Gestiegene Anleiherenditen Rentenmärkte: Was passiert, wenn sich die Zinsen verändern?
In den vergangenen zwei Jahren sind die Renditen festverzinslicher Anlagen um ein Vielfaches gestiegen. Die Renditen von Kern-Staatsanleihen haben das negative Terrain verlassen, die von Schwellenländeranleihen haben sich von 4,5 Prozent auf beinahe 9 Prozent verdoppelt und jene europäischer High-Yield-Indizes von 2,3 auf über 7 Prozent verdreifacht. Auf diesen hohen Niveaus haben sich die Renditen nun stabilisiert.
Festverzinsliche Anlagen werfen wieder Erträge ab
Der Anstieg der Anleiherenditen bedeutet, dass der Carry, also der Ertrag, aus der Differenz zwischen dem Halten einer Anleihe und den Finanzierungskosten, wieder einen wichtigen Performancetreiber für festverzinsliche Anlagen darstellt. Das ist ein gutes Zeichen für den Markt, denn langfristig ist die Rendite der wichtigste Faktor für die Performance einer Anleihe – vorausgesetzt, Kreditausfälle können minimiert werden.
Diese Minimierung ist die Aufgabe aktiver Manager. Das gilt insbesondere, da nun der Carry – und nicht mehr die Spread-Verengung, also die Risikoprämie – der wichtigste Performancetreiber ist. Je länger die Spreads auf dem aktuellen Niveau bleiben, desto länger wird es für uns attraktive Gelegenheiten geben, die es zu nutzen gilt.
Die Frage ist: Was würde passieren, wenn sich die aktuelle Situation ändert und die Märkte für festverzinsliche Anlagen nicht die „versprochene“ Rendite liefern (wie durch die schwarzen Balken in der Grafik oben veranschaulicht)? Und welche Auswirkungen hätte dies auf die Anleihemärkte?
Bleiben die Zinsen stabil?
In unserem Hauptszenario für die konjunkturelle Entwicklung gehen wir davon aus, dass die Erholung in China an Fahrt gewinnt und sich die US-Wirtschaft weiterhin als robust erweist. Dies dürfte die Erwartung einer sanften Landung des globalen Konjunkturzyklus in den kommenden sechs Monaten unterstützen – ein für die Rentenmärkte besonders günstiges Umfeld.
Die zwei größten Risiken für unser Kernszenario sind:
- Eine überraschend starke Inflation, die die Zinssätze in die Höhe treibt, weil die Marktteilnehmer ihre Erwartungen bezüglich der Entwicklung von Disinflation und Geldpolitik einer Überprüfung unterziehen.
- Eine deutliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, was zu niedrigeren Zinssätzen führen würde – vor allem, da die Realzinsen derzeit besonders restriktiv sind. Beide Szenarien werden in der Grafik oben durch die grünen und roten Balken dargestellt.
Interessanterweise zeigt unser einfaches und dennoch realistisches Modell, dass bei festverzinslichen Anlagen einige Segmente in allen drei Szenarien positive Erträge erzielen. Kreditmärkte mit ansehnlichen Renditen, strukturierte Kredite und kurzfristige Staatsanleihen sind besonders attraktiv und spielen daher eine entscheidende Rolle in unserer Allokation.
Da festverzinsliche Anlagen nun wieder Erträge abwerfen, müssen sich die Anleger nicht mehr um die „Stabilität“ des Zinsumfelds sorgen.
Die Theorie hinter unserer Bewertung
Durch die Verwendung eines Modells, das auf einfachen Annahmen beruht, können wir die erwartete Ertragsentwicklung einer festverzinslichen Anlage bestimmen. Der erwartete Ertrag eines festverzinslichen Instruments kann in zwei Komponenten unterteilt werden:
- Die Carry-Komponente, die von der Rendite der Anleihe abhängig ist.
- Die Kurskomponente, die von der Entwicklung der Anleiherenditen abhängt (bei ansonsten gleichen Bedingungen wirkt sich ein Anstieg der Anleiherenditen negativ und ein Rückgang der Anleiherenditen positiv auf den Anleihekurs aus).
Und somit können wir auf mittlere Sicht – sagen wir ein Jahr – den Gewinn oder Verlust der einzelnen Komponenten berechnen.
Nehmen wir als hypothetisches Beispiel einen italienischen Staatsanleiheindex. Dieser erzielt derzeit eine Rendite von 4 Prozent und hat eine modifizierte Duration von 5,4.
- Kernszenario: Die Anleihe bietet einen Carry von 4 Prozent über ein Jahr
- Alternatives Szenario 1: Anleiherenditen steigen um 1 Prozent. Die Rendite wäre 4 Prozent für die Carry-Komponente – 5,4 Prozent für die Kurskomponente = -1,4 Prozent
- Alternatives Szenario 2: Anleiherenditen sinken um 1 Prozent. Die Rendite läge bei 4 Prozent für die Carry-Komponente + 5,4 Prozent für die Kurskomponente = 9,4 Prozent