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Im Börsenjahr 2023 Diese Risiken sollten Anleger im Blick haben

Kreml in Moskau
Kreml in Moskau: Wladimir Putin könnte die Öl- und Gaslieferungen in den Westen wieder aufnehmen, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch Russlands zu verhindern. | Foto: Imago Images / Russian Look

Schwarze Schwäne zeichnen sich durch eine vergleichsweise geringe Eintrittswahrscheinlichkeit und einen starken Einfluss auf die Finanzmärkte aus. Szenarien wie der Einsatz taktischer Atomwaffen Russlands, eine Eskalation des Konflikts zwischen China und Taiwan oder ein Zahlungsausfall der USA, weil die Republikaner die notwendige Anhebung der Schuldengrenze blockieren, zählen nicht dazu. Diese möglichen Entwicklungen haben die meisten Anleger bereits im Fokus und kämen wenig überraschend. In diesem Jahr sollten Börsianer fünf verschiedene, derzeit noch unwahrscheinliche Szenarien auf dem Radar haben.

1. Der Konflikt mit dem Iran eskaliert

Ein erster Schwarzer Schwan könnte eine Eskalation im Konflikt mit dem Iran sein. Ein Abkommen zwischen Washington und Teheran ist gescheitert. Vielmehr arbeitet das Land weiter ungehindert an seinem Atomprogramm. Zudem unterstützt das Mullah-Regime den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mit Waffenlieferungen. Das könnte zu einer Intervention der USA und Israels führen. Gleichzeitig könnte der Iran seine militärischen Eingriffe in der Region verstärken, um Israel abzuschrecken und die Proteste im eigenen Land weiter brutal zu unterdrücken. Doch der Widerstand gegen den angeblichen Gottesstaat geht durch alle Bevölkerungsschichten. Außerdem steht in den kommenden Jahren altersbedingt ein Führungswechsel an, was für Instabilität sorgen könnte. Es ist denkbar, dass der Iran zerfällt und das Land in ein Chaos schlittert. Eine Verknappung des weltweiten Ölangebots wäre die Folge. Gegen dieses Szenario können sich Anleger unter anderem mit dem Kauf von Aktien westlicher Ölkonzerne schützen. Zumindest würde dieses Szenario ein militärisches Eingreifen der USA und Israels vorerst überflüssig machen. Bei einem Regimewechsel bestünden Chancen für erneute Verhandlungen.

2. Russland liefert wieder Öl und Gas

Moskau hat seine militärischen Möglichkeiten offensichtlich überschätzt. Die Ablösung von Kommandeur Sergej Surowikin nach nur vier Monaten verdeutlicht die Schwierigkeiten der russischen Truppen. Gleichzeitig wollen Finnland und Schweden der Nato beitreten und der Westen liefert nun doch Kampfpanzer an die Ukraine. Zu der militärischen Misere des russischen Militärs kommen noch die wirtschaftlichen Sanktionen Europas und der USA. Das könnte Moskau dazu zwingen, seine Öl- und Gaslieferungen in den Westen wieder aufzunehmen, um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch zu vermeiden. Vorher dürfte Präsident Wladimir Putin allerdings wohl versuchen, in der Ukraine zumindest ein Patt zu erreichen. Schließlich finden 2024 in Russland Wahlen statt und Öl- sowie Gaslieferungen könnten den Westen dazu bewegen, seine Unterstützung für die Ukraine noch zu verstärken. Dieser eigentlich Weiße Schwan würde an den Finanzmärkten für reichlich Euphorie sorgen.

 

 

3. Tauwetter zwischen den USA und China

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US-Präsident Joe Biden hat von seinem Vorgänger Donald Trump die harte Linie gegenüber der Volksrepublik übernommen. Im Kern geht es darum, den chinesischen Präsidenten Xi Jinping davon abzuhalten, seine aggressive Außenpolitik fortzusetzen. Peking hat sich allerdings in einer 180-Grad-Wende von seiner Null-Covid-Politik verabschiedet, um die Wirtschaft wieder ins Laufen zu bringen. Dazu dient auch eine Charme-Offensive bei verschiedenen Verbündeten der USA. Zwar sind auch 2023 weitere Drohgebärden Chinas gegenüber Taiwan zu erwarten. Peking könnte aber auf militärische Interventionen verzichten, um vor allem die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA wieder zu verbessern. Auch hierbei handelt es sich eher um einen Schwan mit weißen Federn, den die Börsianer sicherlich begrüßen würden.

4. Putsch in der Türkei

In dem Land stimmen die Menschen am 14. Mai über das Parlament und gleichzeitig über den Präsidenten ab. Nach allen Umfragen müsste eigentlich der bisherige Präsident Recep Erdogan abgewählt werden. Doch seit seiner Verfassungsänderung 2017 versucht er um jeden Preis an der Macht zu bleiben. Dazu gehört auch die Inhaftierung missliebiger Oppositionspolitiker. Erdogan verfolgt nicht nur im In-, sondern auch gegenüber dem Ausland eine ausgesprochen aggressive Politik, zum Beispiel mit seinem Säbelrasseln gegenüber Griechenland oder der Blockierung des Nato-Beitritts Schwedens. Wenn Erdogan tatsächlich die Wahlen zu seinen Gunsten manipulieren sollte, könnte das Militär eingreifen. Solche Putsche haben in der Türkei gewissermaßen Tradition. Die Finanzmärkte würden wahrscheinlich einen Regimewechsel in der Türkei weitgehend ignorieren. Bei einem militärischen Konflikt mit Griechenland sähe das sicherlich anders aus.

5. Ein wirklicher Konflikt mit Nordkorea

Schließlich könnten die Zwistigkeiten mit Pjöngjang aus dem Ruder laufen. Da die Beziehungen zwischen den USA, China und Russland schwer gestört sind, bestehen viel weniger Möglichkeiten als früher, die koreanische Halbinsel bei Krisen zu stabilisieren. Das könnte Washington dazu bewegen, wieder auf Peking zuzugehen. Bislang lassen sich die internationalen Finanzmärkte von den nordkoreanischen Provokationen nur wenig beeindrucken. Aber das Regime unter Präsident Kim Jong-un ist unberechenbar und verfügt mittlerweile wahrscheinlich über Nuklearwaffen. Daher ist zumindest eine größere militärische Aggression Nordkoreas nicht auszuschließen, die dann auch nicht an den Finanzmärkten spurlos verbeigehen dürfte. Die Zeiten, in denen Börsen politisch kurze Beine hatten, sind erst einmal vorbei. Anleger sollten 2023 nicht nur die wirtschaftlichen, sondern vor allem auch die geopolitischen Entwicklungen im Blick behalten. Die gute Nachricht lautet aber: Nicht jeder Schwan muss unbedingt schwarz sein.


Über den Autor: Norbert Hagen ist Vorstandssprecher der ICM Investmentbank.

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