Asset-Allokation Ein gutes Umfeld für inflationsgeschützte Anleihen
Zur Mitte des Jahres sind die Konjunkturdaten weiterhin uneinheitlich. In den meisten Ländern scheint die wirtschaftliche Dynamik aber nachzulassen. Insgesamt deuten viele Frühindikatoren auf eine Rezession hin. Die Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern ist schlecht und die Probleme der US-Regionalbanken haben die ohnehin schon restriktiven Kreditvergabestandards weiter verschärft.
Bemerkenswert ist: Das noch vor wenigen Monaten für die US-Wirtschaft eingepreiste Risiko einer Überhitzung scheint nun endgültig vom Tisch zu sein. Eine Rezession in den kommenden zwölf Monaten ist in den USA ungefähr genauso wahrscheinlich wie eine Stagflation.
In Europa ist die deutsche Wirtschaft in den ersten drei Monaten des Jahres um 0,3 Prozent geschrumpft, nachdem die ursprüngliche Schätzung eines Nullwachstums nach unten korrigiert worden war. Das entspricht per Definition einer technischen Rezession. Ein solches Umfeld unterstützt unsere Short-Position gegenüber europäischen Aktien: Der Margendruck nimmt zu und die Gewinnerwartungen der Analysten scheinen im Vergleich zu den Wirtschaftsaussichten überzogen.
Positiver Blick auf die Schwellenländer
Gegenüber China sind die Investoren nach wie vor negativ gestimmt. Das erklärt einen Großteil der – wenn auch nicht die gesamte – Underperformance von Schwellenländer-Aktien im bisherigen Jahresverlauf.
Wir sehen jedoch eine Erholung in Asien, während sich die USA und Europa auf eine Rezession zubewegen. Die chinesischen Konjunkturdaten haben in letzter Zeit enttäuscht. Die Wirtschaft wächst aber immer noch um 6,5 bis 7 Prozent und wir sind der Meinung, dass es im Gegensatz zu den entwickelten Ländern Spielraum für eine geldpolitische Lockerung gibt. Da die Realzinsen in vielen Schwellenländern hoch und die Bewertungen sowie Gewinnerwartungen niedrig sind, sehen wir Potenzial für sinkende Diskontsätze und ein sich verbesserndes Ertragswachstum. Dies untermauert unsere positive Haltung gegenüber Schwellenländer-Aktien im Vergleich zu europäischen und US-Papieren.
US-Gewinnerwartungen unrealistisch hoch
In den USA spiegeln die Gewinnerwartungen für die S&P-500-Unternehmen das aktuelle Umfeld nicht wider: 2023 wird ein flaches Wachstum des Gewinns pro Aktie (EPS) erwartet (5 Prozent ohne Energie), gefolgt von zweistelligen Zuwächsen (11 bis 12 Prozent) in den Jahren 2024 und 2025. Wir gehen davon aus, dass die Unternehmensgewinne im Zuge der Rezession zweistellig (12 bis 15 Prozent) sinken werden.
Die nachlassende wirtschaftliche Dynamik spricht dafür, dass der Leitzins in diesem Zyklus seinen Höchststand erreicht hat. Sie stellt aber auch eine Herausforderung für die US-Unternehmen dar. Die Ausweitung der Margen könnte ein Ende finden, da die Weitergabe von Preiserhöhungen immer schwieriger wird.
Technologiebranche treibt den US-Aktienmarkt
Die robuste Performance von US-Aktien in diesem Jahr beruhte fast ausschließlich auf dem Technologiesektor. Mehr als die Hälfte der Rendite des S&P 500 ist auf Apple, Microsoft und Nvidia zurückzuführen. Lässt man die Branche unberücksichtigt, ist der Markt ungefähr unverändert.
Wir sind besorgt über die negativen Signale, die von einzelnen Sektoren ausgehen. Zyklische Konsumgüteraktien entwickeln sich im Durchschnitt schlechter als die von Basiskonsumgüter-Herstellern. Das deutet darauf hin, dass dem US-Konsum allmählich die Luft ausgeht.
Die Liquiditätsbedingungen sind herausfordernd für US-Aktien. Der US-Bankensektor ist nach wie vor dem Risiko einer Einlagenflucht ausgesetzt, da sich die ohnehin schon angespannten Liquiditätsbedingungen durch die quantitative Straffung der Fed noch verschärft haben.
Überzogene Bewertungen
Während die Forward-Kurs-Gewinn-Verhältnisse für den S&P 500 im Jahr 2022 gesunken sind, haben sie sich in diesem Jahr erhöht: Im Vergleich zum globalen Aktienmarkt (gemessen am MSCI All Country World) liegt die Forward-Prämie bei 16 Prozent und damit in der Nähe der Höchstwerte seit der globalen Finanzkrise. Ein großer Teil dieser Prämie konzentriert sich auf den Technologiesektor, was den Index allerdings nicht weniger anfällig macht. Der Aufschlag von 2022 mag durch bessere Eigenkapitalrenditen gerechtfertigt gewesen sein, aber sowohl bei den nachlaufenden als auch den vorausschauenden Messgrößen ist jetzt eine Wende zu beobachten. Aktuell könnte der US-Markt unseren Bewertungsmodellen zufolge aber um 30 bis 35 Prozent „falsch bewertet“ sein.
Trotz allem scheinen die Anleger weniger untergewichtet in Risikoanlagen, als Umfragen von Verkäuferseite vermuten lassen. Das Interesse an einer Untergewichtung von Aktien ist moderat und rückläufig. Investoren dürften Aktien auf einem Niveau übergewichtet zu haben, das in etwa dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre entspricht.
In Anbetracht all dieser Faktoren haben wir US-Aktien auf „Aversion“ herabgestuft (siehe Grafik) und positionieren unsere aktiven Portfolios nun vorsichtiger. Damit setzt sich die Entwicklung fort: Im Januar waren wir leicht konstruktiv, bevor wir im Februar/März eine neutralere Haltung einnahmen und Ende April eine leichte Untergewichtung einleiteten.
Grafik: Die Einschätzung einzelner Anlageklassen von BNP Paribas Asset Management
Positionierung für das Ende der US-Zinserhöhungen
Wir haben unsere Allokation in Staatsanleihen von untergewichtet auf neutral erhöht. Das spiegelt sich einerseits in einer taktischen Short-Position gegenüber europäischen Staatsanleihen und andererseits in einer übergewichteten Position in langlaufenden inflationsgeschützten US-Anleihen (TIPS) wider. Für eine Long-Position in solchen Papieren spricht die asymmetrische und interessante Risikoprämie, da sich die Fed dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus nähert, auch wenn dies in hohem Maße von der Inflationsentwicklung abhängig bleibt. Die Renditen für 20-jährige TIPS liegen nahe den Höchstständen dieses Jahrzehnts und auf einem Niveau, das zuletzt mit einer erneuten wirtschaftlichen Überhitzung in Verbindung gebracht wurde. Wir sind jedoch der Ansicht, dass angesichts der jüngsten Turbulenzen im US-Bankensektor eine Überhitzung nicht länger plausibel ist und folglich eine klare Bewertungsdiskrepanz besteht.