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Diese Auswirkungen haben steigende Zinsen auf verschiedenen Anlageklassen

Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Transkript der sechsten Episode des M&G-Podcasts „Investment Business“
Dieser Podcast ist nur für professionelle Anleger in Deutschland und Österreich und qualifizierte Anleger in der Schweiz bestimmt.
Die ruhigen Zeiten liquider Märkte sind vorbei – aktuell schlägt die Stunde der aktiven Assetmanager! Deshalb dreht sich heute bei uns alles um das Thema „Flexible Anlagestrategien“.
In dieser Episode beantwortet Ivan Domjanic unter anderem die Fragen:
- welche Auswirkungen die aktuell steigenden Zinsen auf die verschiedenen Anlageklassen haben.
- welche Strategien Investorinnen und Investoren verfolgen sollten, um von den Entwicklungen am Markt zu profitieren.
- wie selbst am Anleihemarkt in volatilen Marktphasen schnell reagiert werden kann.
- wie Investierende auch ETFs nutzen können, um das Risiko im Portfolio zu reduzieren.
Peter Ehlers: Hallo zusammen und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcast. Heute mit dem spannenden Thema: Flexible Anlagestrategien. Von 2009 bis 2022 haben die Notenbanken über niedrige Zinsen und den Aufkauf von Staatsanleihen den Markt mit enormer Liquidität versorgt. Das hat dann alle Assetklassen von Aktien über festverzinsliche Wertpapiere nach oben getragen. Man konnte also nicht allzu viel falsch machen. Das ist durch die Inflation und die daraus erfolgte Erhöhung der Leitzinsen jetzt vorbei. Jetzt ist aktives Asset Management gefragt, also flexible Anlagestrategien. Aber was heißt das eigentlich genau? Wie geht das? Und was passiert beispielsweise mit ETFs, die ja nicht flexibel auf Marktphasen reagieren können. Können die zukünftig überhaupt noch performen, oder beginnt jetzt die Phase der aktiven Manager? All das und noch viel mehr bespreche ich jetzt mit Ivan Domjanic, dem Kapitalmarktstrategen von M&G Investments in unserer heutigen sechsten Podcastfolge von Investment Business. Morgen, Ivan.
Ivan Domjanic: Servus, Peter.
Peter Ehlers: Mir ist heute Morgen der Kaffee ausgegangen, da musste ich dann ganz flexibel sein und auf Tee ausweichen. Kein Drama, aber so ist das manchmal. Wann und wodurch ist deine Flexibilität das letzte Mal gefordert gewesen?
Ivan Domjanic: Ja, also bei meiner letzten London-Reise ist mein Flug nach London gestrichen worden, wegen schlechtem Wetter. Also bin ich da flexibel auf den Zug umgestiegen. Hat zwar ein bisschen länger gedauert, aber war wahrscheinlich stressfreier, weil zur gleichen Zeit am Flughafen Heathrow wohl ein Chaos geherrscht haben soll. Und nachhaltiger war es natürlich auch.
Peter Ehlers: Natürlich, genau. Also, Flexibilität kann im Alltag nicht schaden?
Ivan Domjanic: Flexibilität ist sicherlich nie verkehrt.
Peter Ehlers: Okay. An den Kapitalmärkten kann fehlende Flexibilität richtig teuer werden. Aktuell steigen die Zinsen, auch die Notenbanken mussten ihre Leitzinsen erhöhen. Dadurch ist den Märkten die Liquidität entzogen worden. Magst du uns kurz diesen Zusammenhang erklären?
Ivan Domjanic: Man muss da ein bisschen unterscheiden zwischen den Zinsentscheidungen der Zentralbanken und den Aufkaufprogrammen. Beides hat natürlich Auswirkungen auf die Konjunktur, auf die Märkte vor allem auch. Senkt die Zentralbank die Zinsen, dann wirkt das natürlich stimulierend, erhöht sie die Zinsen, dann wirkt es natürlich eher negativ auf die Konjunktur. Aber es wird dem Markt durch solche Zinssenkungen nicht unbedingt Liquidität direkt hinzugefügt. Sondern die Zentralbanken sind da abhängig von den Geschäftsbanken, dass die Geschäftsbanken die Kreditvergabe erhöhen, weil die Zinsen tiefer sind.
Peter Ehlers: Also mehr Kredite vergeben?
Ivan Domjanic: Mehr Kredite vergeben. Das erhöht dann letztlich die Liquidität im Wirtschaftssystem. Aber das hängt natürlich auch wiederum davon ab, wie hoch die Kreditnachfrage in der Wirtschaft ist. Bei den QE-Programmen ist es anders.
Peter Ehlers: QE ist Quantitative Easing?
Ivan Domjanic: Richtig, das sogenannte Quantitative Easing. Durch diese QE-Programme können die Zentralbanken dem Finanzsystem direkt Liquidität zuführen, und sie können die Zinsen mit längerer Laufzeit ebenfalls direkt beeinflussen, indem sie als großer Käufer auftreten.
Peter Ehlers: Und wie geht das? Wie sieht der Mechanismus da aus?
Ivan Domjanic: Sie kaufen im Prinzip den Geschäftsbanken Staatsanleihen ab und bezahlen diese Staatsanleihen mit elektronisch frisch kreiertem, also frisch gedrucktem Geld, könnte man sagen. Und damit führt sie quasi dem Finanzsystem Liquidität zu.
Peter Ehlers: Und das muss frisches Geld sein, weil das andere Geld ist ja sozusagen in anderer Leute Hände. Das heißt, sie kann das ja nicht anderen wegnehmen, um zu bezahlen, also muss sie frisches Geld nehmen und erhöht damit die Geldmenge.
Ivan Domjanic: Richtig. Die Geldmenge erhöht sich dadurch, und gerade nach der Finanzmarktkrise haben ja die Zentralbanken massive QE-Programme aufgelegt, haben damit eben den Markt mit Liquidität geflutet, die Renditen insgesamt, im kurzen Ende aber auch im langen Ende nach unten gedrückt, und das wirkt sich dann natürlich auch auf alle anderen Anlageklassen aus. Auch auf die Aktienmärkte, über Immobilien, bis hin zu Kunstgegenständen. Also, alles wurde durch diese Liquidität letztlich ein Stück weit nach oben gespült.
Peter Ehlers: Wir müssen ja auch sehen, niedrige Zinsen bedeutet natürlich auch, dass Unternehmen günstigere Kredite aufnehmen können, um ihre Geschäfte auszuweiten. Es ist ein Wirtschaftsanreiz, den man damit auslöst. Dann hatten wir aber auch, jetzt zumindest in der COVID-Pandemie, immer das Thema Helikoptergeld in den USA. Das war ja eigentlich auch ein ziemlich starkes Subventionsprogramm, oder Anreizprogramm. Kannst du das kurz erläutern, wie das lief?
Ivan Domjanic: Ja, also es war indirektes Helikoptergeld, kann man dazu sagen. Das heißt, zum einen hat man im Zuge der COVID-Pandemie nochmal massivere QE-Programme aufgelegt, als es nach der Finanzmarktkrise der Fall war. Gleichzeitig hat der Staat dann aber seinen Bürgern Geldschecks aufs Konto überwiesen.
Peter Ehlers: Wie genau ging das?
Ivan Domjanic: Im Prinzip hat der Staat einfach den Bürgern Geld aufs Konto überwiesen. Gleichzeitig hat die Zentralbank die Staatsanleihen, also im Prinzip neue Schulden des Staates, aufgekauft. Und über diesen Umweg könnte man im Prinzip Helikoptergeld dazu sagen. Und das ist übrigens auch der Grund dafür, meines Erachtens, warum wir teilweise in 2020 und 2021 solche spekulativen Übertreibungen in bestimmten Marktsegmenten gesehen haben. Wie beispielsweise gerade bei den unprofitablen Technologiewerten oder SPACs, oder auch bei einigen Kryptowährungen. Das war meines Erachtens sicherlich auch dem geschuldet, dass die Haushalte sehr viel frische Liquidität hatten durch diese Geldschecks.
Peter Ehlers: Das heißt, das war ja für alle Anlageklassen gut und super, die haben alle davon profitiert. Doch das ist ja jetzt vorbei. Und jetzt wurden die Zinsen ja gerade jüngst erhöht von der europäischen Zentralbank, der EZB aber auch von der Federal Reserve, also der Fed, der amerikanischen Zentralbank. Was bedeutet das denn jetzt für euch als Asset Manager?
Ivan Domjanic: Was wir jetzt 2022 gesehen haben, war im Prinzip genau das Gegenteil von den zehn Jahren zuvor, allerdings im Zeitraffer. Wenn man jetzt plötzlich wieder drei bis vier Prozent risikolose Zinsen bekommt, wie es beispielsweise in den USA der Fall ist, dann werden natürlich alle anderen Anlageklassen, die damit konkurrieren, im Vergleich unattraktiver. Hinzu kommt aber auch, dass das QE-Programm vorbei ist und damit dem Markt keine neue, frische Liquidität laufend zugeführt wird, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Zumindest im Westen nicht. In China beispielsweise ist es etwas anders. Aber wir beobachten gerade in den USA und in Europa, dass die Geldmenge sogar am Abnehmen ist, momentan. Und das bedeutet, dass letztlich die einzelnen Kapitalanlagen um immer knapper werdendes Kapital konkurrieren, was insgesamt die Bewertungen unter Druck setzt und eben auch dazu führt, dass die Investoren vor allem auch wieder selektiver werden in den Anlageklassen, die sie auswählen. Das heißt also, Fundamentaldaten spielen unseres Erachtens in so einem Umfeld wieder eine deutlich wichtigere Rolle, und das kommt natürlich aktivem Management zugute. Und deswegen wird sich aktives Management in Zukunft unserer Meinung nach auch wieder stärker auszahlen. Die Zeit, in der alle Anlageklassen letztlich durch die frische Liquidität der Zentralbanken nach oben gespült wurden, die ist meines Erachtens vorbei. Das heißt, es wird größere Unterschiede in der Werteentwicklung unterschiedlicher Anlageklassen und auch unterschiedlicher Einzeltitel geben, und damit dürften Flexibilität und auch taktische Allokation in Zukunft meines Erachtens auch wieder wichtiger werden.
Peter Ehlers: Das heißt also, wir hatten ja vorher die Situation, es gab so viel Geld am Markt, dass eigentlich das Geld schon fast nach Möglichkeiten gesucht hat, und das Angebot gar nicht so groß war. Und damit jede Assetklasse von der Situation profitiert hat. Und jetzt ist es andersherum, jetzt ist weniger Geld da, mehr Angebot, und jetzt konkurriert man stark, jetzt sind die Anlageklassen und auch die einzelnen Anlagen im Wettbewerb um das Geld, das im Markt ist. Kann man das so vereinfacht sagen?
Ivan Domjanic: Genau. So kann man es auch darstellen, ja.