interview über Anlagebetrug auf

Auf ihrer Website warnt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) vor unseriösen Finanzdienstleistern – und fast täglich kommen neue Meldungen hinzu. Welche Betrugsmaschen besonders häufig vorkommen und wie Anleger sich schützen können, darüber haben wir mit Jens Münzer gesprochen. Münzer ist bei der Bafin für die Verfolgung verbotener und unerlaubt betriebener Geschäfte zustä...
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Auf ihrer Website warnt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) vor unseriösen Finanzdienstleistern – und fast täglich kommen neue Meldungen hinzu. Welche Betrugsmaschen besonders häufig vorkommen und wie Anleger sich schützen können, darüber haben wir mit Jens Münzer gesprochen. Münzer ist bei der Bafin für die Verfolgung verbotener und unerlaubt betriebener Geschäfte zuständig und informiert unter anderem im Podcast der Behörde über Anlagebetrug.
Die Finanzaufsicht habe es derzeit vor allem mit zwei gängigen Betrugsmaschen zu tun, erklärt Münzer im Gespräch. Das sei zum einen Betrug mit Festgeld. Dabei eröffnen Täter bei einem Kreditinstitut ein Konto auf ihren Namen oder auf den Namen eines Strohmanns – in der Regel im EU-Ausland. Oft werden dafür gefälschte oder gestohlene Ausweise genutzt. Bei Verbrauchern, die die Betrüger über Datenkauf oder mithilfe von Websites über Google erreichen, wird dann mit einem vermeintlich lukrativen Festgeldangebot geworben.
Geht ein Anleger auf ein solches Angebot ein, wird ihm von dem vermeintlichen Vermittler ein fingierter Festgeldvertrag bei einer existierenden Bank vorgelegt und er überweist schließlich Geld auf dieses Konto – in dem Glauben, es wäre seins. Das funktioniere, denn Banken schauen bei Überweisungen nur auf die IBAN, nicht auf den Kontoinhaber. „Die Täter räumen das Konto meist schnell leer – dann ist das Geld weg“, sagt Münzer. Wendet sich der Anleger an die Bank, bekommt er die Rückmeldung, kein Konto bei der Bank zu haben.
Zum anderen gebe es den Anlagebetrug mit Online-Plattformen, der laut Münzer stetig zunimmt. Anleger werden über verschiedene Wege auf entsprechende Websites gelockt, auf denen sie ihre Kontaktdaten eingeben können und anschließend von Callcentern kontaktiert und zum Investieren aufgefordert werden. Hinter entsprechenden Login-Seiten finden sich Charts, auf denen der Anleger seine vermeintlichen Handelserfolge sehen kann.
„Aus 250 Euro werden dort rasch mal 390 und dann 1.400 – das verleitet Anleger dazu, Geld nachzuschießen“, erklärt der Bafin-Experte. Aber: „Sämtliche Handelserfolge, die man dort sieht, sind fingiert“. Wenn dann der erste Auszahlungswunsch kommt, verlangen die Plattformen meist noch Steuern oder Gebühren – oft wird der Sitz der Plattform im Ausland als Grund genannt. Zu einer Auszahlung kommt es anschließend in der Regel aber nicht.
Recovery-Betrug: Geschädigte Anleger werden oft erneut betrogen
Die Opfer von Finanzbetrug laufen zudem Gefahr, ein zweites Mal betrogen zu werden – durch sogenannten Recovery-Betrug. Dabei wenden sich entweder die Betrüger selbst noch einmal unter anderem Namen an die geschädigten Anleger. Teilweise werden die Datensätze, aus denen hervorgeht, wie viel ein Anleger in welchem Zeitraum bei welcher Plattform eingezahlt hat, aber auch weiterverkauft.
In beiden Fällen wendet sich ein Unternehmen, oft mit „Recovery Solution“ im Namen, an die geschädigten Anleger – und verspricht, ihr Geld gegen eine Aufwandsentschädigung zurückzuholen. Wer die Zahlung leistet, sieht sein Geld in der Regel nicht wieder. „Es gibt Anleger, die ihre komplette Altersvorsorge investiert haben“, sagt Münzer. Sogar Fälle, in denen Verbraucher Kredite aufgenommen haben, hat er erlebt: „Manche sind nach so einem Betrug finanziell ruiniert.“
Der Betrug über Online-Plattformen habe sich seit den Anfängen in den Jahren 2017/ 2018 immer weiter professionalisiert, wie der Finanzaufseher beobachtet. Eine weitere Schwierigkeit: Haben Täter vor einigen Jahren teilweise noch Unternehmen in Deutschland gegründet und auf diesen Namen Bankkonten eröffnet, hat sich der Zahlungsverkehr mittlerweile fast komplett ins Kryptowesen verlagert.
Im nachfolgenden Interview erklärt Jens Münzer im Detail, wie sich die Betrugsmaschen in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben und auf welche Warnzeichen Anleger achten sollten.
Sie sind seit fast 25 Jahren bei der Bafin tätig. Wie haben sich die Betrugsmaschen in dieser Zeit verändert?
Jens Münzer: Vor der digitalen Zeit hatten wir es hauptsächlich mit Aktien-Betrug zu tun. Das bedeutet, wertlose oder gar nicht existierende Aktien wurden über Callcenter an Anleger vertrieben. Es gab auch früher schon Fake-Banken, das war aber für Betrüger recht aufwendig. Seit sich Finanzbetrug zu großen Teilen ins Internet verlagert hat, beobachten wir im Wesentlichen zwei Maschen: Festgeldbetrug und Anlagebetrug über Online-Plattformen.
Wie locken diese Plattformen Verbraucher auf ihre Websites?
Münzer: Einige sind über Suchmaschinen auffindbar, andere über Werbeanzeigen bei Online-Medien. Oft werben diese Anzeigen mit Bildern von Prominenten. Wer darauf klickt, landet auf einer Website, die mit schnellen Erfolgen durch Trading wirbt. Gibt der Nutzer dort seine Daten ein, wird meist telefonisch Kontakt aufgenommen. Zudem gibt es Betrüger, die über Social Media Kontakt zu potenziellen Opfern aufnehmen – häufig über Telegram- und Whatsapp-Gruppen. Auch Dating-Plattformen dienen als Einstieg. Typisch ist, dass in diesen Fällen nach dem ersten Hin- und Herschreiben schnell das Thema Geldanlage ins Gespräch gebracht wird.
Wie läuft so ein Betrug ab?
Münzer: Auf Dating-Portalen verwenden Betrüger häufig Profilbilder, auf denen sie ihren vermeintlichen Reichtum zur Schau stellen – zum Beispiel im Ferrari sitzen. Kommt das Thema Geld zur Sprache, heißt es dann zum Beispiel, dass ein Angehöriger bei einem Broker im Ausland arbeitet und Zugang zu einer speziellen Handelsplattform hat, über die sich besonders viel Geld verdienen lässt. Den potenziellen Opfern werden Links zu diesen vermeintlich exklusiven Seiten zugespielt, über die sie angeblich investieren können. Wer Geld einzahlt, bekommt fingierte Charts mit vermeintlichen Handelserfolgen angezeigt – und soll nachschießen.
Was passiert, wenn man sich Gewinne auszahlen lassen will?
Münzer: Die Plattformen verlangen in der Regel noch angebliche Steuern oder Gebühren – begründet wird das damit, dass die Handelsplattform ihren Sitz im Ausland hat. In den allermeisten Fällen sieht der Anleger aber nie Geld.
Gibt es Ausnahmen?
Münzer: In seltenen Fällen zahlen Betrugsplattformen vermeintliche Gewinne an Anleger aus. Das passiert dann, wenn Betrüger glauben, dass der Kunde sehr vermögend ist, aber noch Zweifel hat. Das ist aber die absolute Ausnahme.
Von Anlagebetrug ist „eine große Bandbreite“ von Menschen betroffen
Ältere Menschen sind nach der öffentlichen Wahrnehmung besonders häufig von bestimmten Betrugsmaschen betroffen. Gilt das auch für Anlagebetrug?
Münzer: Es ist ein gängiges Vorurteil, dass nur bestimmte Menschen auf Anlagebetrug hereinfallen. Betroffen ist aber eine große Bandbreite. Je nachdem, über welchen Weg die Kontaktaufnahme erfolgt, trifft es auch viele jüngere Menschen. Social-Media- oder Dating-Plattformen sind solche Beispiele. Die Mitarbeiter der Callcenter, die sich an Anleger wenden, sind häufig psychologisch gut geschult und agieren sehr professionell.
Sind die Täter heute professioneller als früher?
Münzer: Leider ja. Als der Betrug über Online-Plattformen losging – das war 2017 / 2018 – hatten wir es noch mit einer sogenannten vertikalen Täterstruktur zu tun. Das bedeutet, dass sich eine Tätergruppe über eine Plattform an Anleger gewendet hat – sozusagen Betrug aus einer Hand. Mittlerweile gibt es horizontal operierende unterschiedliche Tätergruppen.
Können Sie das genauer erklären?
Münzer: Das heißt, dass eine Tätergruppe Domains einträgt und Websites generiert. Die Daten der Anleger, die sich auf diesen Seiten registrieren, werden dann wiederum anderen Betrügern angeboten, die über Callcenter Kontakt aufnehmen. Diese Einzahlungen werden dann wieder von anderen Tätergruppen verwaltet und teilweise gewaschen. Hat der Kunde den Betrug bemerkt, werden seine Daten dann nochmals an andere Betrüger weiterverkauft – sogenannter Recovery-Betrug. Wir haben es also größtenteils mit unabhängig voneinander agierenden Tätergruppen zu tun, die auf einen Teilbereich spezialisiert sind. Das macht die Verfolgung schwieriger.
Welche Möglichkeiten hat die Bafin, um Anlagebetrug zu stoppen?
Münzer: Wir sind eine Aufsichtsbehörde, keine Strafverfolgungsbehörde. Das bedeutet, wir lizenzieren Teilnehmer am Finanzmarkt, die als Bank, Versicherung, Finanzdienstleister oder Berater auftreten, und beaufsichtigen diese. In diesem Zuge verfolgt die Bafin Marktteilnehmer, die Finanzdienstleistungen oder Bankgeschäfte ohne Erlaubnis erbringen. Nicht immer haben diese Personen und Firmen einen betrügerischen Hintergrund – aber häufig. Selbstverständlich arbeiten wir mit Polizeibehörden zusammen, gerade bei der Verfolgung von Anlagebetrug.
Sie warnen regelmäßig vor unseriösen Angeboten. Bemerken Sie, dass Betrüger darauf reagieren?
Münzer: Unsere Warnungen dienen in erster Linie dazu, Anleger vor einem betrügerischen Angebot zu schützen. Parallel arbeiten wir aber auch daran, die Internetseiten möglichst schnell abschalten zu lassen. Dabei sind wir auf die freiwillige Mitarbeit der Provider angewiesen. Manche kommen dem schnell nach, andere nicht. Schwieriger wird das, wenn es sich um Websites handelt, die nicht von Suchmaschinen gefunden werden. Dieses Schema sehen wir oft bei Betrügern, die ihre Opfer über Social Media kontaktieren.
Häufig geht es in den Warnungen der Bafin um Betrüger, die unter falschem Namen Finanzprodukte anbieten – auch bekannte Unternehmen aus der Branche waren in jüngerer Zeit betroffen. Hat dieser Identitätsmissbrauch zugenommen?
Münzer: Identitätsdiebstahl gab es eigentlich schon immer – ist aber in der digitalen Welt viel einfacher geworden. Ganze Internetseiten lassen sich innerhalb von Minuten kopieren. Ein Beispiel sind falsche Banken, die häufig vorgeblich aus dem EU-Ausland stammen. Sprich: In Deutschland versuchen es Betrüger mit falschen französischen Banken – in Frankreich ist es umgekehrt. Dadurch fliegt der Betrug meist nicht so schnell auf – auch, weil viele die Sprache nicht sprechen. Ein Warnzeichen können merkwürdig klingende E-Mail-Adressen sein.
Tipp für Anleger: Jeden Anbieter genau überprüfen
Auf welche Warnsignale sollten Verbraucher noch achten?
Münzer: Es gibt unterschiedliche Auffälligkeiten, die stutzig machen sollten. Drei Beispiele: Wenn jemand auf Dating-Portalen unterwegs ist und das Gespräch nach kurzer Zeit auf Geldanlage gelenkt wird, ist das definitiv ein Warnzeichen. Dann gibt es Anzeigen mit Prominenten, bei denen behauptet wird, dass zum Beispiel ein Prominenter im TV irgendeinen genialen Anlagetipp gegeben hat. So etwas ist immer Quatsch. Und dann wiederum gibt es kein zugelassenes Institut auf der Welt, das mit Fernwartungssoftware auf den Kundenrechner zugreifen will. Aber auch das lassen viele Verbraucher zu.
Wie kann man sich vor Anlagebetrug schützen?
Münzer: Wer im Internet mit Anlageprodukten Geld verdienen will, sollte jeden Anbieter genau überprüfen. Eine einfache Möglichkeit ist zum Beispiel, die Adresse bei Google Maps anzuschauen. Ist das ein abgelegener Stall oder eine einsame Hütte, stimmt etwas nicht. Außerdem lässt sich leicht nachschauen, ob die angegebenen Telefonnummern zur Adresse passen. Typisch ist bei Betrug auch, dass ein Unternehmen namentlich auftritt, man aber Geld an ein anderes Unternehmen überweisen soll. Hat man es nicht physisch mit seiner Hausbank zu tun, sollte man immer eine kritische Grundhaltung wahren – besonders bei Neukontakten. Da sind die Verbraucher selbst gefordert.
Liegt es auch an mangelndem Finanzwissen, das Menschen auf Anlagebetrug hereinfallen?
Münzer: Es kommt vor, dass Produkte verkauft werden, die nicht funktionieren. Bei einem Festgeld-Angebot mit 7,3 Prozent Zinsen in der EU mit Einlagensicherung sollte man merken, dass etwas nicht passt. Das ist aber nicht die Masse. Häufig ist es eher mangelndes technisches Wissen im Zusammenhang mit dem Internet.
Inwiefern?
Münzer: Viele Verbraucher gehen sehr sorglos mit neuen Internetkontakten um. Bestimmte Schlüsseldinge werden nicht hinterfragt oder überprüft, etwa woher jemand kommt und welche Motive hinter seinem Handeln stecken könnten. Stattdessen handeln Menschen oft völlig irrational.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Münzer: Wer Geld übrighat, kann ins Casino gehen – oder online irgendwo Geld investieren. Geht es schief, ist man dann aber nicht ruiniert. Anders sieht es aus, wenn jemand seine ganze Altersvorsorge einsetzt oder sogar einen Kredit aufnimmt, um eine Geldanlage zu tätigen. Das ist eine komplett irrationale Handlungsweise. Hierbei ist jeder für sein Handeln selbst verantwortlich.
Über den Interviewten:
Jens Münzer ist bei der Bafin für die Verfolgung verbotener und unerlaubt betriebener Geschäfte zuständig und informiert unter anderem im Podcast der Behörde über Anlagebetrug.



