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Aktualisiert am 20.05.2020 - 12:15 Uhrin InterviewsLesedauer: 4 Minuten

Anleger müssen mutig bleiben 2020 wird grandios oder eine Katastrophe

der fonds: Herr Stopford, was erwarten Sie vom Jahr 2020?

John Stopford: Wir sind auf dem Gipfel der Unsicherheit. Noch immer spüren wir die Folgen der restriktiven Geldpolitik im letzten Jahr. Zweifellos ist die Unsicherheit groß und beeinflusst Anlage- und Ausgabeentscheidungen. Das liegt unter anderem am Handelskrieg zwischen den USA und China, dem Brexit und den Protesten in Hongkong. Es gibt einzelne Hinweise auf kleine Fortschritte – und die Geldpolitik ist erheblich lockerer geworden.

Jetzt stellt sich die Frage, ob der Konsum, der Dienstleistungssektor und der Arbeitsmarkt noch so lange stabil bleiben, bis die lockere Geldpolitik und andere positive Entwicklungen wirken. Oder wird die Wirtschaft unter der Last der schwachen Industriekonjunktur, den Handelskonflikten und den niedrigen Investitionen einbrechen? Schlittern wir vielleicht bereits in eine Rezession?

Es geht also einerseits um eine schwache Industriekonjunktur sowie einen stabilen Konsum und einen starken Arbeitsmarkt andererseits?

Stopford: Der Zyklus war außergewöhnlich und aus meiner Sicht besteht eine Verbindung zwischen Arbeitsmarkt und Unternehmen. Wenn die Unternehmen Probleme haben, stellen sie niemanden ein. Sie entlassen Leute und die Löhne werden nicht erhöht, sondern gesenkt. Der Arbeitsmarkt zittert; er schwächelt, aber bricht nicht etwa ein. Wenn er sich halten kann, können positive Dynamiken wirken, allerdings steht dieser auch nahezu am Rande des Möglichen. Viele Frühindikatoren, die wir beobachten, zeigen Veränderungen der Arbeitslosenquote an. Die Hälfte dieser Indikatoren fällt recht schwach aus, ja fast schon beängstigend, aber noch nicht katastrophal und ein oder zwei sehen noch richtig stabil aus.

Wir stehen am Scheideweg. Hoffentlich – und wahrscheinlich – werden wir eine Rezession abwenden können, aber ich bleibe dabei: Wir befinden uns auf dem Gipfel der Unsicherheit. Es wird noch ein paar Monate dauern, bis wir Klarheit haben, aber eines steht jetzt schon fest: Die Aktienmärkte geben Hoffnung, die Anleihenmärkte machen Angst. Es ist irritierend.

Welche Risiken und Chancen sehen Sie für 2020?

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Stopford: Wenn alles gut läuft, besteht die Chance einer Rotation. Dieser Zyklus ist merkwürdig, da in den meisten Zyklen der Vergangenheit die USA die Führung übernahmen und Europa und Asien mit etwas Abstand folgten. Dieses Mal geht der Abschwung von der Industrie und dem Außenhandel aus – in denen sowohl Europa als auch Asien sehr gut abschneiden. Wenn sich hier die Dinge zum Besseren wenden, werden diese beiden Regionen profitieren.

Wenn wir also einer Rezession entgehen und es zu einer sanften Landung mit anschließender Erholung kommt, besteht die Chance auf eine Neubewertung konjunktursensitiverer Aktien außerhalb der USA. Vielleicht sind auch Finanzwerte betroffen, weil in einem solchen Umfeld die Leute beginnen, die Kurserwartungen und die Geldpolitik zu hinterfragen. Letztlich dürften bei einer weichen Landung die Anleiherenditen steigen.

Die Zinsstrukturkurven könnten schon dann ein bisschen steiler werden, wenn man sich nicht sicher ist, ob die Fed die Zinsen weiter und schließlich bis auf null senkt, weil die Wirtschaft schwach ist oder schwächer wird, oder ob dies am Ende nur eine Präventivmaßnahme ist. Drei Mal hat sie die Zinsen gesenkt und wir wissen, dass dies eine Art Anpassung inmitten des Zyklus ist oder der Absicherung am Ende des Zyklus dient. Vielleicht muss sie gar nicht mehr tun, wenn die Wirtschaft sanft landet und sich am Ende erholt.

Wie bereiten Sie sich auf die möglichen Extremfälle 2020 vor?

Stopford: Unterschiedlich, je nachdem, welcher der beiden Fälle eintritt. Zum einen kann man seine Positionen mit Optionen absichern. Optionen sind eine recht einseitige Sache. Mit ihnen kann man an einer Marktrichtung partizipieren, aber eben nur an einer. Man partizipiert zum Beispiel an Aufschwüngen, nicht an Abschwüngen. Das verursacht Kosten, aber die sind derzeit nicht besonders hoch. Angesichts der enormen Unsicherheit erscheinen uns die Kurse von Optionen beispielsweise auf den Aktienmarkt sehr niedrig.

Ich denke aber auch, dass man ausreichend diversifizieren muss. Man muss aufpassen, keine übermäßigen Risiken einzugehen. Das Risiko sollte eher niedrig gehalten werden und man sollte aus meiner Sicht nach Wertpapieren Ausschau halten, in deren Kursen schon eine Menge schlechter Nachrichten berücksichtigt wurden. Das ist, wie ich schon gesagt habe, in zyklischen Sektoren der Fall, aber auch bei Unternehmen außerhalb der USA, zum Beispiel im Finanzsektor. Die Chancen, an die wir zurzeit denken, finden sich eher bei Aktien als bei anderen wachstumsabhängigen Titeln wie Unternehmensanleihen. Sogar wenn der Zyklus noch nicht zu Ende geht, befinden wir uns in einer so späten Phase, dass Anlageklassen wie High Yield nicht mehr interessant sind.

Was noch passieren kann, ist eine Wende beim US-Dollar. Die außergewöhnliche Lage der USA mit ihrem anhaltend überdurchschnittlichen Wachstum – die ermöglichte, dass die Fed als eine der ganz wenigen Zentralbanken weltweit ihre Geldpolitik straffen konnte – geht zu Ende. Im Vergleich zum Rest der Welt lassen die USA jetzt nach, vor allem wenn es zu einer sanften Landung kommt, und die Fed wird jetzt ihre Geldpolitik stärker als andere Zentralbanken lockern müssen, weil sie weniger Spielraum hat. Ich erwarte keinen Einbruch des US-Dollars, aber die Zeiten mit einem anhaltend starken Dollar, der dem Rest der Welt Probleme bereitet, dürften allmählich vorbei sein.

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