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Günstige Bewertungen Warum Anleihen wieder attraktiv sind

Pariser Geschäftsviertel La Défense
Pariser Geschäftsviertel La Défense: Die hohen Risikoaufschläge bei europäischen Unternehmensanleihen scheinen fundamental nicht gerechtfertigt. Daher könnten sich Chancen am Markt bieten. | Foto: Imago Images / agefotostock

Die Diversifikation des Kapitals über verschiedene Anlageklassen ist keine Option – es ist aus unserer Sicht die Pflicht eines umsichtigen langfristigen Investors. Historisch hat sich die gleichzeitige Allokation in Aktien sowie in Staats- und Unternehmensanleihen bewährt. Die langfristige Robustheit eines gemischten Portfolios basiert dabei auf den unterschiedlichen Korrelationen der Anlageklassen. Das heißt: Fallen in einer die Kurse, sollen sie in einer anderen im Gegenzug idealerweise steigen.

Marcel Huber
Marcel Huber © Blackpoint AM

Aktuell wird die Bedeutung dieses Konzepts wieder einmal lebhaft diskutiert. Kritik flammt häufig dann auf, wenn unterschiedliche Anlageklassen wie Aktien oder Anleihen sich in einer Krise nicht gegenseitig diversifizieren, sondern über einen bestimmten Zeitraum hinweg gleichzeitig Kursrückgänge erleiden – wie es zuletzt der Fall war. Aber sollten Anleger aufgrund des längeren Zinsanhebungszyklus die Anlageklasse Anleihen komplett aufgeben? Aus unserer Sicht keinesfalls. Ganz im Gegenteil: Anleihen sind in den vergangenen Monaten deutlich attraktiver geworden und könnten künftig nicht nur zur Diversifizierung beitragen, sondern positive Renditen liefern.

Korrelation zuletzt höher – langfristig aber gering

Historisch betrachtet ist die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen tendenziell niedrig. Dies belegt auch die in Abbildung 1 dargestellte Grafik. Sie zeigt die rollierende 3-Monats-Korrelation der beiden Anlageklassen auf Basis des weltweiten Aktienindex MSCI World sowie des breiten Anleiheindex Bloomberg Global Aggregate. Die durchschnittliche Korrelation seit 2008, dargestellt als rote Linie, liegt lediglich bei 0,22. Ein Wert von 1 würde einen völligen Gleichlauf darstellen. Davon sind die beiden Anlageklassen über lange Betrachtungszeiträume hinweg jedoch weit entfernt. In jüngster Vergangenheit war die Korrelation allerdings wesentlich höher, wie das blau gefärbte Gebirge deutlich zeigt: Die durchschnittliche 3-Monats-Korrelation für das Jahr 2022 liegt bislang bei 0,57, der zwischenzeitliche Höchstwert betrug stolze 0,94.

Abbildung 1: Korrelation von Aktien und Anleihen

Grafik
Quelle: Bloomberg, Stand 21. September 2022

Unternehmens- und Schwellenländeranleihen historisch günstig

Aktuell belastet die geldpolitische Straffung aufgrund der weltweit hohen Inflation sowohl die Anleihe- als auch die Aktienmärkte. Der Paradigmenwechsel bei Inflation und Zentralbankpolitik bedeutet aber nicht, dass das Konzept Mischfonds überholt ist und seine besten Tage hinter sich hat. Im Gegenteil! 

Einige Anleihesegmente sind aktuell sogar historisch günstig bewertet, da sie übertrieben hart von der Krise getroffen wurden. Druck kam zuletzt nicht nur von der Zinsseite, auch die Risikoprämien sind sprunghaft angestiegen. Das ist der Teil der Rendite, der über den „risikofreien Zins“, also die Rendite einer US-Staatsanleihe oder einer deutschen Bundesanleihe mit vergleichbarer Laufzeit, hinausgeht. Außerordentlich hohe Risikoprämien bieten allen voran europäische Unternehmensanleihen sowie in US-Dollar denominierte Staatsanleihen aus den Schwellenländern – und sind daher besonders günstig. 

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Was aber sind die Gründe dafür? Viele aufstrebende Volkswirtschaften sehen sich aktuell mit einer hohen Verschuldungsquote konfrontiert. Die Pandemie hat diese Situation verschärft, da der Kampf gegen Corona sowohl auf gesundheitlicher als auch auf wirtschaftlicher Ebene sehr kostenintensiv war und immer noch ist. Da Schwellenländer meist einen Großteil ihrer Schulden in Hartwährungen aufnehmen – allen voran in US-Dollar – verschärfen eine starke US-Währung sowie steigende Zinsen in den USA die Situation. Rohstoffexportierende Länder können dies teilweise durch die Mehreinnahmen aus den Rohstoffverkäufen kompensieren, da diese ebenfalls in US-Dollar abgerechnet werden. In rohstoffexportierenden Staaten mit verhältnismäßig niedrigem Verschuldungsgrad und einem robusten Wirtschaftssektor können sich daher aktuell sogar Chancen bieten. Rohstoffimportierende Schwellenländer leiden jedoch besonders stark unter der gegenwärtigen Situation.

Übertrieben hohe Risikoprämien bei Unternehmensanleihen

Bei den Unternehmensanleihen implizieren hohe Risikoprämien die Gefahr von Problemen im Schuldendienst betroffener Unternehmen durch Insolvenzen. Um dieses Risiko für einen Index aggregiert beurteilen zu können, betrachtet man prognostizierte Zahlungsausfälle. Hier werden nur sehr moderate Anstiege im Vergleich zum sehr guten Jahr 2021 vorausgesagt, wie jüngst beispielsweise von der Ratingagentur Fitch. Laut ihrer Schätzungen steigen im Bereich der Hochzinsanleihen die Zahlungsausfälle in den USA von etwa 0,5 Prozent im Jahr 2021 auf knapp über 1 Prozent 2022 und knapp unter 2 Prozent im Jahr 2023. Für europäische Hochzinsanleihen steigen die Zahlungsausfälle demnach von knapp unter 1 Prozent auf etwa 1,5 Prozent in diesem und rund 2,5 Prozent im kommenden Jahr. Bei den Unternehmensanleihen mit einem besseren Rating sind die Risiken von Zahlungsausfällen nochmals deutlich niedriger.

Auch wenn wir erwarten, dass die Prognosen aktualisiert werden und die erwarteten Zahlungsausfälle etwas ansteigen: Der Anstieg der Risikoprämien, wie wir ihn aktuell sehen, scheint nicht ausschließlich dadurch begründet zu sein. Vielmehr spielt auch die allgemeine Risikoaversion an den Märkten eine Rolle. Die Angst vor weiter steigenden Zinsen treibt ebenfalls die Risikoprämien. Falls sich jedoch die Zahlungsausfälle im Bereich der Unternehmensanleihen in den prognostizierten Bereichen bewegen, überkompensiert die Risikoprämie die bestehenden Risiken. Diese Situation an den Anleihemärkten sehen wir als langfristige Chance und möchten sie entsprechend nutzen.

Viele Marktbeobachter neigen dazu, auch andere Anlageklassen wie Aktien aufgrund der jüngsten Korrektur als günstig einzuschätzen. Hier lohnt jedoch ein relativer Vergleich: Abbildung 2 zeigt exemplarisch die Gewinnrendite des US-Index S&P 500 im Vergleich zur Rendite des Index für die weniger riskante Anlageform von US-Unternehmensanleihen (Investment Grade, also bessere Ratings). Die Renditen der beiden Indizes haben sich sehr stark angenähert, die Differenz, dargestellt in Orange, ist erstmals wieder seit der großen Finanzkrise nahe 0. 

Abbildung 2: S&P 500 Gewinnrendite vs. Rendite US-Unternehmensanleihen

Grafik
Quelle: Bloomberg, Stand 21. September 2022

Anleihen scheinen im Vergleich zu Aktien attraktiver

Dies zeigt am Beispiel der USA, dass Aktien im Vergleich zu Unternehmensanleihen nicht günstig bewertet sind, da die Kompensation für das höhere Risiko einer Unternehmensbeteiligung in Form von Aktien deutlich höher ausfallen sollte als die Rendite eines vergebenen Darlehens an ein Unternehmen in Form einer Anleihe. Daher bewerten wir aktuell die relative Attraktivität von Anleihen als erhöht, während die Attraktivität von Aktien etwas geschwächt ist. In der Konsequenz sind wir deshalb untergewichtet in Aktien und werden schrittweise Chancen am Anleihemarkt ergreifen.

Insgesamt sieht es aus, als würde Diversifikation in balancierten Mischfonds durch ein mögliches Comeback der Anleihen nach einer längeren Durststrecke wieder an Bedeutung gewinnen. Oder wie der Volksmund weiß: „Der Geduldige hat allen Reichtum der Welt.“

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