LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in KonjunkturLesedauer: 5 Minuten

Robert Halver über Aktienmarkt-Prognosen Anleger sind auf US-Arbeitsmarkt fixiert wie die Katz auf die Maus

Kapitalmarktexperte Robert Halver
Wie die Katz auf die Maus starren Anleger auf die Daten zum US-Arbeitsmarkt, sagt unser Kolumnist Robert Halver. Zu Recht? | Foto: Fotomontage Jessica Hunold mit Canva/ Baader-Bank/ Robert Halver

Die meistbeachteten Einflussfaktoren an den Finanzmärkten scheinen aktuell die amerikanischen Arbeitsmarktdaten zu sein. Die Logik dabei: Gute Beschäftigungszahlen veranlassen Verbraucher in der konsumabhängigen US-Wirtschaft zum Geld ausgeben, was die Inflation antreibt und die Fed immer weiter die Leitzinsen erhöhen lässt. Und da Zinsen wiederum der Erzfeind für Aktien sind, fallen deren Kurse. Aber machen es sich die Anleger mit dieser Gleichung nicht etwas zu einfach?

Anleger reagieren auf Arbeitsmarktdaten wie der Pawlowsche Hund auf den Glockenton

Zurzeit sind die Anleger auf Daten vom Arbeitsmarkt fixiert, wie die Katze auf die Maus. Auch die US-Notenbank betont sie so häufig wie die Kirche das Amen, hat sie sogar zum Kardinalkriterium für Inflation und ihre Zinserhöhungspolitik erkoren. So ist es kein Wunder, dass die auch zuletzt guten Beschäftigungsdaten die Börsen trafen wie der plötzliche Regen den schirmlosen Spaziergänger.

Aber haben die Daten wirklich so viel Nährwert für Wirtschaft und Börse? Zunächst, wie können im großen Amerika mit seiner verträumten Verwaltung schon am Ende des jeweiligen Monats amtliche Arbeitsmarktzahlen vorliegen? Ganz einfach, sie werden geschätzt, leider sehr grob geschätzt. Damit haben sie nicht wesentlich mehr Verlässlichkeit als aktuelle Prognosen, ob es weiße Weihnachten gibt.  

Konkret wird die Anzahl der neu geschaffenen Stellen geschätzt, indem das Arbeitsministerium jeden Monat ca. 150.000 öffentliche und private Unternehmen befragt, ob und wenn ja, wie viele Menschen eingestellt oder entlassen wurden. Obwohl damit noch nicht einmal eine Million Arbeitsplätze berücksichtigt werden – die Grundgesamtheit also statistisch zu klein ist – rechnet man diese Zahl für alle Beschäftigten Amerikas dennoch hoch.

1.200% Rendite in 20 Jahren?

Die besten ETFs und Fonds, aktuelle News und exklusive Personalien erhalten Sie in unserem Newsletter „DAS INVESTMENT Daily“. Kostenlos und direkt in Ihr Postfach.

 

Dass der Schätzfehler groß ist, lässt sich auch daran erkennen, dass der vom amerikanischen Privatanbieter ADP ermittelte Arbeitsmarktbericht, der zwei Tage vor den offiziellen Daten zu neu geschaffenen Stellen ermittelt wird, oft so krasse Abweichungen zeigt, als ob man zwei verschiedene Länder betrachten würde. Nicht zuletzt werden die Schätzdaten nach einem Monat von der Realität teilweise massiv korrigiert.  

Ebenso ist die offizielle Arbeitslosenrate auf sandigem Gelände gebaut. Zur Berechnung bezieht man sich auf die Anzahl der für Arbeit zur Verfügung stehenden Personen, amerikanisch „Work Force“ genannt. Diese Work Force liefert aber ebenso eine schwammige Basisgröße, die die Arbeitslosigkeit schönt. So werden zum Beispiel Bürger nicht berücksichtigt, die sich nicht mehr als arbeitslos melden, weil sie ohnehin keine staatliche Stütze mehr erhalten oder lieber schwarzarbeiten. Aber auch Teilzeit arbeitende Menschen, die gerne voll arbeiten würden, werden nicht berücksichtigt. Würden die Daten sauber berechnet – wie es der amerikanische Datenanbieter Shadowstats macht – wäre die US-Arbeitslosenquote etwa doppelt so hoch.

Tipps der Redaktion