

Kurzläufer sind das Mittel der Wahl
Was bedeutet das alles für Anleger? Vor allem langlaufende Anleihen werden derzeit kritisch gesehen. Edgar Walk, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Metzler, rät etwa davon ab, in langlaufende US-Staatsanleihen zu investieren. Seiner Analyse zufolge wird das Inflationsrisiko durch die derzeitigen Renditen nicht ausreichend kompensiert.
Der Hedgefonds-Manager Jeffrey Gundlach, auch bekannt als „König der Anleihen“, sagte neulich gegenüber dem „Wall Street Journal“: „Einer unser Lieblingssprüche lautet derzeit ‚T-Bill and Chill‘“. Sprich: Kurzläufer kaufen und abwarten. Diese bieten aktuell Renditen von deutlich über fünf Prozent. Der Vorteil dieser Strategie liegt darin, dass diese Anleihen bei einem weiteren Anstieg der Renditen kaum an Wert verlieren. Allerdings ist der Nachteil, dass die attraktiven Konditionen nur für eine begrenzte Zeit garantiert sind.
Ähnlich sieht es auch Tatjana Greil Castro, Co-Leiterin für Public Markets und Portfoliomanagerin bei Muzinich: „Kurzlaufende Anleihen bieten weiterhin einen Renditeaufschlag gegenüber langfristigen Anleihen sowie einen gewissen Schutz vor Zins- und Spread-Volatilität. Sofern es nicht zu einer schweren Rezession oder einer Kehrtwende in der Zentralbankpolitik kommt, werden sie unserer Ansicht nach mittelfristig besser abschneiden als langfristige Anlagen.“
Das liegt auch an einem seltenen Phänomen, welches derzeit an den Finanzmärkten zu beobachten ist: der inversen Zinskurve. Denn die geldpolitischen Maßnahmen führten zu einem Aufwärtsdruck am vorderen Ende der Zinskurve, während zunehmende Rezessionssorgen und die Erwartung von Zinssenkungen eine inverse Zinskurve nach sich zogen. Das Zusammenspiel dieser Faktoren führte zum höchsten Grad an Kurveninversion seit den frühen 1980er Jahren in den USA und den frühen 1990er Jahren in Europa. Wie lange dieser Zustand der Fall sein wird, ist unklar. „Die Rezessionsängste scheinen zu schwinden und die Zins- sowie Inflationsaussichten deuten darauf hin, dass die jetzige inverse Zinskurve nicht länger gerechtfertigt ist“, so Greil Castro.
Aktien werden es erst einmal schwer haben
Unklar sind die Einschätzungen bezüglich der Entwicklungen von Aktien im aktuellen Zinsumfeld. Swisscanto etwa ist skeptisch angesichts der Tatsache, dass die Zinsen über einen längeren Zeitraum hoch bleiben werden: „Das restriktive geldpolitische Umfeld wird auf absehbare Zeit als Bremsfaktor für den Aktienmarkt wirken. Zusammen mit der anhaltenden Krise am chinesischen Immobilienmarkt führte dies zu einem schwierigen Umfeld für Aktien mit entsprechenden Kursrückgängen.“
Besonders schwierig sei die konjunkturelle Lage in der Eurozone, so die Swisscanto-Experten. „Gemäß unseren ökonomischen Prognosen befindet sich die Eurozone bereits seit Sommer in einer milden Rezession, die bis ins nächste Jahr andauern wird. Die Aktienmärkte der Eurozone aber haben diese Rezession noch nicht genügend eingepreist.“ Man interpretiere die derzeitige Lage deshalb als „Ruhe vor dem Sturm“ und rechne damit, dass es zu weiteren Kursrückgängen bei europäischen Aktien kommen wird.
Michael Blümke, Portfolio Manager bei Ethenea, wiederum ist optimistischer. Zwar sei eine anhaltende Wachstumsverlangsamung zu beobachten, verschiedene Frühindikatoren würden jedoch signalisieren, dass man bereits unmittelbar vor einer Bodenbildung stehe. „Berücksichtigt man nun den vorlaufenden Charakter des Aktienmarktes und die in der Regel positive Saisonalität zum Jahresende, gehen wir – insbesondere angesichts der gerade stattfindenden Konsolidierung – von einem versöhnlichen letzten Quartal aus.“