Anleiheexperte erklärt Deflation, Teil 3 Schuldendeflation birgt große Gefahren
Dieter Hein, Rentenfondsmanager bei der Banque de Luxembourg
Die beiden Theorien können jedoch nicht erklären, warum die Deflation der 1930er Jahre - anders als die Deflationsphasen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts - so dramatische sozio-ökonomische Folgen hatte. Eine Erklärung liefert indes die von Irving Fisher veröffentlichte Theorie der „Schuldendeflation“ aus dem Jahre 1933.(1)
Basis dieser Theorie ist, dass bei einer Deflation und einem Rückgang der Realeinkommen die Schuldner die großen Verlierer sind: Da bei einer Deflation die Schuldenhöhe und die zu zahlenden Zinsen nominal immer gleich bleiben, das Einkommen aber fällt, steigt die reale Schuldenlast. Ist man bereits vor der Deflation hoch verschuldet („Anfangsverschuldung“), so kann dies zu einer Überschuldung führen. In einer solchen Situation wird nun jeder versuchen, seine Schulden zurückzuzahlen. Das geht aber nur durch Reduzierung der Ausgaben; dies wiederum führt zu einer sinkenden Nachfrage und weiteren Preisrückgängen.
Ausgehend von dieser Grundidee hat Irving Fisher folgende Verkettung von miteinander wechselwirkenden Umständen aufgelistet, die zu einer Schuldendeflation und zu einer Rezession führen können:
Hier stellt sich die Frage, wie hoch die Anfangsverschuldung sein muss, damit dieser Prozess zu einer Abwärtsspirale führt.
Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Gesamtverschuldung der USA (private und staatliche Schulden) im Verhältnis zur Wirtschaftskraft seit 1870. Ende des 19. Jahrhunderts war das Verschuldungsniveau offenbar niedrig genug, um den Prozess einer Schuldendeflation zu vermeiden. Bis Anfang der 1930er Jahre hatte sich das Schuldenniveau allerdings im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung verdoppelt, und die Anfangsverschuldung war dann offensichtlich so hoch, dass es zur Großen Depression kommen konnte.
Source : Bureau of Economic Analysis, Federal Reserve (Q1 2011)
Seitdem hat sich vieles verändert: Industrieländer wie die USA haben sich zu Dienstleistungs- und Konsumgesellschaften entwickelt, das Schuldenmanagement und die Finanzprodukte sind komplexer und differenzierter, die sozialen Netze dichter geworden. Daher sind einige Ökonomen der Meinung, die heutigen Volkswirtschaften könnten eine höhere Verschuldung nicht nur verkraften, sondern sogar zwingend brauchen. Dabei bleibt trotz verschiedener Untersuchungen (5) unklar, wie hoch der Verschuldungsgrad und die Schuldenstruktur sein müssen bzw. ab wann der Schuldenstand kritisch wird.
Mir leuchten diese Überlegungen durchaus ein, allerdings erfordern sie, dass einzelne Regionen und Länder differenziert betrachtet werden müssen: Schwellenländer oder Länder mit wenig diversifizierter Volkswirtschaft können schon mit scheinbar niedrigen Schuldenständen überschuldet sein. Andererseits schienen die vergangenen Jahre zu lehren, dass in Ländern wie z.B. Japan die Schuldenstruktur so ist, dass trotz Deflation und hohem Verschuldungsgrad eine Schuldendeflationsspirale mit dramatischen sozialen Folgen ausbleiben kann.
Basis dieser Theorie ist, dass bei einer Deflation und einem Rückgang der Realeinkommen die Schuldner die großen Verlierer sind: Da bei einer Deflation die Schuldenhöhe und die zu zahlenden Zinsen nominal immer gleich bleiben, das Einkommen aber fällt, steigt die reale Schuldenlast. Ist man bereits vor der Deflation hoch verschuldet („Anfangsverschuldung“), so kann dies zu einer Überschuldung führen. In einer solchen Situation wird nun jeder versuchen, seine Schulden zurückzuzahlen. Das geht aber nur durch Reduzierung der Ausgaben; dies wiederum führt zu einer sinkenden Nachfrage und weiteren Preisrückgängen.
Ausgehend von dieser Grundidee hat Irving Fisher folgende Verkettung von miteinander wechselwirkenden Umständen aufgelistet, die zu einer Schuldendeflation und zu einer Rezession führen können:
- Schulden werden durch Notverkäufe getilgt.
- Durch die Rückzahlung der Schulden schrumpft die Geldmenge, und der Geldumlauf verlangsamt sich.(2)
- Dadurch steigt der Wert des Geldes, d.h. die Preise für Waren und Dienstleistungen fallen weiter.
- Die Nachfrage sinkt, dadurch fällt auch das Reinvermögen der Unternehmen.
- Unternehmensgewinne fallen, die Verlustangst steigt.
- Hieraus folgt ein Rückgang der Produktion, des Handels und der Beschäftigung.
- Eine zunehmende Zahl an Konkursen und steigende Arbeitslosigkeit bewirken einen weiteren Vertrauensverlust.
- Geld und Güter werden gehortet; Zurückhaltung bei wirtschaftlichen Transaktionen aller Art führt zu einer Verlangsamung des Güterumschlages, was wiederum eine Verlangsamung des Geldumlaufs bewirkt.
- Alles Bisherige hat Auswirkungen auf den Kapitalmarkt, vor allem auf das Zinsniveau: Nominal gesehen fallen die Zinsen zwar, real jedoch steigen sie, da die Inflation negativ wird. Die reale Schuldenlast steigt also weiter.(3)
Hier stellt sich die Frage, wie hoch die Anfangsverschuldung sein muss, damit dieser Prozess zu einer Abwärtsspirale führt.
Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Gesamtverschuldung der USA (private und staatliche Schulden) im Verhältnis zur Wirtschaftskraft seit 1870. Ende des 19. Jahrhunderts war das Verschuldungsniveau offenbar niedrig genug, um den Prozess einer Schuldendeflation zu vermeiden. Bis Anfang der 1930er Jahre hatte sich das Schuldenniveau allerdings im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung verdoppelt, und die Anfangsverschuldung war dann offensichtlich so hoch, dass es zur Großen Depression kommen konnte.
Source : Bureau of Economic Analysis, Federal Reserve (Q1 2011)
Seitdem hat sich vieles verändert: Industrieländer wie die USA haben sich zu Dienstleistungs- und Konsumgesellschaften entwickelt, das Schuldenmanagement und die Finanzprodukte sind komplexer und differenzierter, die sozialen Netze dichter geworden. Daher sind einige Ökonomen der Meinung, die heutigen Volkswirtschaften könnten eine höhere Verschuldung nicht nur verkraften, sondern sogar zwingend brauchen. Dabei bleibt trotz verschiedener Untersuchungen (5) unklar, wie hoch der Verschuldungsgrad und die Schuldenstruktur sein müssen bzw. ab wann der Schuldenstand kritisch wird.
Mir leuchten diese Überlegungen durchaus ein, allerdings erfordern sie, dass einzelne Regionen und Länder differenziert betrachtet werden müssen: Schwellenländer oder Länder mit wenig diversifizierter Volkswirtschaft können schon mit scheinbar niedrigen Schuldenständen überschuldet sein. Andererseits schienen die vergangenen Jahre zu lehren, dass in Ländern wie z.B. Japan die Schuldenstruktur so ist, dass trotz Deflation und hohem Verschuldungsgrad eine Schuldendeflationsspirale mit dramatischen sozialen Folgen ausbleiben kann.
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