Kapitalmarktexperte Ulrich Kaffarnik
Was für ein Anleihenjahr wird 2024?
Aktualisiert am

Ulrich Kaffarnik ist Vorstand des Bereichs Fondsmanagement & Handel bei DJE. Foto: DJE / Canva
Das vergangene Jahr verlief nicht nur für Aktienanleger, sondern auch für Investoren am Anleihenmarkt erfolgreich. Doch wie sieht es für 2024 aus? Ulrich Kaffarnik gibt einen Ausblick und zeigt auf, welche Besonderheiten das aktuelle Jahr diesbezüglich hat.
Zunächst ein Blick zurück: Viele Kapitalmarktkommentare für das Jahr 2023 thematisierten die überraschend gute Entwicklung der Aktienmärkte vor dem Hintergrund der starken Leitzinserhöhungen. Abgesehen davon, dass die Notenbankzinsen nicht überall erhöht worden sind, sondern zum Teil bereits wieder gesenkt wurden (zum Beispiel in China und Brasilien) ist festzuhalten, dass die US-Zentralbank (FED) die Leitzinsen das letzte Mal bereits im Juli und die EZB im September 2023 erhöht hat. Die Zinsanhebungen haben also nicht das volle Kalenderjahr angedaue...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Zunächst ein Blick zurück: Viele Kapitalmarktkommentare für das Jahr 2023 thematisierten die überraschend gute Entwicklung der Aktienmärkte vor dem Hintergrund der starken Leitzinserhöhungen. Abgesehen davon, dass die Notenbankzinsen nicht überall erhöht worden sind, sondern zum Teil bereits wieder gesenkt wurden (zum Beispiel in China und Brasilien) ist festzuhalten, dass die US-Zentralbank (FED) die Leitzinsen das letzte Mal bereits im Juli und die EZB im September 2023 erhöht hat. Die Zinsanhebungen haben also nicht das volle Kalenderjahr angedauert.
Seltene Konstellation: steigende Notenbankzinsen und fallende Kapitalmarktrenditen
Was aber in den Kapitalmarktrückblicken kaum erwähnt wird, ist der Aspekt, wie sich zehnjährige Anleihen geschlagen haben. Hier zeigt sich für das Jahr 2024 die seltene Konstellation von steigenden Notenbankzinsen und häufig fallenden Kapitalmarktrenditen. Zwar standen die Kurse von Papieren mit längeren Laufzeiten bis Anfang Oktober unter Druck, haben aber im vierten Quartal – wie die Aktienmärkte – eine starke Jahresendrally erlebt. So sind beispielsweise die Kurse zehnjähriger US-Staatstitel seitdem bis zum Jahresende knapp 13 Prozent gestiegen und die deutscher Bunds gleicher Laufzeit um gut 8 Prozent.
Wenn jemand zu Jahresanfang 2023 zehnjährige Staatsanleihen in den großen Märkten der Eurozone erworben hat, stand eine Gesamtperformance von circa 7,5 Prozent für Deutschland, 8,3 Prozent in Frankreich und fast 14 Prozent in Italien zu Buche. Auch in den USA war die Entwicklung mit knapp 3,7 Prozent positiv. Als Fazit kann man festhalten, dass 2023 nicht nur für Aktienanleger, sondern auch für Investoren am Rentenmarkt nach dem Desaster-Jahr 2022 eine ordentliche bis sehr gute Performance gebracht hat.
Zinssenkungserwartungen haben sich wieder beruhigt
Was die Perspektive für das aktuelle Kalenderjahr anbelangt, ist folgende Besonderheit zu berücksichtigen: Bei allen bisherigen Leitzinshöhungszyklen der amerikanischen Notenbank in diesem Jahrtausend (1999 bis 2000, 2004 bis 2006 und 2016 bis 2018) lag am Ende des Zyklus die Rendite der zehnjährigen US-Staatspapiere höher als die Fed Funds Rate. Genau das ist diesmal nicht der Fall. Darüber hinaus hat die erwähnte Jahresendrally die US-Rendite bereits von 5 Prozent auf 3,8 Prozent zurückgeführt. Zwar konsolidiert der Markt seitdem, was in einem Anstieg der Rendite auf knapp 4,32 Prozent zum Ausdruck kommt, dennoch bleibt der Unterschied zum derzeitigen Zielband der Fed Funds Rate (5,25 Prozent zu 5,5 Prozent) sehr hoch.
Die Zinssenkungserwartungen der Marktteilnehmer an die FED haben sich von der „Fieberstimmung“ Ende 2023 (es wurden sechs Leitzinssenkungen erwartet) wieder beruhigt. Ursächlich ist die Kombination aus robuster Konjunktur, festem Arbeitsmarkt und einer Inflation, die etwas höher als gedacht ausfiel. Die am Dienstag gemeldete US-Inflation für Januar von 3,1 Prozent (die Vorhersage war 2,9 Prozent) hat die Zinssenkungserwartungen der Investoren nochmals zurückgeschraubt. Rechneten noch vor drei Wochen 82 Prozent der Investoren mit mindestens fünf Zinsschritten à 0,25 Prozent, sind es aktuell nur noch 12 Prozent. Aus meiner Sicht bleibt aber die Aussicht für eine niedrige Fed Funds Rate in 2024 intakt.
Eine andere Frage ist, was am langen Ende der Zinskurve passiert. Historisch zeigt die Tendenz in die gleiche Richtung, das heißt steigende Leitzinsen führen auch zu höheren Renditen bei langlaufenden Papieren und umgekehrt. Aufgrund des vorher beschriebenen relativ großen Renditerückgangs bei den zehnjährigen US-Treasuries Ende 2023 ist aber zunächst ein Anhalten der Konsolidierung wahrscheinlich. Neue Renditehöchststände sind jedoch nicht zu erwarten. Sollten im Jahresverlauf Renditen für zehnjährige US- Staatspapiere von circa 4,6 Prozent und für Bunds von circa 2,6 Prozent erreicht werden, dürften dies attraktive Einstiegspunkte sein, um sich längerfristig diese Zinsniveaus zu sichern.
Eurozonen-Produkte unter Spread-Aspekten attraktiver
Wie attraktiv sind jetzt Unternehmensanleihen als Spreadprodukte – also mit Blick auf die Renditeaufschläge gegenüber Staatspapieren mit zehnjähriger Laufzeit? Auf den ersten Blick erscheinen in den USA weder die Aufschläge bei Investmentgrade-Papieren (derzeit 1,1 Prozentpunkte und damit im langjährigen Durchschnitt) noch bei High Yield Bonds (mit 350 Basispunkten deutlich unter dem historischen Durchschnitt) besonders interessant. Allerdings dürfte die in den nächsten Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit stabile Konjunktur die Ausfallraten auf niedrigem Niveau belassen.
Unter Spread-Aspekten sind Eurozonen-Produkte attraktiver. So beträgt die Risikoprämie von Investment Grade Bonds in Relation zur zehnjährigen Bundesanleihe rund 150 Basispunkte (Durchschnitt seit dem Jahr 2000 bei 57 Basispunkten). Bei Euro-High-Yield-Papieren liegt sie mit 420 Basispunkten ziemlich nah beim historischen Durchschnitt. Die höheren Spreads in der Eurozone spiegeln damit auch die schwache konjunkturelle Konstellation wider. Jedoch deutet sich hier im Jahresverlauf eine Verbesserung an, sodass auch hier die Ausfallquoten überschaubar bleiben sollten.
Als Fazit kann festgehalten werden, dass Unternehmens- und High Yield-Anleihen gar nicht schlecht zum aktuellen geldpolitischen und makroökonomischen Umfeld passen. Hinsichtlich der Laufzeiten sollten bei Investmentgrade-Bonds mittlere beziehungsweise längere Laufzeitenbänder und bei High Yield Papiere mit früheren Fälligkeiten im Vordergrund stehen.
Jenseits der Regionen USA und Europa dürften aktuell mexikanische und auch brasilianische Staatsanleihen in lokaler Währung interessant sein. Beide Länder profitieren von der Diversifizierung der Lieferketten nach der Corona-Pandemie (Stichwort Nearshoring), was das Wirtschaftswachstum unterstützt. Sowohl die nominalen Renditen für zehnjährige Staatspapiere (Mexiko circa 9,2 Prozent, Brasilien rund 10,8 Prozent) als auch die Realrenditen bieten deutliche Vorteile zu den etablierten Industrieländern. Zusätzlich zeigen sich die Währungen seit einigen Jahren stabil. Unter der politischen Brille sollte Mexiko jedoch aufmerksam betrachtet werden, da mögliche verbale Angriffe des US-Präsidentschaftskandidaten Trump gegenüber dem Land für Unruhe sorgen könnte.
Stand aller Zahlen: 22. Februar 2024
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