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Interview mit Yuko Takano, Pictet AM „Engagement beruht immer auf Gegenseitigkeit“

Unternehmen lassen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln analysieren
Unternehmen lassen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln analysieren: „In erster Linie suchen wir Unternehmen mit soliden Bilanzen und dem Potenzial hoher Renditen, denn um nachhaltiger zu werden, wird mitunter viel Kapital benötigt“, sagt Yuko Takano, Investmentmanagerin bei Pictet Asset Management. | Foto: Imago Images / Shotshop

DAS INVESTMENT: Frau Takano, welche Neuerungen sehen Sie beim verantwortungsvollen Investieren?

Yuko Takano

Yuko Takano: Ich habe das Gefühl, dass wir einen Wandel durchlaufen. Bei ESG 1.0 ging es um Ausschlüsse, das heißt um die Streichung bestimmter Sektoren aus den Portfolios von Kunden, die nach bestimmten Überzeugungen investieren wollten.

Mitte 2010 begannen die Vermögensverwalter dann mit der Einführung von Strategien, bei denen es weniger um Ausschlüsse ging, als vielmehr darum, innovative Unternehmen zu finden, die zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen können – das war ESG 2.0. Eine Schwachstelle dieses Ansatzes ist aus meiner Sicht die Verwendung von Nachhaltigkeits-Scores von MSCI oder Sustainalytics, da diese Scores retrospektivisch und eng gefasst sind. Technologieunternehmen, Banken oder Gesundheitsunternehmen punkten sehr stark, da sie deutlich weniger Umweltauswirkungen haben als Industrie- oder Ölunternehmen. 

Die Investoren haben in den letzten Jahren massiv in solche ESG-Titel mit hohem Score investiert.

Takano: Ja, sie wurden von den Märkten reich belohnt, aber das Ergebnis waren stark wachstumsorientierte, technologielastige nachhaltige Portfolios. Jetzt treten wir meiner Einschätzung nach in die nächste Phase ein – zum Teil aufgrund des Marktabschwungs. Bei ESG 3.0 geht es darum, sich wieder auf die Basics zu besinnen und die Unternehmen einem intensiven Research zu unterziehen. Um Anlagechancen zu finden, dürfen sich Investoren nicht nur auf die führenden Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit konzentrieren, sondern müssen sich auch in weniger beachteten Bereichen umschauen, zum Beispiel bei Unternehmen, die sich im Übergang befinden.

Was genau heißt „im Übergang“ für Sie?

Takano: Der Übergang oder Wandel beschreibt die Entwicklung hin zu einer positiveren Wirkung beziehungsweise zu einem besseren ESG-Verhalten der Unternehmen. Im Energiesektor sind das zum Beispiel Unternehmen, die aus fossilen Brennstoffen aussteigen und stattdessen Energiequellen ohne oder mit geringen CO2-Emissionen nutzen.

 

Auch im Bereich der sozialen Verantwortung vollzieht sich ein grundlegender Wandel, sowohl im Hinblick auf die Diversität als auch auf den Umgang der Unternehmen mit ihren Beschäftigten. So sollte beispielsweise aus sozialer oder geschäftlicher Perspektive niemand mehr unterbezahlt sein, auch wenn wir in einigen US-Unternehmen aus dem Einzelhandels- und Dienstleistungssektor genau das Gegenteil beobachten. Bei Walmart oder Amazon ist die Mitarbeiterbindung ein wichtiges Element des Investment Case, da sie sich unmittelbar im Finanzergebnis niederschlägt. Unternehmen mit hohen Fluktuationsraten dagegen müssen ständig neue Mitarbeiter finden und einarbeiten, was enorm viel Geld kostet und die Aktionärsrenditen schmälert.

Wie investieren Sie in ESG 3.0?

Takano: Unser Ziel ist es, in Unternehmen zu investieren, die sich im Wandel befinden und deren Übergang noch nicht vollständig vom Markt eingepreist wurde. Wir glauben, dass es viele Anlagechancen in weniger beliebten Sektoren wie Industrieunternehmen, manchmal auch Energie und Versorger, gibt, denn ohne diese Unternehmen wird die Nachhaltigkeitswende nicht gelingen.

Wir versuchen, ganzheitlich an mögliche Investments heranzugehen, indem wir viele Informationen sammeln und die Unternehmen aus unterschiedlichen Blickwinkeln analysieren. Wir recherchieren selbst und treffen eigene Entscheidungen. Auch wenn die Ratingagenturen viel besser geworden sind, was die Bereitstellung verschiedener Arten von Daten und Research anbelangt, wollen wir uns nicht blind auf ihre Schlussfolgerungen verlassen. Für mich ist es so, als würden wir uns wieder auf die Basics des Investierens besinnen, was im Vergleich zu den jüngsten Trends in der Branche eigentlich eher unkonventionell ist.

Aktive Fondsmanager können sich mittels Fundamentalresearch einen eigenen Eindruck verschaffen.

Takano: Diese Herangehensweise unterscheidet sich deutlich von einem passiven ESG-Fonds. Wir müssen ein Unternehmen, seine Risiken und Chancen und sein Potenzial für den Wandel verstehen. Ein aktiver Dialog ist wichtiger Bestandteil unserer Strategie. Wir arbeiten mit einigen Unternehmen zusammen, die wir bis zu viermal im Jahr treffen, um sie bei ihrem Übergang zu unterstützen und Orientierung zu geben.

Welche Art von Unternehmen suchen Sie?

Takano: In erster Linie suchen wir Unternehmen mit soliden Bilanzen und dem Potenzial hoher Renditen, denn um nachhaltiger zu werden, wird mitunter viel Kapital benötigt. Zweitens möchten wir in Unternehmen investieren, bei denen sich die ökologischen oder sozialen Auswirkungen von Produkten und Dienstleistungen direkt in operativen Verbesserungen niederschlägt. Und manchmal sind Chancen nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen.