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Nachhaltigkeitsanalyse Anleger aufgepasst: Vorsicht bei ESG-Ratings

Bau eines Windrads
Bau eines Windrads: Sind Unternehmen, die Bauteile für die Energiewende herstellen, automatisch nachhaltiger als andere aus ihrer Branche? | Foto: imago images / Jochen Tack

Ein Anleger möchte ein Portfolio mit Fokus auf Nachhaltigkeit aufbauen. In welches der folgenden beiden Unternehmen wird er wohl investieren:

In das norwegische Maschinenbauunternehmen Tomra, das die Sammlung von Plastik- und Glasflaschen zu Recyclingzwecken ermöglicht – oder in den multinationalen US-Konzern Altria, der Tabakprodukte herstellt?

Eigentlich scheint die Sache klar. Orientiert sich der Investor aber am Nachhaltigkeitsrating eines der führenden Anbieter von ESG-Research, wird seine Wahl auf Altria fallen. Denn bei diesem hat das Unternehmen gegenüber Tomra die Nase vorn.

Zahlreiche Anbieter, unterschiedliche Bewertungsmodelle

Nachhaltigkeitsratings erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Mehrere führende ESG-Datenanbieter haben mangels eines globalen Standards eigene Bewertungsmodelle entwickelt, die sich jeweils voneinander unterscheiden. Für Anleger gilt es daher, die zugrunde liegende Methodik zu berücksichtigen.

Unterschiede gibt es bei der Frage, welche Faktoren in das ESG-Rating eines Unternehmens einfließen. Jeder Anbieter verfährt hier anders, je nachdem, wie wesentlich die einzelnen Themen für die jeweilige Branche aus seiner Sicht sind. Das lässt sich am Beispiel des britischen Textilunternehmens Boohoo erkennen: Zwei der größten ESG-Ratingagenturen beurteilten es ganz unterschiedlich – bevor das Unternehmen wegen seiner schlechten Arbeitsbedingungen in den Fokus der Öffentlichkeit geriet.

Es gibt bereits Versuche, die einfließenden ESG-Aspekte zu standardisieren. So hat das Sustainable Accounting Standards Board (SASB) die Materiality Map entwickelt. Außerdem haben die Global Reporting Initiative (GRI) und andere Akteure Leitlinien für die Berichterstattung geschaffen. Die meisten ESG-Ratinganbieter nutzen für ihre Bewertungen allerdings noch ihre eigene Wesentlichkeitsmatrix.

Wie bewertet man die einzelnen Faktoren?

Darüber hinaus stellt sich für jeden ESG-Bereich die Frage, wie er gemessen werden soll. Wie bewertet man zum Beispiel den Einfluss eines Unternehmens auf den Klimawandel? Durch die Messung seines Treibhausgasausstoßes? Wenn ja, sollte man dabei auch die Emissionen berücksichtigen, die aufseiten seiner Lieferanten oder die durch die Nutzung seiner Produkte (Scope-3-Emissionen) entstehen?

Dazu kommt: Sollte eine Ratingagentur von den Treibhausgas-Emissionen eines Unternehmens die Menge abziehen, die mit Hilfe seiner Produkte an anderer Stelle eingespart werden kann? Ein Beispiel: Ein Stahlproduzent liefert Bauteile, die ein Energieversorger für den Aufbau von Windkraftanlagen benötigt. Wird er dadurch nachhaltig, obwohl es sich um eine der kohlenstoffintensivsten Branchen weltweit handelt?

Datenlage oft schwierig – es fehlt ein globaler Standard

Darüber hinaus stellt sich noch die Frage nach der Verfügbarkeit von Daten. Es gibt zwar Versuche, die Offenlegung bestimmter ESG-Informationen zur Pflicht zu machen und ein gemeinsames Format dafür zu definieren. Derzeit existiert allerdings kein weltweit akzeptierter Standard. Am nächsten kommen dem Initiativen wie das SASB, die Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) und die GRI oder das Carbon Disclosure Project (CDP), das Daten über die von Unternehmen verursachten Treibhausgasemissionen weltweit erfasst. Dennoch: Einem vom US-Rechnungshof (Government Accountability Office) kürzlich veröffentlichten Bericht zufolge fehlt es ESG-Berichten noch immer an genügend Details, Konsistenz und Vergleichbarkeit.

Das heißt in der Konsequenz: Jedes ESG-Fondsrating stellt nur einen einzelnen Versuch zur Beantwortung wichtiger Fragen dar.

Um auf das eingangs beschriebene Beispiel mit Tomra und Altria zurückzukommen: Mit einem anderen Rating-Anbieter wäre die Anlageentscheidung vielleicht anders ausgefallen, da Tomra dort unter Umständen das bessere ESG-Rating hat. Diese Diskrepanz zwischen den Einschätzungen der ESG-Analysten spricht nicht gegen Nachhaltigkeitsbewertungen als solche. Vielmehr unterstreicht sie noch einmal, dass sich Anleger über ihre zugrunde liegenden Methodiken und ihre Stärken sowie Schwächen im Klaren sein müssen: Es ist wichtig, ihre Grenzen zu kennen.

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