Studio Talk „Anleihen-ETFs bieten einen einfachen Zugang zum Anleihemarkt“
DAS INVESTMENT: Herr Wang, bieten Anleihen derzeit einen „Sweet Spot“ für Anleger?
Matthias Wang: Meiner Ansicht nach könnte das tatsächlich der Fall sein. Anleihen sind aktuell für Anleger attraktiv, weil sie laufende Einkünfte bieten können – und das vor dem Hintergrund einer insgesamt unsicheren Lage, wachsender Inflation und einer hohen Markt- und Makro-Volatilität. Seit 15 Jahren gab es nicht mehr so viele Anleihen, die über 4 Prozent rentiert haben. So liegt beispielsweise die Rendite kurzfristiger Unternehmensanleihen mit hoher Bonität nach unseren hauseigenen Daten derzeit bei 3,7 Prozent.1 Hinzu kommt, dass die Risiken bei Aktien steigen können, wenn Zentralbanken an den hohen Zinsen festhalten, um die Inflation zu bekämpfen. Wenn wir in eine Rezession steuern, dürfte dies Aktien unter Druck setzen. Kurzlaufende Qualitätsanleihen, darunter auch Anleihen aus einigen Schwellenländern, scheinen demgegenüber vielversprechend und sind zudem weniger volatil. Zwar bergen auch Anleihen ihre Risiken, aber eben auch Chancen. Und sie sind über ETFs ganz einfach zugänglich.
Wie können Anleihen-ETFs zu Renditen und Diversifizierung in Portfolios beitragen?
Wang: Anleihen-ETFs bieten einen einfachen Zugang zum Anleihemarkt. Mit diesen Instrumenten können Anleger in unterschiedliche Regionen mit unterschiedlicher Zins- und Konjunkturdynamik investieren, sich aber auch gezielt engagieren, beispielsweise in bestimmten Zinssegmenten und Währungen. Dies trägt zur Diversifizierung eines Portfolios bei und erhöht die Renditechancen, aber natürlich auch die Risiken. Dabei ist das Angebot an ETFs inzwischen enorm: Allein iShares bietet in Deutschland aktuell über 100 verschiedene Anleihen-ETFs an. Daneben überzeugen Anleihen-ETFs auch durch ihre Liquidität. Das haben die letzten Krisen deutlich gezeigt: Anleger, vom Privatanleger bis zu großen Institutionen, greifen in Stressphasen vermehrt auf ETFs zurück. Denn Anleihen-ETFs lassen sich schnell und unkompliziert kaufen und verkaufen und weisen sogar in normalen Zeiten in der Regel einen geringeren Spread als Cash-Bonds auf.
Welche Rolle spielen nachhaltige Anleihen-ETFs für europäische Anleger in 2023 und worauf sollten sie hier achten?
Wang: Nachhaltige Anleihen-ETFs spielen eine immer wichtigere Rolle für Anleger. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass heute jeder zweite Unternehmensanleihen-ETF aus dem EMEA-Wirtschaftsraum eine nachhaltige Strategie verfolgt.2 Wir vom Client Management Team bei BlackRock beobachten auch, dass Anleger sehr genau darauf achten, welche nachhaltigen und finanziellen Ziele ein Fonds verfolgt, bevor sie investieren.3 Als wir kürzlich 170 Investoren befragten, waren 42 Prozent von ihnen besonders auf das Thema Klima und den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft fokussiert. So erreichen uns bei iShares immer wieder Fragen von Anlegern, die mehr über Fonds wissen wollen, die sie beim Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft unterstützen.4 Wir bieten auch komplette Portfoliolösungen für das Übergangsmanagement an. Bei all dem steht für uns als Treuhänder immer die Unterstützung unserer Kunden bei der Erreichung ihrer langfristigen Anlageziele im Vordergrund.
iShares hat zusammen mit Bloomberg und MSCI einen eigenen Lösungsansatz für Fonds mit Klimafokus entwickelt – warum ist das für Anleger interessant?
Wang: Immer mehr Kunden fragen uns, wie sie die mit dem Klima und dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft verbundenen Risiken mindern und Chancen nutzen können.5 Unser Ansatz berücksichtigt Klimarisiken umfassend und zielt gleichzeitig auf Chancen auf dem Anleihenmarkt ab. Die Paris-Aligned Benchmark-Indizes sind so konzipiert, dass sie die Exposure gegenüber Übergangsrisiken und physischen Klimarisiken reduzieren und Chancen wahrnehmen sowie Anlegern helfen, die sich an einem Dekarbonisierungspfad orientieren wollen, der mit dem Pariser Abkommen vereinbar ist. Sie tun dies durch Screening, Dekarbonisierung und Optimierung. Unser Ansatz ermöglicht es den Anlegern, die Emissionen über die gesamte Wertschöpfungskette und über alle Sektoren hinweg zu betrachten. Dies ermöglicht den Anlegern eine Anpassung an die Anforderungen der Pariser Benchmark der EU, die ein Dekarbonisierungsziel von zunächst 50 und dann 7 Prozent pro Jahr anstrebt. Darüber hinaus beinhaltet es weitere Verbesserungen der Umweltmerkmale und eine Neugewichtung anhand von Umsatzdaten, eine Verbesserung des ESG-Scores und umfassende Emissionsdaten. Infolge der Optimierung hat unser Ansatz auch den Vorteil, dass er so nah wie möglich am ursprünglichen Index bleibt. Das bedeutet, dass Leistung und Risiko so weit wie möglich mit traditionellen Unternehmensanleihen übereinstimmen. Dies ist sowohl taktisch als auch strategisch interessant, da wir uns weiterhin konstruktiv mit Investment-Grade-Credit befassen.
Herr Haede, was zeichnet die Konstruktion von Indizes aus, die der EU Paris-Aligned Benchmark entsprechen?
Marc Haede: Der Paris-Aligned Index wurde entwickelt, um einerseits die Mindeststandards der EU Paris-Aligned Benchmark (PAB) zu erfüllen und zu übertreffen und gleichzeitig das Abweichungsrisiko gegenüber dem neutralen Marktindex zu minimieren. So sind sowohl die absoluten Treibhausgas-Emissionen als auch die CO2-Intensitäten im Vergleich zum neutralen Marktindex um 50 Prozent niedriger, hier spricht man von der relativen Dekarbonisierung. Darüber hinaus folgt der Index einem jährlichen Dekarbonisierungspfad von 10 Prozent für beide Messgrößen. Neben diesen Stellschrauben sind auch Ausschlüsse beziehungsweise starke Einschränkungen wie zum Beispiel kontroverse Waffen, Tabakproduzenten, Kohle-, Öl- und Gasunternehmen und Verstöße gegen soziale und ökologische Normen für die Indexkonstruktion relevant.
Was unterscheidet die EU Paris-Aligned Benchmark von anderen Klima-Benchmarks?
Haede: MSCI hat verschiedene Kategorien von Klima-Indizes entwickelt, um den unterschiedlichen Prioritäten der Anleger in Bezug auf Klimarisiken, Klimalösungen oder die Finanzierung einer CO2-armen Wirtschaft Rechnung zu tragen. Parallel zu den zuvor genannten Paris-Aligned Indizes berechnet MSCI den Climate Transition Index mit einer relativen Dekarbonisierung von 30 Prozent und einer jährlichen Selbstdekarbonisierung von 7 Prozent. Neben einer Vielzahl maßgeschneiderter Indizes gibt es darüber hinaus die MSCI Climate Change Indizes: Unternehmen und Geschäftsmodelle mit geringer Flexibilität in Bezug auf den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft werden im Gewicht reduziert; Emittenten, die von diesem Wandel profitieren, erhalten ein höheres Gewicht.
Wie gehen Sie vor, um Indizes zu konstruieren, die nachhaltigen Zielen und Performance-Ansprüchen genügen?
Haede: Viele Anleger möchten, dass ihre Investitionen ihre Werte oder Überzeugungen widerspiegeln, wie zum Beispiel die Vermeidung von Reputationsrisiken oder der Ausschluss von Unternehmen, die in große Skandale oder Geschäftsaktivitäten wie Tabak oder Waffen verwickelt sind. Zunehmend sind Anleger darüber hinaus durch finanzielle Erwägungen motiviert – sowohl bei der Risikominderung als auch bei der Suche nach Renditechancen durch die Integration von Umwelt-, Sozial- und Governance-Informationen. Screenings, die bestimmte Wertpapiere ausschließen, stellen eine Portfoliobeschränkung dar, da sie die Anlagemöglichkeiten effektiv reduzieren. Die Integration von ESG-Ratings und -Scores in eine Benchmark ist eine Möglichkeit für Anleger, ihre ESG-bezogenen Anlageziele zu erreichen und gleichzeitig das Abweichungsrisiko von dem neutralen Marktportfolio zu minimieren. Dabei wendet MSCI unterschiedliche Methoden der Index-Konstruktion an, wie zum Beispiel Tilting, also die Umgewichtung von Indexbestandteilen, die Konzentration auf die Klassenbesten in Bezug auf ESG, genannt „Best-of-Class“, oder Portfolio-Optimierung, bei der eine Vielzahl von Zielen gleichzeitig erfüllt wird.
Das Gespräch führte Helge Rehbein
Marketinginformation. Kapitalanlagerisiko.
1 Quelle: Wöchentlicher Marktkommentar, BlackRock, per 1. Mai 2023, sowie Rendite-, Durations- und andere Marktdaten, zitiert von Aladdin für die Auswahl der im Text genannten und auf https://www.ishares.com/de/professionelle-anleger/de/produkte/fondsvergleich?products=MjUxNzc5LDI1MTc0MSwyNTgxMTQ= aufgeführten Engagements, 8. Mai 2023.
2 Quelle: BlackRock, GBI-Datenbank zur Bewertung von AUM und Produktanzahl über fast 500 festverzinsliche OGAW-ETFs, 8. Mai 2023.
3 Quelle: Sustainable transition: pushing ahead, with more complexity, BlackRock 1. März 2022.
4 Quelle: Sustainable transition: pushing ahead, with more complexity, BlackRock 1. März 2022, Umfrage mit 170 Investoren, Frage 7: „Wann planen Sie, mit der Umstellung Ihres Portfolios auf Netto-Null zu beginnen?“ 42% der Teilnehmer haben bereits damit begonnen oder haben noch nicht begonnen, aber planen es.
5 Quelle: A Guide to investing in the Transition to a low carbon economy. BlackRock 7. März 2023